Langlauf-WM in Falun: Neun Gold an Norwegen, zwei an Schweden, eins an Russland

Petter Northug © NordicFocus/www.nordicfocus.com

„Olsson bekam Gold von der FIS, Kalla von den Wachsern und Northug von den Schweden“, titelt das Dagbladet nach Abschluss der WM. Eine gute Kurzzusammenfassung der Langlauf-Bewerbe der Nordischen Ski-WM. Auch wir haben noch einmal zurückgeblickt auf die letzten zwölf WM-Tage …

Erfolgreiche Weltmeisterschaften mit über 280.000 Zuschauern

Am Sonntag wurden die Nordischen Ski-Weltmeisterschaften beendet. Die vierte Austragung in Falun war insgesamt ein großer Erfolg mit zahlreichen Zuschauern besonders bei den Langlauf-Rennen. Die Erwartungen und Hoffnungen der Veranstalter mit 200.000 Zuschauern wurde noch deutlich übertroffen, insgesamt gingen 228.000 Tickets über den Ladentisch. Schätzungen der Faluner besagen, dass 65% der Fans aus dem Ausland angereist waren – viele davon natürlich aus Norwegen. Mit den zusätzlichen Freikarten für Sponsoren, Sportler usw. sollen 281.600 Zuschauer bei den Wettkämpfen anwesend gewesen sein – eine beeindruckende Zahl, wie auch die 701 Athleten aus 58 Nationen, die in Falun am Start waren. Mit Ausnahme eines Wettkampfes der Nordischen Kombination fanden alle Entscheidungen plangemäß statt, obwohl die Bedingungen teilweise nicht optimal waren. Egal ob windbedingt auf der Schanze oder die weiche Strecke in Langlaufrennen.

Brynte: WM-Comedian und Exoten-Betreuer

Gut unterhalten hat uns Robin Bryntesson in den vergangenen knapp zwei Wochen dieser Nordischen Ski-WM mit seinen amüsanten Videos, die er in Zusammenarbeit mit dem norwegischen Fernsehen drehte. Zwar ist der 29-jährige Brynte nach wie vor aktiver Langläufer, sein letzter Weltcupstart ist aber schon mehr als ein Jahr her. In den letzten Jahren hatte er oft mit gesundheitlichen Problemen zu tun, so dass er nicht mehr an die Form alter Tage herankam, wo er zum Beispiel Junioren- und U23-Weltmeister wurde. Zu den großen Weltmeisterschaften reichte es für ihn aber nie, zumindest nicht als Sportler. Darum war er nun bei der Heim-WM in Falun in ganz besonderer Mission dabei: Er gehörte zu den „Exoten-Betreuern“, die sich darum kümmerten, dass kleine Langlaufnationen sich auf dem unbekannten Terrain zurechtfinden. In Bryntes Fall handelte es sich um die Marokkaner, für die er sich verantwortlich zeigte: Samir Azzimani, einer seiner Schützlinge, war 2010 in Vancouver noch als Alpiner bei den Olympischen Spielen unterwegs und sattelte inzwischen um: In Falun kam der 37-Jährige ohne Ski und mit zwei gebrochenen Stöcken an – ohne Robins Hilfe, der sich um alles kümmerte, hätte der Afrikaner seine Teilnahme möglicherweise absagen müssen.

Norwegen erfolgreichste Mannschaft, aber auch Schweden stark

Die Gastgeber aus Schweden konnten mit ihren Weltmeisterschaften sehr zufrieden sein. Punktgenau hatten sich ihre Stars auf die Heim-WM vorbereitet und dabei große Teile der Weltcupsaison sausen lassen. Was bei Johan Olsson gesundheitliche Gründe als Ursache hatte, war bei Charlotte Kalla und Marcus Hellner eine exakte Vorbereitung auf die wichtigen Rennen vor heimischem Publikum. Zumindest Kalla und Olsson wurden mit Einzel-Gold belohnt, außerdem holte das Team viermal Silber und dreimal Bronze. Auf der Schanze waren die Gastgeber nur Statisten. Immerhin schön, dass Schweden dennoch alle verfügbaren Sportler nach Falun beorderten, um ein Team an den Start zu schicken – allerdings hatten die schwedischen Zuschauer noch nicht einmal den Namen der eigenen Sportler gehört. An Norwegerinnen und Norweger war im Medaillenspiegel natürlich kein Herankommen: Neun Gold, zwei Silber und drei Bronze sicherten sich die Dominatoren der WM in zwölf Rennen – nur Kalla, Olsson und Maxim Vylegzhanin konnten sich je einen Weltmeistertitel sichern. Dabei war nicht einmal Marit Bjørgen, die bisher die Saison dominiert hatte, der Überflieger der Titelkämpfe. Sie gewann „nur“ zweimal Gold (Sprint und Staffel) bei fünf Starts (im Teamsprint verzichtete sie), ging zweimal als Sechste und 31. (Startnummernrennen) sogar leer aus. Landsfrau Therese Johaug erwischte da mit Ausnahme des verkorksten Freistilrennens eine deutlich optimalere WM: Vier Starts, dreimal Gold. Noch besser war da nur Petter Northug: Als einziger Athlet in allen sechs Rennen gestartet beendete er die Nordische WM mit vier Titeln, einem elften und einem 61. Platz.

Der Sinn eines Wetterfrosches

Apropos Norwegen: Großes Thema wie auch bei den Olympischen Spielen in Sochi war wieder die richtige Wachswahl beziehungsweise der richtige Schliff der Ski. Ordentlich daneben gegriffen haben ausgerechnet wieder die Norweger, die mit einem 40-köpfigen Wachsteam angereist waren. Warum zu diesem großen Team nicht auch ein eigener Meteorologe gehört, muss man wohl nicht verstehen. Im Gegensatz dazu erwischten die Gastgeber in jeden Rennen einen absoluten Wunderski für die jeweiligen Verhältnisse – gedankt sei dem schwedischen Wetterfrosch! Seit drei Jahren vertraut das schwedische Langlaufteam auf einen eigenen Meteorologen, der dem Team schon wichtige Dienste geleistet hat und der über eine mobile Wetterstation und das Internet bestens über die aktuellen Wetterbedingungen informiert ist.

Große Kritik an Streckenverhältnissen

Abseits der sportlichen Leistungen der schwedischen Langläufer gab es jedoch auch viel Kritik am Veranstalter um Streckenchef Thomas Wassberg für die Präparation der Strecken. In den ersten WM-Tagen meckerten vor allem die norwegischen Kombinierer, aber auch der eine oder andere Langläufer, warum denn nicht gesalzen würde – die Strecken seien viel zu weich. Später sollte sich diese Entscheidung als goldrichtig herausstellen. Ab Mitte der Titelkämpfe wurde an einzelnen Anstiegen Salz eingesetzt, für die Staffelrennen die komplette Strecke gesalzen. Durch die über die gesamte WM-Zeit zu warmen Temperaturen gingen die Strecken in den letzten Tagen aber völlig in die Knie – Salz half nicht mehr, die Läufer mussten am Wochenende durch knöcheltiefen Sulz waten. Grund dafür waren die ständigen Plusgrade fast ohne Niederschlag. Dem Schnee war durch das Salz das Wasser inzwischen komplett entzogen, an den Verhältnissen war nichts mehr zu ändern. „Regen wäre schön“ hörte man in den WM-Tagen immer wieder, das hätte die Strecken gerettet, ließ sich aber nicht herzaubern. Weiterer Kritikpunkt in Richtung FIS war die Verteilung der Startnummern: Durch die während aller Tage weiche Strecke sahen die Sportler Athleten mit niedriger Nummer im Vorteil, so dass nun von vielen Athleten eine Startnummern-Reform gefordert wird: Die Besten sollen vorn starten und die besten Bedingungen haben. Northug, Hellner und auch Dario Cologna meckerten über die Bedingungen und eine viel zu weiche Stockspur, man bekomme „von den Stöcken nichts zurück“, so Northug. „Olsson bekam Gold von der FIS“, meinte Dario in Hinblick auf die frühe Startnummer des Schweden im Freistil-Einzelstart und auch nach dem Massenstart war Johan Olsson wieder ein Thema: „Olsson ist eine Legende. Ohne Neuschnee und bei normalen Streckenverhältnissen hätte Olsson wieder Gold gewonnen“, meinte Niklas Dyrhaug, der der Meinung ist, dass sein Freund Petter niemals Weltmeister geworden wäre, wenn sich jemand hätte absetzen können.

Johaug im Zweifel – rot oder blau???

Der eine oder andere Streckenposten mehr im Wald wäre durchaus auch eine Idee gewesen, um die Sportler an einer Weggabelung zwischen roter und blauer Runde einige hundert Meter vor dem Stadion in die richtige Runde zu weisen. Therese Johaug verlor dort im Wald fast ihr Massenstart-Gold, doch ihr Vorsprung war glücklicherweise groß genug. Tief in Gedanken versunken näherte sie sich mit einer Minute Vorsprung wieder dem Stadion nach knapp 15 Kilometern auf der roten Loipe. TV-Bilder zeigten später, dass Therese plötzlich umdrehte und über eine Brücke zurücklief in die falsche Richtung, um kurz darauf wieder umzudrehen. Später erklärte sie die Situation so: „Auf der roten Loipe kam ich runter zum Stadion und wollte die Ski wechseln. Während des Laufes überlegte ich plötzlich: ‚Bin ich hier richtig oder falsch gefahren??‘ Das war an der Stelle, wo sich rote und blaue Loipe kreuzen“, erzählte Johaug. „Ich bremste und hielt an: ‚Bin ich falsch gelaufen??‘ schrie ich die Streckenposten an und fing vor Verzweiflung fast zu weinen an. Ich war nicht sicher, ob ich gerade auf dem roten oder blauen Kurs war.“ Offenbar bekam sie keine Antwort von den Streckenposten, sie musste ihre eigene Entscheidung treffen: Goldmedaille oder Disqualifikation für Verlassen der Strecke? „Ich musste mich drauf verlassen, dass ich auf rot war. Ich kam ins Stadion und merkte, dass ich richtig gelaufen war“, meinte Johaug, deren Vorsprung auf die Verfolger zu diesem Zeitpunkt von 60 auf 40 Sekunden geschmolzen war. Glück gehabt, Therese!

Fußfessel-Ladestation an der Athleten-Lounge

Für Aufsehen sorgte in den WM-Tagen natürlich auch wieder Petter Northug beziehungsweise seine bevorstehende Gefängnisstrafe, die er nach der Saison mit einer Fußfessel als Hausarrest absitzen kann. Unbekannte Witzbolde, die sich während der WM aber nie zu erkennen gaben, errichteten im akkreditierten Bereich, wo Athleten und Skitechniker Zutritt haben, eine „Ladestasjon for elektroniske fotlenker“. Hier sollte man also seine elektronische Fußfessel aufladen können, natürliche eine klare Anspielung auf Northug in den norwegischen Landesfarben. Zu sehen gab es diese Ladestation, die aus einem alten Amperemeter und zwei Ladekabeln für Autobatterien bestand, mehrere Tage vor der Bagar Stuga, die als Athleten-Lounge genutzt wurde. Als Northug von der Presse darauf angesprochen wurde, witzelte er, dass sei wohl eine gemeinsame Aktion des norwegischen und schwedischen Justizvollzugs, die es den Kriminellen hier in Falun einfacher machen würde. Auf jeden Fall eine sehr kreative Aktion!

Provokation von gelben Karten möglich

Ob das in dieser Saison eingeführte System mit gelben Karten so die optimale Lösung ist, muss vielleicht noch einmal durchdacht werden, da sie auch als taktisches Mittel eingesetzt werden können. Zwar wirkten sich Vorbelastungen aus dem Weltcup nicht bei der WM aus, aber zwei Verwarnungen während der WM bedeuteten auch die Disqualifikation. Gelbe Karten gab es in den WM-Tagen für Fehlstarts, Behinderungen, Verlassen der Strecke oder Skatingschritte im Klassikrennen – allerdings gab es nur eine Disqualifikation von Hanna Falk, die es nach einem Fehlstart schaffte, in ihrem Viertelfinale des Sprints auch noch eine Gelbe für Behinderung zu kassieren. Taktische Überlegungen, um einen Konkurrenten in eine Disqualifikation zu drängen, waren jedoch auch im Spiel, wie Krista Pärmäkoski nach der Damen-Staffel zugab: „Wir haben nach dem Rennen darüber gesprochen, dass ich ja auch eine Gelbe Karte bei Stina Nilsson hätte provozieren können. Wir wussten ja, dass sie vorbelastet ist und mir war klar, dass Stina sehr stark im Zielsprint ist“, erklärte Krista, die diese Überlegungen glücklicherweise nicht wahr machte. Die erste Verwarnung erhielt die junge schwedische Sprinterin im Teamsprint, als sie im Duell mit Denise Herrmann in den S-Kurven mit einem Ski die Strecke verließ. „Dafür jetzt zu disqualifizieren. das wäre zu hart. Ein Ski außerhalb ist schon okay. So wollen wir unsere Medaille auch nicht gewinnen“, meinte Denise.

Deutsche Damen: Platz sechs für Steffi zum Abschluss

Während es auf der Lugnet-Schanzenanlage glänzend für das deutsche Team lief, passte auf den Langlauf-Loipen fast gar nichts zusammen. „Das war unser heutiger Leistungsstand und der dieser WM. Aber wenn man zwei, drei Wochen zurückschaut, war es das nicht. Man sollte jetzt nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern nach vorn blicken. Es hat einfach nicht sein sollen, es hat nicht zusammengepasst“, zog die erfahrendste Staffelläuferin Steffi Böhler ein Fazit. „Es fehlt gerade an allem, auch am Glück etwas. Aber wir sind sicher auch leistungsmäßig etwas hinter unseren Erwartungen zurückgeblieben. Vor einem Jahr waren wir in der Lage mitzulaufen, aber das macht den Sport so interessant, dass nicht alles berechenbar ist und Statistiken über den Haufen geworfen werden.“ Natürlich sind die verpassten Medaillen sehr schade und teilweise ärgerlich, zumindest für Steffi gab es aber im Massenstart noch einen versöhnlichen Abschluss. Ihr toller sechster Platz bedeutete zugleich auch die Teilnahme an der Siegerehrung auf der Medal Plaza, die sie sehr stolz machte. Vom Pech verfolgt war in Falun jedoch Nicole Fessel: In ihrem „Hauptrennen“, den zehn Kilometern, war sie mit dem mit Abstand schlechtesten Ski unterwegs, wie ZDF-Experte Tobias Angerer meinte. Im abschließenden Massenstart verhinderte dann ein Magen-Darm-Infekt einen Start der Allgäuerin, die sich viel ausgerechnet hatte. Auch sonst gab es viele negative Erlebnisse, zu denen man Victoria Carls Staffeleinsatz aber nicht zählen sollte: Die 19-jährige Junioren-Weltmeisterin wurde bei ihrem ersten Staffel-Start überhaupt ins kalte Wasser geschmissen und für die formschwache Claudia Nystad ins Team genommen. Beide kämpfen zur Zeit mit gesundheitlichen Problemen: Vici mit den Nachwirkungen einer Knieverletzung von vor ziemlich genau einem Jahr (Patella-Luxation und Bänderriss) nach einem eigentlich harmlosen Sturz in der Skihalle. Nach dieser Verletzung hat die Thüringerin immer noch Probleme mit dem Skaten, so dass sie nur im Klassischen aktuell ihre Möglichkeiten ausschöpfen kann. Der große Problemfall im deutschen Damen-Team ist aber zur Zeit Claudia Nystad: Die 37-Jährige hat nach ihrem Sturz mit Gehirnerschütterung bei der Tour de Ski nach wie vor Probleme mit dem zentralen Nervensystem: Einzelne Muskelgruppen lassen sich zur Zeit nur durch Konzentration auf einzelne Bereiche ansteuern, sie kann damit ihre Kraftwerte nicht abrufen und läuft unrund, was viel Zeit kostet. Das ist definitiv keine letzte Weltmeisterschaft ihrer Karriere, wie sie es sich gewünscht hat.

Deutsche Herren weit abgeschlagen: „Es muss was passieren!“

Weitaus mehr Sorgen macht jedoch das deutsche Herren-Team, dass bei dieser WM nie richtig in Tritt kam. Dass sich etwas ändern muss und man mit Ausnahme von Tims Weltcupsieg vor der WM nicht „in Schlagdistanz“ ist, wie Bundestrainer Frank Ullrich immer sagt, ist klar. Inzwischen kommt die Kritik nicht mehr nur von Ex-Bundestrainer und Eurosport-Co-Kommentator Jochen Behle, sondern auch erstmals aus den eigenen Reihen: „Es muss viel passieren wie hartes Training, auch eventuell ein paar Umstrukturierungsmaßnamen. Aber wir haben genug schlaue Köpfe in der Verbandsführung, die sich darüber den Kopf zerbrechen können, wie wir wieder in de Erfolgsspur gelangen“, erklärte Tim Tscharnke gegenüber den ZDF.

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