Interview mit Tobi Angerer: "Erst die Spannung, dann Schliffe und Wachse" - xc-ski.de Langlauf

Interview mit Tobi Angerer: „Erst die Spannung, dann Schliffe und Wachse“

Tobi Angerer © Atomic

Im Interview mit Langlauf Gesamtweltcupsieger und Olympiamedaillengewinner Tobi Angerer sprechen wir über seine Rückkehr zu Atomic, das wichtigste Kriterium bei der Skiwahl, Langlaufskier aus Carbon und seine Mitarbeit in der Produktentwicklung.

Tobi, du bist mit Atomic zu deinem Skiausrüster zurückgekehrt, mit dem du deine großen Erfolge wie den Tour de Ski Sieg und die beiden Gesamtweltcup-Siege gefeiert hast. Was hat dich zu diesem Schritt bewogen?

Tobias Angerer

Der Skilanglauf ist auch nach dem Karriereende nach wie vor meine große Leidenschaft. Ich mache zwar nicht mehr ganz so viel Sport wie früher (lacht), finde aber neben meinem Sportmarketing-Studium, unserem Jugendteam Chiemgau/Inngau, dem Expertenjob beim ZDF und meinen Markenbotschafteraufgaben für meine langjährigen Partner und Sponsoren schon noch genügend Freiraum zum Langlaufen und Skirollern. Ich verfolge die LL-Szene sehr genau und bin schon noch nah dran. Letzten Winter kam dann die Anfrage von Atomic, ob ich es mir vorstellen kann, in Zukunft als Markenbotschafter und Berater aufzutreten. Ich habe Atomic sehr viel zu verdanken, habe dort große Erfolge mit einem tollen Umfeld feiern dürfen und habe mich natürlich sehr geehrt gefühlt, die Möglichkeit zu bekommen, zu meinen Wurzeln zurückzukehren. Wir haben mehrere Gespräche mit Yann Vallet (Atomic Headquarter) und Markus Meister (Produktmanager) und dem neuen Team geführt und der Weg, den Atomic in Zukunft wieder gehen möchte, hat mich sehr überzeugt. Das Herz hat natürlich schon auch eine Rolle gespielt… Ich erinnere mich sehr gerne an die Zeit mit Peter Juric (Rennchef nordisch bis 2007) zurück, der gemeinsam mit seinem Team Außergewöhnliches geleistet hat und wir dann gemeinsam so viele Erfolge erringen konnten. Die Aufbruchstimmung, die im ganzen Team um Yann mehr als spürbar ist, erinnert mich sehr an die Zeit um 2000. Es wird eine spannende und herausfordernde Aufgabe, ich freue mich sehr darauf, Atomic zu unterstützen und mich hier einzubringen.

Wenn du so zurückblickst auf deine aktive Zeit, wie viel Anteil hatte das Material und insbesondere die Ski an deinen Erfolgen?

Das Material spielte schon immer eine große Rolle, in der heutigen Leistungsdichte, glaube ich sogar, noch ein wenig mehr, als vor 10 Jahren. Jeder Athlet/in sucht für sich das Material, womit er/sie am besten zurechtkommt, wo das größte Vertrauen ist und man seine Technik und Kraft am besten umsetzen kann. Die Entwicklung schreitet immer voran, es gibt neue Technologien und Materialien, die zur Anwendung kommen. Ich hatte während meiner Karriere fast immer gutes Material, hie und da hat das Wetter mal nicht so mitgespielt, wie es sollte (lacht)… Jetzt komm ich nochmals auf die Zeit mit Peter Juric zurück. In den 10 Jahren, die wir gemeinsam gearbeitet haben, hatte ich auch meinen Anteil an der Entwicklung der Skier, mit denen ich dann zweimal den Gesamt-WC und die Tour de Ski gewinnen konnte. Als Athlet bist du sehr feinfühlig und kannst einschätzen, ob sich das Material in die richtige Richtung entwickelt.

Warst du ein Tüftler wie Ole Einar Bjoerndalen, der sich nie mit seinem Material zufrieden gibt und immer noch etwas mehr herauskitzeln will, oder hast du das lieber den Technikern überlassen?

Tobias Angerer bei der Skiauswahl © Jakob Reisinger

Ich glaube, hier musst du meine ehemaligen Techniker fragen. Ich glaube, ich habe schon das ein oder andere Mal genervt, weil ich mich aber auch mit dem Material auseinandergesetzt habe. Du musst mit deinem Ski, den du an den Füßen hast, eine Einheit bilden. Jeder Sportler sollte seine Ski kennen, wann und wo die Einsatzgebiete sind und welche Erfahrungen man schon gemacht hat. Hier ist es auch sehr wichtig, großes Vertrauen zu seinem persönlichen Techniker aufzubauen. Er kennt dich und deinen Laufstil und sollte auch genau wissen, welche Spannung des Skis zu dir passt. Nicht umsonst arbeitet fast jeder Sportler seine gesamte Karriere mit einem persönlichen Techniker im Serviceteam zusammen.

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In der Szene redet jeder von neuen Schliffen und Strukturen sowie neuen Super-Wachsen. Bekommt der Ski an sich dabei zu wenig Beachtung?

Tobias Angerer bei der Skiwauswahl

Jeder der drei Punkte verdient seine Anerkennung und Aufmerksamkeit, aber in meinen Augen war und ist die Spannung und der Aufbau der Skier am Allerwichtigsten. Struktur, Schliff und Wachs sind das Finetuning. Ich vergleiche das Ganze gerne mit der Formel 1. Das Auto, wie es entwickelt wurde, hat bestimmte Eigenschaften und einen Grundspeed. Alles was dann am Rennwochenende mit Set Up und Feinabstimmung im Kampf um Zehntelsekunden verändert wird, hilft dem Piloten, das Auto schneller zu machen. Beim Ski ist es ähnlich. Erst die Spannung, dann Schliffe und Wachse. Diese Reihenfolge würde ich jedem empfehlen, der sich Skier kaufen möchte. Und wenn man das Ganze dann zusammensetzt, dann steht dem Spaß und hohen Geschwindigkeiten in der Loipe nichts mehr im Wege!

Atomic hat nun zur Schwesterfirma Salomon nachgezogen und einen Carbonski auf den Markt gebracht, allerdings im Klassik-Bereich. Was hältst du von dem Werkstoff, der nun auch im Skilanglauf immer mehr Einzug findet?

Ich denke, das ist eine Entwicklung, die in vielen anderen Sportarten schon längst vollzogen und nun im Skisport mehr als überfällig ist. Carbon hat viele Vorteile, ob Leichtigkeit, Stabilität oder Lebensdauer. Und mit der Veränderung der Lauftechnik zu immer mehr Krafteinsatz und Power, bekommt man die Energie in Form von Geschwindigkeit und Führungseigenschaften noch mehr zurück. Und die Leichtigkeit der Skier bringt nur Vorteile mit sich. Wichtig ist auch, dass Carbonski nicht gleich Carbonski ist. Neben dem Carbon Chassis ist der Aufbau und die Spannung der Skier entscheidend. Aber das hatten wir ja schon …

Nun bist du von Atomic nicht nur dafür engagiert worden, die Firma zu repräsentieren. Welche Rolle hast du bei der Produktentwicklung übernommen?

Tobias Angerer bei der Skiauswahl © Jakob Reisinger

Ich bin im engen Austausch mit Yann und seinem Team. Ich denke, dass ich hier meine 20-jährige Rennsporterfahrung gut mit einbringen und somit auch helfen kann, die Atomic-Ski weiterzuentwickeln. Im letzten Frühjahr konnte ich bereits die neuesten Bauweisen und Technologien der Skier testen und mein Feedback weitergeben. Auch in den kommenden Wochen und Monaten wird es meine Aufgabe sein, Veränderungen, die am Ski vorgenommen werden, zu testen und grundlegend zu analysieren. Aber wie schon gesagt, wir sind hier auf einem sehr guten Weg und arbeiten hier in unserem Team sehr eng zusammen. Eine weitere wichtige Funktion wird für mich aber auch sein, eine Schnittstelle für junge Athleten zu werden. Ziel muss es hier sein, jungen Sportlern die Möglichkeiten zu geben, die neuen Atomic-Ski zu probieren und somit die Marke auch wieder in den Fokus der Athleten zu bringen.

Nimmt man deine Ratschläge auch an? Wie viel Tobi Angerer steckt zum Beispiel im neuen Redster Carbon beziehungsweise wird zukünftig drin stecken?

Ich hoffe doch sehr (lacht)… Der neue Redster Carbon ist, und hier lege ich großen Wert darauf, das Produkt des Atomic-Teams. Der Ski bringt alles mit und ist, ohne untertreiben zu wollen, sehr weit oben anzusiedeln. Jetzt geht es darum, diesen Ski weiterzuentwickeln, kleine Dinge z.B. an der Spannung, zu verändern. Atomic hat ein riesengroßes Potential, ich weiß das aus meiner eigenen Erfahrung und jetzt heißt es, das Ganze nach vorne zu bringen und das bestmöglichste Produkt dem Athleten und allen begeisterten Langläufern anzubieten. Eine kleine Anekdote muss ich jetzt noch erzählen. Mitte April hatten wir noch die Clubmeisterschaft von meinem Verein, dem SC Vachendorf auf der Winklmoosalm. Ich hab zu Yann gesagt, dass ich gerne ein, zwei verschiedene Skatingski und Bauweisen probieren möchte. Ich habe dann getestet, es waren auch schon die neuesten Modelle dabei, habe mich dann für einen entschieden und ich bin an den Start gegangen. Es war aber kein normales Rennen, sondern ein Gleichmäßigkeitsrennen, 3 Runden á 1000 Meter. Derjenige, der die Runden am gleichmäßigsten läuft, hat gewonnen. Das Ende vom Lied… Ich wurde 11. von 12 Teilnehmern, weil meine letzte Runde 25 Sekunden schneller war als die erste… Der Ski war so leicht und genial zu laufen, dass ich gar nicht gemerkt habe, dass ich immer schneller wurde… Den Ski hat jetzt übrigens Andi Katz in seinem Sortiment 🙂

Viel Spaß bei dieser spannenden und interessanten Aufgabe und danke für das Interview!

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