Skilanglauf Olympiasiegerin Victoria Carl ist positiv auf das verbotene Dopingmittel Clenbuterol getestet worden. Die Substanz wurde im Rahmen einer Dopingkontrolle außerhalb des Wettkampfs festgestellt, nachdem Carl bei den CISM-Winter-Militärweltspielen im März einen Hustensaft eingenommen hatte. Dieser wurde ihr laut Aussage des Sanitätsdienstes der Bundeswehr von einem Bundeswehrarzt medizinisch verordnet. Die Nationale Anti-Doping-Agentur (NADA) hat ein Verfahren aufgenommen – Carl droht nun eine Sperre und damit das mögliche Aus für die Olympischen Spiele 2026.
Ärztlicher Fehler bei der Medikamentenvergabe
Wie der Deutsche Skiverband (DSV) am Mittwoch, 25.06.2025, mitteilte, litt Carl während der Wettkämpfe an einer spastischen Bronchitis. Zur Behandlung sollte sie den Hustensaft Mucosolvan bekommen, welcher den Wirkstoff Ambroxol enthält. Doch aufgrund eines Fehlers in der Bundeswehrapotheke wurde ihr stattdessen das Kombinationspräparat Spasmo Mucosolvan verabreicht – ein Medikament, das neben Ambroxol auch Clenbuterol enthält, ein Wirkstoff, der laut Reglement der World Anti-Doping-Agentur (WADA) verboten ist. Laut Bundeswehr kam es zu einer Verkettung organisatorischer Fehler: Der Medikamentenkoffer sei von ungeschultem Personal gepackt worden, ein alternatives Präparat stand vor Ort nicht zur Verfügung und der behandelnde Truppenarzt habe unter Zeitdruck gehandelt. Dabei versäumte er es, Carl über den dopingrelevanten Inhaltsstoff aufzuklären oder eine medizinische Ausnahmegenehmigung zu beantragen.
Bundeswehr übernimmt Verantwortung, Carl trifft laut DSV keine Schuld
In einer offiziellen Stellungnahme übernahm der Sanitätsdienst der Bundeswehr die Verantwortung für die Medikamentenvergabe. „Die ärztliche Verordnung war medizinisch nachvollziehbar, aber organisatorisch fehlerhaft“, so der leitende Sanitätsoffizier der CISM-Wettkämpfe. „Die Sportlerin trifft keinerlei Schuld. Sie handelte im Vertrauen auf die fachärztliche und kompetente Betreuung innerhalb eines offiziellen militärischen Wettkampfumfelds, wie sie unzweifelhaft bislang immer gewährleistet war. Zudem schien die Sportlerin durch Schlafmangel und völlige körperliche Erschöpfung in ihrer Wahrnehmung leicht eingeschränkt, was zusätzlich auch ihre Sorgfaltspflicht hat einschränken können. Dies werden wir im Laufe des nun anstehenden Verfahrens auch in der Klarheit zum Ausdruck bringen und belegen. Wir bedauern die entstandene Situation ausdrücklich und hoffen, dass wir mit unserer Stellungnahme bei der NADA dazu beitragen können, diese für die Athletin schwierige Situation aufzulösen.“ Carl selbst äußerte sich offen und transparent: „Ich war krank, hatte starke Hustenanfälle und habe das Medikament auf ärztliche Anweisung genommen. Ich habe alles offengelegt – mir war nicht bewusst, dass ein verbotener Wirkstoff enthalten ist. Ich hoffe sehr, dass die Umstände nachvollzogen und fair bewertet werden.“
Olympia in Gefahr – DSV und Bundeswehr fordern Einzelfallprüfung
Der DSV spricht von einem „bedauerlichen Einzelfall“, der nicht auf eine Täuschungsabsicht der Athletin zurückzuführen sei. Carl habe die Einnahme bei der Dopingkontrolle vollständig und proaktiv angegeben. Man fordere eine „differenzierte Einzelfallprüfung“, die die medizinische Notlage, die ärztliche Verantwortung sowie die offene Kommunikation der Athletin berücksichtigt. „Victoria Carl wird derzeit mit möglichen Konsequenzen konfrontiert, für die sie medizinisch nicht verantwortlich ist“, erklärt DSV-Kommunikationsvorstand Stefan Schwarzbach. „Eine Sperre – insbesondere mit Blick auf Olympia – wäre aus unserer Sicht weder gerecht noch verhältnismäßig.“ Die Konsequenzen könnten dennoch drastisch sein: Selbst eine kurze Sperre könnte faktisch einem Ausschluss von den Olympischen Winterspielen 2026 gleichkommen – und damit das mögliche Karriereende für die 29-jährige Thüringerin bedeuten. Bei den Winterspielen 2022 hatte Carl Gold im Teamsprint sowie Silber mit der Staffel geholt. Der Fall ähnelt dem Fall von Therese Johaug, welcher zeigt, dass auch bei ärztlicher Verordnung keine automatische Straffreiheit garantiert ist. Die Norwegerin musste 2016 trotz unverschuldeter Einnahme eines Steroids eine 18-monatige Sperre absitzen. Dieses Mittel befand sich nach Johaugs Angaben in einem Lippenstift, den sie zur Behandlung eines Sonnenbrandes eingesetzt habe. Die mehrfache Olympiasiegerin hatte die Creme von ihrem Arzt bekommen. Der Mediziner übernahm die Verantwortung. Johaug wurde dennoch gesperrt. Die Bundeswehr hat ein internes Prüfverfahren eingeleitet. Der DSV und das medizinische Team hoffen auf einen vollständigen Freispruch. Bis zur Klärung des Falls werden keine weiteren öffentlichen Stellungnahmen abgegeben, ergänzte der DSV in der Pressemitteilung.
Hintergrund zu Clenbuterol
Clenbuterol wird medizinisch zur Behandlung von Atemwegserkrankungen eingesetzt, ist jedoch als Dopingmittel verboten. Es ist vor allem im Bodybuilding beliebt, da es den Fettabbau fördert. Die Substanz tauchte in der Vergangenheit bereits bei prominenten Dopingfällen auf, etwa bei Katrin Krabbe oder Alberto Contador.