Claudia Nystad: Fast im Plan

Claudia Nystad © Felgenhauer/NordicFocus

Claudia Nystad fehlt zum Erreichen ihres großen Ziels ein Top-15-Resultat – beim Weltcup im polnischen Szklarska Poreba will die 35-Jährige die Sotschi-Norm knacken.

Als Claudia Nystad nach dem Comeback beim Weltcup-Auftakt im finnischen Kuusamo vor die Journalisten trat, wirkte sie trotz mittelprächtiger Resultate gelöst, entspannt, fast in sich ruhend. Ganz im Gegensatz zu früher, als Nystad nach 40. Plätzen eher wütend davon getrottet war, gab sich die bekennende Oberwiesenthalerin bei ihrem Comeback redselig und relaxed. „Ich hatte mit einem Platz um die 60 gerechnet“, konnte man da hören und dass sie voll im Plan sei.

Irgendwie stimmte das und irgendwie führte das bei vielen Betrachtern zu einer gewissen Fassungslosigkeit. Denn Nystad funktionierte wie ein Uhrwerk. Bei der WM in Val di Fiemme hatte die Athletin im März des vergangenen Jahres für die Positiv-Schlagzeilen gesorgt, als sie ihre Rückkehr in die Loipe offiziell bekannt gab. Vorangegangen waren da allerdings schon umfangreiche Tests beim Institut für Angewandte Trainingswissenschaften (IAT) in Leipzig, zahlreiche heimliche Übungseinheiten und jede Menge Gespräche, um die Umfeld-Bedingungen für die Rückkehrerin zu klären. Was folgte, war ein knüppelhartes Grundlagentraining, umfangreich und intensiv wie nie zuvor. Das Ganze nach einem nahezu minutiös ausgearbeiteten Plan, der – bei Erfolg – nach Sotschi führen sollte. Der Sommer verging, die Werte stimmten, der Herbst kam und mit ihm leise Zweifel bei Claudia, ob auch alles seine Richtigkeit habe. Weil einfach alles nach Plan lief. Weil selbst Phasen der Stagnation offenbar eingerechnet worden waren. Weil weder Krankheiten noch Verletzungen für Ausfälle sorgten. Weil es – wie man landläufig sagt – einfach rund lief.


Es mag zu großen Teilen an Nystads innerer Einstellung gelegen haben, dass das Comeback funktionierte. Denn sie selbst bekannte, sich nicht mehr als notwendig unter Druck zu setzen, immer wieder in sich hinein zu hören, auf die Signale des Körpers zu achten, vor allem aber nicht mit Gewalt, nach dem Motto „Alles oder nichts“, zu agieren. Das half und folglich stellten sich erste Teilerfolge ein: Die Nominierung für die Nationalmannschaft, die Teilnahme an den Trainingslagern, die interne Qualifikation für die ersten Weltcups.

Unterstützung erhielt die Sächsin, inzwischen ja auch Bachelor der Wirtschaftsinformatik, von allen Seiten. Verband, Trainer, viele fleißige Helfer machten die Rückkehr leichter. Bundestrainer Frank Ulrich garantierte seiner „Seniorin“ frühzeitig einen Platz im Team, die Kolleginnen neideten es der 35-Jährigen nicht.

Nur in einem Punkt ging der Plan nicht ganz auf. Denn im Gegensatz zu früheren Zeiten, ja selbst im Gegensatz zur vorolympischen Saison, hatte die Leistungsdichte im Frauenlanglauf in diesem Winter extrem zugenommen. Und so erreichte Nystad zwar die erwünschten und erhofften Zeiten, aber nicht die damit verbundenen Platzierungen. Die aber sind notwendig, um das Ticket zu den Olympischen Spielen zu ergattern. Schon zum Saisonauftakt hatte die Olympiasiegerin von Salt Lake City und Vancouver gestaunt. „Mit meiner Zeit und dem Abstand zu den Podestplätzen wäre ich vor dem Comeback locker in die Top-Zwanzig marschiert, jetzt bin ich irgendwo um die 40er-Ränge unterwegs, das ist schon ein gravierender Unterschied.“ Die Sache mit der neuen Leistungsdichte im Weltcup änderte sich auch in den folgenden Wettkämpfen nicht. Und deshalb geriet der schlaue Plan ein bisschen ins Wanken. Denn Nystad hatte eigentlich vorgesehen, vor Weihnachten einen Teil der Norm zu erfüllen, den anderen bei der Viessmann Tour de Ski.

Geklappt hat es nur mit dem zweiten Teil der Übung, so dass der Altmeisterin noch eine halbe Qualifikationsnorm fehlt. Die soll nun in Polen eingefahren werden, wenn der Weltcup im Riesengebirge Station macht. Nach Szklarska Poreba (dt.: Schreiberhau) führt die Reise; es ist die letzte Qualifikationsmöglichkeit vor der Nominierung durch den Deutschen Olympischen Sport Bund (DOSB). Aber selbst wenn es nichts wird mit einem weiteren Platz unter den besten 15 Langläuferinnen der Welt – die Chancen, nach Sotschi mitreisen zu dürfen, stehen nicht schlecht. Denn bisher sind von den Distanzläuferinnen nur Denise Herrmann, Katrin Zeller und Nicole Fessel sicher dabei – vier Damen werden aber gebraucht, um die Staffel einsatzfähig zu machen. Und genau das war das Ziel der Claudia Nystad: noch einmal in einer Olympia-Staffel zu stehen. So gesehen ist die Oberwiesenthalerin im Plan – fast!

Quelle: DSV-Viessmann-Newsletter