Team XC For More: Stark auf der Loipe und stark gegen die Volkskrankheit Depression

Team XC For More © Team XC For More

Im Winter 19/20 geht mit dem Team XC For More erstmals ein Langlaufteam in die Skimarathon-Saison, welches sich auf und abseits der Loipe für den Kampf gegen Depressionen einsetzt.

Das Team XC For More besteht aus folgenden Teammitgliedern: Teresa Kraus, Marc Burgardt, Daniel Gathof, Florian Magdalenc, Benjamin Sonntag, Philipp Sonntag. Das erklärte Ziel ist es, das Thema stärker in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken und dafür zu sorgen, dass offener darüber gesprochen wird. Um dies zu erreichen ist das Team eine Partnerschaft mit der Stiftung Deutsche Depressionshilfe eingegangen. Alle Spendeneinnahmen gehen direkt an diese Organisation. Der Slogan: «A reason to race for» stellt dabei prägnant dar, dass es dem Team um mehr geht als um den Sport und dass die Teammitglieder mit ihrem geliebten Hobby einen größeren gesellschaftlichen Zweck anstreben. Außerdem wollen sie darauf aufmerksam machen, dass neueste Studien belegen, dass sportliche Bewegung nicht nur gut für das Herz-Kreislauf-System ist, sondern auch Wunder im Kopf bewirken kann.

Auslöser der Initiative war unter anderem der Tod eines guten Freundes und langjährigen Langlauf-Kollegen im August 2017, der durch eine Depression ausgelöst wurde. Wirft man einen Blick auf die Fakten rund um das Thema Depression, wird schnell klar, dass wohl beinahe jeder in seinem eigenen Umfeld schon einmal mit dem Thema konfrontiert wurde: Depressionen gehören zu den häufigsten und hinsichtlich ihrer Schwere am meisten unterschätzten Erkrankungen. An Depression sind derzeit in Deutschland 11,3% der Frauen und 5,1% der Männer erkrankt. Frauen leiden damit etwa doppelt so häufig an Depression wie Männer. Insgesamt sind in einem Jahr durchschnittlich 8,3 Prozent der Bevölkerung depressiv krank. Das entspricht 5,3 Mio. Bundesbürgern. 2016 starben mehr Menschen durch Suizid (9.838) als durch Drogen (1.333), Verkehrsunfälle (3.547) und HIV (370) zusammen (Quelle: Todesursachenstatistik 2016, Statistisches Bundesamt). Die Mehrheit der Suizide erfolgt vor dem Hintergrund einer unzureichend behandelten Depression. Trotz dieser erschreckenden Zahlen, wird das Thema leider weiterhin viel zu sehr tabuisiert.

Die entscheidende Ursache einer Depression, ist das Vorliegen einer Veranlagung zu Depression. Diese Veranlagung kann genetisch bedingt sein, das heißt Menschen, bei denen nahe Angehörige depressiv erkrankt sind, haben ein etwa zwei- bis dreifach erhöhtes Risiko selbst zu erkranken. Durch Traumatisierungen oder Missbrauchserlebnisse in der Kindheit kann diese Veranlagung auch erworben sein.

Die Deutsche Depressionshilfe hat dem Team XC For More folgenden Selbsttest vorgelegt:

Symptomkreis © Deutsche Depressionshilfe

Liegen über zwei Wochen oder länger mindestens zwei der drei Hauptsymptome und zusätzlich mindestens zwei Nebensymptome vor, deutet dies auf eine Depression hin und sollte von einem Arzt überprüft werden. Depressionen können sich zwar zu einer schweren Krankheit entwickeln, sind aber mit professioneller Hilfe meist gut behandelbar. Antidepressiva und Psychotherapie stellen dabei die wichtigsten Säulen der Behandlung dar. Oft ist es sinnvoll, beide Behandlungsformen zu kombinieren.

Dem Team XC For More ist es auch wichtig darauf hinzuweisen, dass durch regelmäßige sportliche Betätigung eine Therapie zu einem gewissen Teil unterstützt werden kann. Forscher der Universitäten Oxford und Yale haben festgestellt, dass drei- bis fünfmal Sport in der Woche dazu führt, dass sich die Probanden an weniger Tagen schlecht fühlten. Sehr wichtig ist aber, dass Bewegung die medizinische Therapie von Depressionen oder anderen psychischen Erkrankungen keinesfalls ersetzen kann! Ulrich Hegerl, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, betont: „Menschen, denen es psychisch schlecht geht, haben häufig nicht den Antrieb, Sport zu treiben.“ Oft ist Sport erst wieder möglich, wenn die Behandlung mit Medikamenten und/oder Psychotherapie die akute Depression zum Abklingen gebracht hat. Dann gibt es jedoch viele Hinweise darauf, dass körperliche Aktivität im Zusammenhang mit Depressionen positive Effekte hat.

Ein Sportler, der sich sehr gut mit dem Thema Depressionen auskennt, ist der Spitzen-Langläufer Jonas Baumann. Er war selbst von einer Belastungsdepression betroffen und geht sehr offen mit seiner mentalen Verfassung um. So zeigt er, dass es richtig und wichtig ist über die psychische Gesundheit zu sprechen. In einem kurzen Interview verriet er dem Team folgendes:

Du bist seit Jahren erfolgreicher Langlaufprofi und hast dein Hobby zum Beruf gemacht. Wann hast du bemerkt, dass dich dein Hobby immer mehr auslaugt und wie kam es zur Diagnose der Erschöpfungsdepression?

Jonas Baumann (SUI) © Modica/NordicFocus

Es war nicht unbedingt der Sport der mich ausgelaugt hat, sondern die Gesamtbelastung als Ganzes. Angefangen hat es bereits in der Vorbereitung in die Saison 2016/17. Die Vorbereitung verlief aufgrund einer Verletzung nicht ideal, hinzu kamen krankheitsbedingte Ausfälle, welche das Erreichen der erforderlichen Resultate für die WM in Lahti erschwerte. Ich war stets im Rückstand und wollte mit dem Kopf durch die Wand. An der TDS habe ich die erforderlichen Resultate für die WM-Quali erreicht. Eine große Last viel mir von den Schultern. Doch auch danach kehrte keine Ruhe ein. Ich war im Endspurt der Assessment-Stufe meines Bachelor-Studiums an der FHGR. Ich war rastlos, litt unter Schlafstörungen. Meine Gedanken kreisten. Nach abgeschlossenen Prüfungen folgte auch schon bald das sportliche Saisonhighlight, die Nordische Weltmeisterschaft in Lahti. Trotz der besten Einzelresultate (12. im Skiathlon und 17. im Einzelrennen) und der knapp verpassten Medaille mit der Staffel, verspürte ich keine Emotionen. Meine Frau hat schon zu diesem Punkt realisiert, dass etwas nicht in Ordnung ist und ich die Saison abbrechen soll. Aber mein Kopf ließ das nicht zu und ich zog die Saison bis zum bitteren Ende durch. Bei den Schweizer Meisterschaften über 50 km musste ich das erste Mal in meiner Karriere einen Wettkampf aufgeben. Ich konnte einfach nicht mehr. Auch nach einer längeren Auszeit, welche mir mein Teamarzt und Sportpsychologe empfohlen hatte, stellte sich keine Besserung ein. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wusste ich, dass etwas nicht stimmte. Ich suchte relativ früh Hilfe, begab mich in Therapie und stand dadurch relativ rasch wieder mit beiden Beinen im Leben. Eine genaue Diagnose wurde mir nie gestellt. Aber es spielt auch keine Rolle ob man von einer Stressdepression oder einem Burnout spricht.

Depressionen sind eine weit verbreitet Krankheit. Trotzdem fällt es immer noch vielen Betroffenen schwer, darüber zu sprechen. Warum bist du damit an die Öffentlichkeit und was hat sich seitdem in deinem Leben verändert?

Es brauchte enorme Überwindung mich meinem Umfeld, Teamarzt, Sportpsychologen, Teamkollegen zu öffnen und ihnen meine Situation zu erzählen. Ich erhielt sehr viel Zuspruch, was mir enorm viel Kraft gegeben hat. Da habe ich mir gedacht, wenn ich sowieso den Leuten um mich herum meine Situation erzähle, kann ich dies auch gleich öffentlich machen. Eine Depression ist eine therapierbare Krankheit und nichts wofür man sich schämen muss. Es ist auch keine Schwäche die man zeigt. Wenn jemand ein Bein bricht, macht diese Person auch kein Geheimnis daraus, warum dann bei einer psychischen Erkrankung. Ich habe mich durch diese Krankheit besser kennengelernt. Sie ist ein Teil von mir und macht mich als Mensch Jonas aus. Für mich war es immer schwierig Nein zu sagen, das habe ich durch die Krankheiten gelernt. Ich nehme mir bewusst Zeit nur für mich und erkenne die Anzeichen früher, falls ich mir wieder zu viel zumute.

Du bist mit einem starken Weltcup Auftakt in Ruka in die Saison gestartet und kannst den Sport heute wieder voll genießen. Was kannst du Betroffenen durch deine Erfahrung mit auf den Weg geben?

Sprecht offen über das Thema. In eurem Umfeld gibt es mehr Personen wie ihr denkt, welche bereits etwas Ähnliches durchgemacht haben. Jedes Mal, wenn ihr darüber sprecht, ist es ein Verarbeitungsprozess, mir zumindest hat dies enorm geholfen. Ab und zu darf/ respektive muss man auch ein wenig egoistisch sein. Es sagt dir niemand Danke, wenn du zu allem Ja und Amen sagst, dir damit aber selber schadest. Und zu guter Letzt Langlauf ist nur Sport, es gibt viel Wichtigeres im Leben. Aber auch für mich hat der Sport einen sehr hohen Stellenwert im Leben und darum versuche ich das Training und auch Wettkämpfe so gut wie möglich zu genießen, auch wenn das bei aller Anstrengung nicht immer einfach ist.

Ausführliche Informationen zu diesem Thema, einen genaueren Selbsttest oder weitere Adressen rund um das Thema Depressionen findet ihr unter: www.deutsche-depressionshilfe.de

Außerdem gibt es noch folgende wichtige Anlaufstellen:

  • deutschlandweites Info-Telefon Depression 0800 33 44 5 33 (kostenfrei)
  • fachlich moderierte Online-Foren zum Erfahrungsaustausch für Erwachsene www.diskussionsforum-depression.de und junge Menschen ab 14 Jahren www.fideo.de
  • Hilfe und Beratung bei den sozialpsychiatrischen Diensten der Gesundheitsämter
  • Selbsthilfegruppen in Ihrer Nähe unter www.nakos.de
  • Beratung und Austausch für Angehörige: Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen https://www.bapk.de/der-bapk.html

Unterstützt gerne die Stiftung Deutsche Depressionshilfe oder das Team XC For More mit einer kleinen Spende und besucht den Stand des Teams bei vielen Skimarathons in Deutschland.