Tere tulemast Eestisse: 63 Kilometer durch den Süden Estlands beim Tartu Maraton

Jürgen Binder unterwegs beim Tartu Maraton © Mait Marttila/sportfoto.com

So wurden die ersten Kilometer des Rennens eher zu einem gemütlichen Einlaufen. Da mein geplantes Vorbereitungsrennen vor zwei Wochen von Toblach nach Cortina aber abgesagt wurde und es sich um die mit Abstand längste Distanz handelt, die ich jemals auf Ski am Stück und in Renntempo zurücklegen sollte, war das vielleicht auch ganz gut so. Nach gut 10 Kilometern war etwas flüssigeres Laufen möglich und ich konnte damit beginnen, das Feld von hinten aufzurollen. Da die Eingänge zu den Startblöcken recht gut kontrolliert wurden, konnte ich mich anhand der Startnummern der Läufer in meiner Nähe immer ganz gut orientieren, wo ich mich gerade in etwa befand. Nach 12 Kilometern die erste Verpflegungsstelle. Nach gefühlt bereits hunderten Überholmanövern lag ich hier „schon“ auf Platz 1.857. Die Verpflegungsstellen waren allesamt gut besetzt und lange genug, um sich ohne große Staus mit Getränken versorgen zu können. Auf einen Trinkgurt habe ich ganz bewusst verzichtet, da ich damit bei meinem letzten Rennen nicht besonders gute Erfahrungen gemacht habe. Allerdings habe ich ein Gel dabei, das ich ganz professionell an meine Startnummer getapt habe. Da die insgesamt 7 Verpflegungsstellen jeweils mehrfach und bis zu einem Kilometer vorher angekündigt wurden, konnte ich in der Mitte des Rennens mich also selbst verpflegen und dann an den Service Points jeweils einen Becher mit warmem Iso-Drink abgreifen, läuft!

Jürgen Binder beim Tartu Maraton © Imre Avaste/sportfoto.com

Kurz nach der ersten Verpflegungsstelle begann der einzig nennenswerte etwas längere Anstieg des Rennens. Ein Blick auf die Uhr brachte erst mal kurze Ernüchterung: Dank Staus, voller Strecke und zahlreichen Spurwechseln, um irgendwie überholen zu können, war in der ersten Stunde das Tempo mit nicht einmal 14 km/h doch niedriger als erwartet und erhofft. Ungefähr mit diesem Blick auf die Uhr war aber auch schlagartig freies Laufen möglich und ich konnte das Tempo steigern. Die folgende Abfahrt gehört zu den spaßigsten die ich auf Langlaufski bisher zurückgelegt habe. Stets ein leichtes Auf und Ab, teils mit angedeuteten Steilkurven lassen das Gefühl einer Achterbahnfahrt aufkommen. Die Entscheidung, das Rennen ohne Steigwachs zu laufen, hat sich zu diesem Zeitpunkt bereits als Volltreffer erwiesen: Meine Ski waren wahre Raketen, vor allem in leichten Abfahrten und Bergauf! Teilweise waren die kurzen Anstiege sehr steil, so dass hier diagonales Laufen nicht möglich war. Auf Grätenschritt habe ich aber verzichtet, sondern tatsächlich jeden Meter des Kurses durchgeschoben. Im Vorfeld des Rennens habe ich dafür schon einige Stunden ins Doppelstockschieben investiert, allerdings liegt meine allererste Doppelstock-Einheit auch erst circa 8 Wochen zurück… erstaunlich, wie weit man dann doch in kurzer Zeit kommen kann.

Jürgen Binder © Jürgen Binder

Allein zwischen den Verpflegungsstellen bei Kilometer 12 und 23 konnte ich mich auf Platz 1.257 vorarbeiten und damit in nur 11 Kilometern 600 Läufer überholen. Die Strecke ist sehr abwechslungsreich und nie langweilig. Dazu kommen teilweise hunderte Fans am Streckenrand wo man sich durchaus die Frage stellen kann, wie die da überhaupt hingekommen sind. Viele Stellen der Strecke sind nämlich kaum zugänglich. So vergingen die 63 Kilometer und selbst gegen Ende konnte ich noch immer permanent Läufer überholen. In den Genuss einer Gruppe bin ich nicht gekommen, da mein Tempo einfach stets höher war, als das der Läufer um mich herum. Aus der Sicht hätte das Rennen also noch durchaus länger sein können, ich war aber doch froh nach 3h und 41 Minuten und auf Platz 661 ins Ziel gekommen zu sein, immerhin als zweitbester von 17 deutschen Startern :). Die estnische Antwort auf Erdinger Alkoholfrei ist übrigens warmes dunkles Bier mit Honig, schmeckt besser als es sich anhört!

Nach einem durch die Verwandtschaft mit Finnland wohl obligatorischen Besuch in der Sauna und einem kurzen Abstecher in das Nationalmuseum Estlands ging es am Montag auch schon wieder zurück nach München. Das alles mit einem sehr positiven Eindruck von Land und Leuten. Großes Lob an die Organisatoren und die über 1.200 freiwilligen Helfer des Rennens. Estland, Tartu und der Tartu Maraton haben Eindruck hinterlassen. Wer also auf der Suche nach einem für Mitteleuropäer exotischen und doch traditionellen Skimarathon ist: der Termin für den nächsten Tartu Maraton am 16. Februar 2020 steht bereits.

Weitere Infos zum Tartu Maraton findet ihr hier: www.tartumaraton.ee