Biathlon: Gerald Hönig wechselt zu Österreichs Damen

Gerald Hönig © Harald Deubert - foto-deubert.de

Der zuletzt beim Deutschen Skiverband als Schießtrainer für alle Lehrgangsgruppen angestellte Gerald Hönig ist ab sofort Schießtrainer der österreichischen Damen. Zusammen mit Cheftrainer Markus Fischer soll der 61jährige Thüringer eine schlagkräftige Weltcupmannschaft formen.

Eine neue spannende Aufgabe

Gerald Hönig © Harald Deubert - foto-deubert.de

Erfahrene und erfolgreiche Biathlontrainer sind begehrt, wenn sie aus Deutschland kommen scheinbar noch viel mehr. Mit dem Thüringer Gerald Hönig hat sich der ÖSV einen ausgewiesenen Schießexperten geholt. Hönig hat sich, wie er uns in einem Gespräch bestätigt, lange mit der Entscheidung beschäftigt, Angebote verglichen und sich dann für Österreich entschieden. „Ich kann inhaltlich und trainingsmethodisch auf das zurückgreifen, was ich die letzten 13 Jahre gemacht habe, nämlich Damen trainiert und Damen betreut. Es wird keine Verständigungsprobleme geben, es muss kein Dolmetscher dazwischen geschaltet werden.“ Aber vieles mehr sprach für Österreich, insbesondere der Blick auf die Leistungsfähigkeit und das Potential der Mannschaft. „Lisa (Hauser) hat in den letzten Jahren sehr oft bewiesen, zu was sie in der Lage ist und Kati Innerhofer ist eine sehr starke Läuferin. Es gibt individuell sicherlich große Unterschiede, einmal was die Schießleistung betrifft, die Mädels die da richtig stark sind, wo man im konditionellen Bereich Reserven hat, aber auch umgekehrt“, so Gerald Hönig, der seine Tätigkeit bereits am kommenden Montag in Hochfilzen beginnt.

Lockerungen machen einen Trainingsbeginn möglich

Gerald Hoenig (GER) © Manzoni/NordicFocus

Österreich hat die wegen der Corona-Pandemie angeordneten Beschränkungen gelockert und so kann unter Einhaltung der Sicherheitsabstände das Training am Montag in Hochfilzen beginnen. Der Cheftrainer der österreichischen Damen, Markus Fischer, hat bereits im letzten Jahr das Damenteam dort zusammengezogen, die Mädels wohnen alle in der Nähe und wer nicht aus der Region Tirol stammte, hat sich dort angesiedelt. Das aus Deutschland bekannte Stützpunktsystem gibt es in Österreich nicht, auch das Mannschaftstraining zwischen den Lehrgängen wird in Hochfilzen absolviert. „Ich glaube, das ist kein Nachteil, wenn man dort ganzjährig Zugriff auf die Kaderathletinnen hat“, so Gerald Hönig, der den Cheftrainer gut aus früheren Zeiten kennt. Markus Fischer ist Ruhpoldinger, war früher für den Bayerischen Skiverband, im IBU-Cup für den Deutschen Skiverband tätig und ist ein jüngerer Bruder des in Biathlonkreisen wohl bekannten ehemaligen Biathleten und erfolgreichen Trainers Fritz Fischer. Bei der Kaderzusammenstellung für die kommende Saison war Hönig bereits punktuell involviert, die Vorarbeiten leisteten der ÖSV und die Trainer, die die Athletinnen im letzten Jahr betreut haben. Der Chefcoach kennt das relativ kleine Trainingsteam und auch die Strukturen gut und so kann sich Hönig auf den sportlichen Bereich konzentrieren, den Ist-Zustand aufnehmen und im Training bereits entsprechend reagieren.

Hauptarbeit am Schießstand

Gerald Hoenig (GER), and Ricco Gross (GER) Coach Team Germany 2011 - Presque Isle (USA) © Manzoni/NordicFocus

Im Weltcupzirkus am Schießstand, hinter dem Fernglas, so kennt man Gerald Hönig, und das wird auch in der kommenden Saison in den rot-weiß-roten Farben seine Position sein. Markus Fischer und Gerald Hönig werden im Weltcup zusammen das Damenteam mit klaren Strukturen betreuen. Die Hauptarbeit wird der Thüringer am Schießstand verrichten, „aber wir wären ja schlecht beraten, wenn wir uns nicht zusammentun und unsere Kräfte bündeln würden, was auch die Planung des konditionellen Trainings oder das Ergänzungstraining betrifft. Das wird eine Gemeinschaftsarbeit sein, das möchten wir beide so, dass wir uns ergänzen, der Markus, der die Mädels schon deutlich besser kennt und ich mit meiner Erfahrung und meinem Know-how, das ich einbringe.“ Waren im letzten Jahr noch zwei Damen in die Männertrainingsgruppe eingebunden, gibt es nun wieder ein separat geführtes Damenteam, und ein Herrenteam, für das der Ruhpoldinger Ricco Groß verantwortlich ist. „Wir können auf einiges zurückgreifen, wir haben ja in den Jahren 2010-2014 bereits zusammengearbeitet“, erinnert sich Gerald Hönig und freut sich auf die neuerliche Zusammenarbeit,  „wir kennen uns deutlich länger, ich habe Ricco ja schon als Athleten betreuen dürfen“, und ein erstes Zusammentreffen zu einer Beratung gab es bereits.

Trefferleistung hat wieder mehr Priorität gewonnen

Als ausgewiesener Fachmann im Schießbereich des Biathlonsports ist Gerald Hönig der Meinung, dass sich der Trend vom schnellen Schießen fast wieder einen Schritt in die andere Richtung bewegt. „Auch Trainer von sehr erfolgreichen Teams haben das im letzten Winter so beobachtet“, erklärt Gerald Hönig, „die Trefferleistung hat wieder mehr an Priorität gewonnen und ich glaube, das ist auch der richtige Weg“. Hönig will sich der Entwicklung der Schießzeiten zum schnelleren hin nicht verschließen, aber diese Gratwanderung darf nicht übertrieben werden und vor allem nicht auf Kosten der Trefferleistung gehen. Umstellungsfähigkeit ist seiner Meinung nach bedeutend, das entscheidende Können auf bestimmte Wettkampfsituationen oder Umweltbedingungen zu reagieren. „Was hilft es der schnellste Schütze im Feld zu sein und dann mit 80 % Trefferleistung vom Stand zu gehen. Da gewinnt man heutzutage keinen Blumentopf. Wir reden von Strafrundenzeiten von 20-25 Sekunden und einer Steigerung in der Schießzeit von 3-4 Sekunden. Ich glaube, das ist es nicht wert, dort Fehler zu riskieren. Das war immer meine Einstellung und die werde ich auch vertreten. Der Trend schien dieses Jahr ohnehin so, als ob die Trefferleistung insgesamt wieder aufgewertet worden ist.“

Mit vollen Akkus an die neue Aufgabe

Gerald Hönig © Harald Deubert - foto-deubert.de

2018 wollte der diplomierte Sportlehrer noch zwei Jahre machen, dann sollte es reichen. „Damals habe ich mir gedacht, wenn du noch zwei Jahre machst, dann reicht es, dann wirst du auch dein Pulver verschossen haben“, aber die letzten zwei Jahre als Bundestrainer Schießen waren nicht mehr so intensiv, als wenn er bei der Mannschaft gewesen wäre. Er hat Energie gesammelt, ist hoch motiviert und freut sich mit vollen Akkus auf die neue Aufgabe beim österreichischen Damenteam.

Im Sommer ist Gerald Hönig insgesamt 36 Jahre Trainer und die meiste Zeit war der DSV sein Arbeitgeber. „Auch wenn ich jetzt noch mal einen neuen Weg gehe, die Zeit beim DSV war zu schön und zu erfolgreich“, so der ehemalige Bundestrainer (2014-2018), der seinen Blick nach vorne richtet. Sein Vertrag beim ÖSV läuft vorerst zwei Jahre bis zu den Olympischen Winterspielen in Peking. Hönig wohnt zwar in Oberhof, wird aber durchgängig zum Stützpunkttraining in Hochfilzen sein. Mit seiner Familie ist das abgesprochen. Die Kinder stehen auf eigenen Füßen und sind bereits aus dem Haus. Seine Ehefrau hat ihn die letzten zwei Jahre mehr als in den vergangenen 35 Jahren „aushalten“ müssen, hat sofort grünes Licht gegeben, erzählt uns Gerald Hönig mit einem verschmitzten Lächeln. „Die Entscheidung haben wir beide getroffen, mit einem guten Gefühl“.