Skiwandern in Nordkarelien: Wo die „grimmigen Weiber“ wohnen

Langlauf von Gasthaus zu Gasthaus © Daniela Di Maggio-Opdahl

Nordkarelien im Nordosten Finnlands gleicht im Winter einem Winterwunderland: Zuckergussartig verschneite Hügel, zartlila schimmernde Seelandschaften, gemütliche Blockhäuser. Und hinter den Mauern kleiner Gasthäuser locken köstliche Speisen aus meist regionalen Produkten. All dies lässt sich auf langen Latten, von Gasthaus zu Gasthaus wandernd, besonders intensiv erleben.

Mit dem Auto kann Nordkarelien im Winter gerne unnahbar wirken, braust man doch häufig auf flachen Asphaltstraßen durch endlose Waldschneisen. Sie sind die Hauptverkehrsadern der extrem dünn besiedelten Region – mehr als 160.000 Menschen verteilen sich auf ein Gebiet so groß wie die Niederlande – und kreuzen sich alle in Joensuu, das ein paar Flugstunden nordöstlich von Helsinki liegt. Im Osten grenzt das Gebiet direkt an die russische Republik Karelien. Durch den regen Austausch zwischen den beiden Nachbarn werden Traditionen gepflegt und immer wieder neu belebt – egal, ob es sich um karelische Gesänge oder Pasteten in allen Variationen handelt. Und der Ruf der oft als schweigsam und in sich gekehrt geltenden Finnen lässt sich hier so ganz und gar nicht bestätigen. Herzlich und aufgeschlossen laden sie jeden dazu ein, ihr Leben kennenzulernen.

Bestes Beispiel sind die zwei grimmigen Weiber, wie man „Äksyt Ämmät“ vielleicht am ehesten auf Deutsch übersetzen könnte. Jedoch mehr energisch als grimmig und voller Elan haben Minna und Sirke in den letzten 20 Jahren ihr kleines Reiseunternehmen aufgebaut, deren Konzept besonders vom Gedanken der Nachhaltigkeit geprägt ist. Der Winterdauerbrenner in ihrem Programm ist eine achttägige Langlaufreise von Gasthaus zu Gasthaus. Dabei legt eine maximal zwölf Personen starke Truppe rund 25 Kilometer täglich auf Skiern zurück. Doch Entspannung geht vor, daher wird das Gepäck mit dem Auto transportiert. Und gemütliche Pausen mit warmen Getränken und Leckereien wie über dem Lagerfeuer gegrillter Lachs, sind fester Bestandteil jeder Etappe. Startpunkt der Route ist das Gasthaus Puukarin Pysäkki. Es liegt am See Nuolijärvi bei Valtimo, dem nördlichsten Dorf Nordkareliens. Am ersten Tag kreist die Gruppe zunächst nur über die fünf Kilometer lange Hausloipe und lauscht Minnas kurzem Crashkurs in finnischen Gepflogenheiten und dem wichtigsten Reisevokabular. Dann darf man sich landestypisch entspannen: Blockhaussauna, Rauchsauna oder ein Bad im hauseigenen hölzernen Badezuber. Minna schwärmt vom Essen ihrer Kollegen Anni und Jarno Korhonen. Bei ihren karelischen Gerichten verwenden sie vorwiegend ökologische Zutaten und Produkte aus eigener Produktion. Wildgerichte mit Bären-, Biber- und Elchfleisch gehören ebenso auf die Karte wie Rote Beete- und Kohlsalat oder Reispasteten mit Eibutter.


Nach einer zweiten Nacht geht es durch die von Seen und Wäldern geprägte Landschaft zu Pasi und Henna Nevelainens Ökofarm Laitalan Lomat. Von der Holzveranda kann man in gemütliche Rentierfelle gekuschelt die stille Umgebung genießen. Die Eltern von Pasi betrieben hier früher eine Viehfarm, inzwischen sind die jungen Nachkommen neben der Bewirtung von Touristen aber auf Rentierzucht umgestiegen. Gerne nehmen sie Besucher zur Fütterung mit. Die freundlichen Tiere mit dem weißen bis graubraunen Fell und ihren lustigen, knubbeligen Gesichtern fressen sogar aus der Hand. Wer möchte, schwingt das Lasso und übt an einer Holzattrappe das Rentierfangen. Häufig zünden Pasi und Henna für ihre Gäste das Feuer im großen runden Holztipi an und backen mit einer langen Stielpfanne leckere Pfannkuchen. Zwei Nächte sieht die Tour in Laitalan Lomat vor. Nach den vielen Aktivitäten an der frischen Luft schläft man bestens, egal ob im gemütlichen Zimmer im Haupthaus oder in einer der liebevoll hergerichteten Einzelhütten.

Dann zieht die Truppe weiter. Über den Viemenenjärvisee gleitet man durch die grenzenlos stille Landschaft, sieht den Himmel und die verschneite Seenlandschaft in allen Schattierungen von blau über rosa, orange und lila leuchten und erreicht schließlich Pihlajapuu, Minnes und Sirkes charmantes Ferienheim. Meterhoch türmt sich im Winter der Schnee um das sonnengelbe, zweistöckige Blockhaus. Zwei rote Tretschlitten warten auf ihren nächsten Chauffeur und an der Verandawand stapeln sich die Langlaufski. Im geräumigen Vorraum stehen kuschelige, typisch karelische Filzpantoffeln in allen Größen und Farben zur Wahl, und aus der warmen Stube duftet es herrlich. Nach, ja, nach was eigentlich? Das Rätsel ist schon bald gelöst. Der grünlich-gelbe Tee, den die hochaufgeschossene, inzwischen rotbeschürzte Minna serviert, stammt von den Blättern der schwarzen Johannisbeere. In der Küche hängen an allen Ecken dicke Sträuße davon und trocknen geduldig vor sich hin.
Der letzte Loipentag dreht sich rund um den Pielinensee. An dessen Ufern zeigt sich ein drolliges Baumphänomen: Tykkylumi nennen es die Finnen, wenn der Dunst des Pielinensees zu Winteranfang die Zweige der Bäume gefrieren lässt und sich darauf eine Schneedecke bildet. Bei satter Schneehöhe erinnern Äste an pelzige Rentiergeweihe und die schwer beladenen, gefrorenen Zweige der Nadelbäume sehen aus wie drollige Schneekreaturen mit riesigen Bärenpranken.

Wer will, kann seine Reise um ein paar Tage verlängern und hier auf Pihlajapuu noch Schneeschuhtouren in den Koli-Nationalpark unternehmen, im Eisloch baden, zum Angeln gehen oder einfach Faulenzen. Gerne geben Minna und Sirke auch Kochunterricht und zeigen ihren Gästen die Kunst der Herstellung von karelischen Pasteten, die man während der Tour mehrmals genießen durfte. Viel Fingerspitzengefühl und Geduld sind gefragt, wenn aus kleinen Kugeln flache runde Scheiben entstehen und, mit Reiscreme gefüllt, zu ovalen Pasteten geformt werden. Außerdem kann man einen gemütlichen Aufenthalt in Pihlajapuu auch mit einem Sprachkurs kombinieren und es gibt sogar spezielle Frauenlanglaufreisen, bei denen neben Langlauf unter anderem eine Shoppingtour im Städtchen Nurmes dabei ist.

Weitere Informationen:

Anreise: Mit Finnair nach Kuopio oder Joensuu.
Die Reise trägt das Nachhaltigkeitszertifikat CSR und ist auch über Forum Anders Reisen buchbar, www.forumandersreisen.de. Die achttägige Langlauftour von Gasthaus zu Gasthaus kostet ab 1078 Euro pro Person, sieben Übernachtung im DZ, mit Vollpension, täglicher Sauna und Gepäcktransport inklusive, Verleih von Langlaufschuh und Ski gegen 60 Euro pro Person, Reisetermine im Februar und März.
Äksyt Ämmät Oy, 75500 Nurmes, Finnland, www.aksytammat.fi, Tel. Minna: 00358/400/877085, Sirke: 00358/401/436322
Informationen zum Gasthaus Puukarin Pysakki, www.puukarinpysakki.fi
Informationen zu Gasthaus und Farm Laitalan Lomat, www.laitalanlomat.com
Informationen zu Nordkarelien allgemein: www.visitkarelia.fi

Autorin: Daniela Di Maggio-Opdahl