Nordische Ski Weltmeisterschaften in Oberstdorf: Zwölf WM-Entscheidungen im Langlauf ab Donnerstag

Langlauf Weltcup in Oberstdorf (GER) 2020 © Thibaut/NordicFocus

Zwei Wochen lang ist das Allgäu vom 22. Februar bis 07. März dicht bevölkert von Langläufern, Skispringern und Nordischen Kombinierern sowie ihren Teams – Zuschauer sind coronabedingt nicht bei den Wettkämpfen vor Ort. Im Langlauf stehen ab kommenden Donnerstag zwölf Medaillenentscheidungen an, schon am Mittwoch steht allerdings für die exotischen Langlauf Nationen das vielleicht wichtigste Rennen an: Die Qualifikation für die Einzelstart Rennen.

Südlichster Ort Deutschlands mit 9500 Einwohnern

An der Grenze zum österreichischen Kleinwalsertal liegt die Gemeinde Oberstdorf im Allgäu mit etwa 9500 Einwohnern und stellt den südlichsten Ort Deutschlands dar. Oberstdorf liegt in einem Tal 815 Meter über dem Meer und ist beliebt bei Skiläufern und Wanderern und eine der größten Tourismusregionen Deutschlands. Ein Blick auf die sieben idyllischen Täler der Gemeinde und die umgebenden Berge, die bis zu 2600 Meter hoch sind, macht klar: Hier findet man alles, was der Wanderfreund sucht! Im Sommer gibt es 200 Kilometer Wanderwege in drei unterschiedlichen Höhenlagen in einer abwechslungsreichen Alpenlandschaft mit Strecken und Touren in jeder Schwierigkeit. Auch im Winter kommen viele Gäste zum Wandern: 140 Kilometer geräumte Wege sowie Panoramawege erwarten die Gäste. Außerdem bietet die Region Oberstdorf 128 Pistenkilometer und 76 Kilometer Loipen.

Neue Strecken für dritte Weltmeisterschaft

Das Langlauf Stadion in Ried liegt im Süden von Oberstdorf, ist aber mit dem Auto nur fünf Minuten vom Zentrum entfernt beziehungsweise 15 Minuten zu Fuß. Das Stadion wurde 2003/2004 für die Nordische Ski WM 2005 gebaut und dafür auch eine Beschneiungsanlage an einem zwölf Kilometer langen Loipennetz gebaut. Seit 2005 mussten die Oberstdorfer auf eine weitere Weltmeisterschaft warten, nach vier Niederlagen gegen andere Ausrichter erhielt man vor fünf Jahren endlich den Zuschlag für 2021. Das Stadion bietet normalerweise Platz für 10.000 Zuschauer plus 15.000 weitere Fans an der Strecke. Die WM Rennen versprechen Spannung pur rund um den Egli Hügel sowie den legendären Anstieg am Burgstall. Solche markanten Streckenpunkte gibt es natürlich auch nach dem Umbau, aber die herausfordernden Strecken wurden für die Weltmeisterschaften neu angelegt und auch der Stadionbereich wurde umgebaut. Der Burgstall wurde schon für die Testrennen im letzten Winter verlängert und auch für die WM war eine weitere Verlängerung angedacht. Als neuer Anstieg ist seit letztem Winter die sogenannte Spairube dabei, außerdem geht es über den Formo-Hügel. Die im letzten Jahr beim Weltcup gelaufene 3,75 Kilometer Schleife (rot) scheint auf den Streckenprofilen unverändert geblieben zu sein, beim Sprintkurs gibt es diverse Änderungen: Die Herren laufen nun den Sprintkurs der Damen aus dem letzten Winter, die Damen müssen statt drei nur noch zwei Anstiege bewältigen, so dass sich auch die zu laufende Distanz deutlich verkürzt. „Oberstdorf hat sehr anspruchsvolle Strecken mit vielen Höhenmetern“, meinte Florian Notz im letzten Jahr, der inzwischen im Allgäu lebt und die Strecken sehr gut kennt wie auch seine Freundin: „Die (neue) Sprintrunde ist definitiv sehr hart und auch recht lang“, so Laura Gimmler bei der Generalprobe. 

Corona Situation vor Ort

Vor allem in der letzten Woche hat sich der prozentuale Anteil der Mutationen in Deutschland exponentiell erhöht und auch die Infektionszahlen steigen generell wieder an. Der Landkreis Oberallgäu, zu dem Oberstdorf gehört, liegt mit der 7-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner zur Zeit unter der 50er Grenze bei 43,6 mit etwa zehn täglichen Neuinfektionen im gesamten Kreis. Generell liegen alle Landkreise im Südwesten Bayern unter 50 oder sogar unter 35, mit Ausnahme der Städte Memmingen und Augsburg und dem benachbarten Landkreis Lindau, die aber auch nur eine wenig höhere Inzidenz haben. Wegen der Pandemie finden die Wettkämpfe im Oberallgäu ohne Zuschauer statt, dennoch versammeln sich etwa 4500 Teilnehmer aus 67 Nationen in Oberstdorf, um dort in drei nordischen Disziplinen um WM Medaillen zu kämpfen. Angesichts des starken Anstiegs der Corona Mutationen wurde das Hygiene Konzept noch einmal nachgeschärft. Athleten, Teams und Medienvertreter müssen sich alle zwei Tage Antigen Schnelltests unterziehen, alle sechs Tage wird ein PCR Test durchgeführt. Außerdem muss jeder Teilnehmer täglich online ein Gesundheitsformular ausfüllen. Schon lange herrscht im Bundesland Bayern eine FFP2 Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr und im Einzelhandel – eine andere medizinische Maske wie im Rest Deutschlands reicht gar nicht mehr aus. Dass im Süden Deutschlands andere Regeln herrschen als an anderen Weltcup Orten, bekam unter anderem schon das norwegische Langlauf Team zu spüren: Team Manager Espen Bjervig reiste wie große Teile des Technikerteams mit dem Auto von Norwegen nach Oberstdorf, so dass er dort erstmal einen Kaffee benötigte. In dem Geschäft wurde er nachdrücklich darauf hingewiesen, dass seine medizinische Maske nicht ausreicht und derartige Vergehen mit 250 Euro Strafe geahndet werden. Inzwischen ist aber auch das norwegische Team mit FFP2 Masken ausgerüstet.

Schwierige Vorbereitung für Veranstalter

Natürlich hat die Corona Pandemie den Veranstaltern Sorgen gemacht – nicht zuletzt wegen dem Ausschluss der Zuschauer. „Es gibt für uns in der Organisation jetzt nur noch eine Richtung – nämlich weitermachen bis zum letzten Tag“, sagte Florian Stern, der Geschäftsführer der Nordischen Ski WM, Anfang Februar der Allgäuer Zeitung. Aber auch die Einreisebeschränkungen aus Ländern mit vielen Mutationen ist ein Problem. Bürger aus Großbritannien, Irland, Portugal, Südafrika und Brasilien dürfen derzeit weder mit Flugzeug, Bus oder Bahn nach Deutschland kommen. „Natürlich machen uns die Einreiseverbote schon große Sorgen“, so Stern. Nun gelten diese fünf Länder zwar nicht unbedingt zu den klassischen Wintersport-Nationen, doch ein Blick in die Meldelisten zeigt: Unter den 67 gemeldeten Nationen sind auch Brasilien mit zehn Langläuferinnen und Langläufern, Portugal mit vier, England mit drei und Irland mit zwei. Für Weltcup Athleten wie Andrew Musgrave (GBR), Andrew Young (GBR, aber verletzt) und Thomas Maloney Westgård (IRL) ist das kein Problem – sie leben und trainieren ohnehin in Norwegen und auch die registrierten Langlauf Exoten aus den Risiko Ländern werden vermutlich die letzte Zeit fernab der Heimat verbracht haben. „Viele von denen schlagen ihre Zelte im Winter dann auch in Mitteleuropa auf“, meinte Florian Stern. Und selbst wenn nicht – „wegen fünf Ländern weniger wird die Ski-WM sicher nicht ausfallen“. Großen Rückhalt in der Bevölkerung hat das Event aber nicht. Verschiedene Petitionen sind gegen die Veranstaltung im Umlauf, weil niemand versteht, dass der normale Bürger im Lockdown nur eine Person treffen darf, die nicht zum eigenen Haushalt gehören, während im 9500 Einwohner Ort Oberstdorf bis zu 4500 Athleten, Teammitglieder, Helfer und Journalisten aufeinandertreffen. 

Neues von den Athleten

In einer internen Ausscheidung des DSV um die letzten WM Tickets für Sprint und vor allem Teamsprint, sicherten sich Thomas Bing,  Sebastian Eisenlauer und auch Anian Sossau noch ein Ticket. Außerdem nominierte der DSV trotz der schweren Strecke Coletta Rydzek für den Sprint nach. Schon am Samstag fand in Oberstdorf ein Testrennen mehrerer Nationen statt, zu dem Norwegen und Schweden nicht eingeladen waren. Im Finale des Klassikprints der Damen, in dem zwei DSV Damen vertreten waren, setzte sich Anamarija Lampic durch, bei den Herren gewann Francesco de Fabiani. Für den Sonntag war ein weiterer Wettkampf im freien Stil angesetzt über zwei beziehungsweise drei Runden a 3,75 Kilometer. Die Siege holte sich Artem Maltsev klar vor Evgeniy Belov und Jules Lapierre, DSV Herren waren nicht am Start. Bei den Damen siegte die wieder genesene Tatiana Sorina deutlich vor Delphine Claudel und Maria Istomina sowie der erst 18-jährigen Evgeniya Krupitskaya, Pia Fink wurde mit 90 Sekunden Rückstand Elfte. Die russische Presse meldete außerdem, dass Sergey Ustiugov nach einer langen Abfahrt im sulzigen Schnee gestürzt sei und das Training abbrach. Angeblich soll es sich laut Trainer Turyshev nur um Prellungen handeln, er werde heute wieder am Training teilnehmen. Aber gegenüber NRK äußerte sich Markus Cramer besorgt: „Er hat starke Schmerzen. Er ist auf den Rücken, Schulter und rechtes Bein gefallen und es sieht nicht gut aus. Wir denken aber nicht, dass etwas gebrochen ist. Ich hoffe, er kann [am Donnerstag] alle Emotionen verdrängen, die mit dem Schmerz zu tun haben. Aber natürlich besteht die Gefahr, dass Schmerzen seine Leistung beeinträchtigen.“ Verschiedene Athleten, darunter Hans Christer Holund und Iivo Niskanen, erklärten bei NRK, dass einige Streckenpassagen gefährlich seien. Offenbar hatte es in den Testrennen mehrere Stürze gegeben. „Manche Stellen sind gefährlich. Das war gestern schon so und wird noch gefährlicher, wenn die Veranstalter dort mit Salz arbeiten“, so Niskanen und auch Holund befürchtet: „Es wird gefährlich, wenn einige Kamikaze Läufer von hinten in dich reinrauschen.“ Emil Iversen sieht für sich selbst in jedem WM-Rennen eine Medaillenchance. Für nach den Titelkämpfen, hat er vor einigen Tagen aber bereits angekündigt, dass er eine Pause einlegen wird. Ob das auch für den inzwischen in den Kalender aufgenommenen Weltcup im Engadin gilt oder er erst danach pausiert, ist nicht bekannt. „Im letzten Jahr habe ich nichts anderes gemacht als Ski zu laufen. Nach der WM stelle ich sie für ein paar Monate in die Ecke, weil das viel Energie gekostet hat. Das letzte Jahr war sehr speziell. Ich möchte einfach ein normales Leben führen und andere Dinge tun“, so Iversen zur VG.

 

 

Russland wird zum RSF („Russian Ski Federation“)

Wie es schon bei Weltcups oder vor allem Weltmeisterschaften anderer Sportarten zu beobachten war, wird das russische Team auch bei der Nordischen Ski WM in Oberstdorf nicht als „Russland“ antreten. Wegen der WADA Sanktionen nach Auswertung des McLaren Reports zu den Verstößen gegen die Doping Richtlinien bei den Olympischen Spielen in Sochi müssten die „Athleten des Russischen Skiverbandes“ ohne Nationalflagge und Hymne auskommen und sie erhalten für die WM auch „neutrale“ Teamkleidung, die sie aber erst ab dem ersten Wettkampftag am 23. Februar tragen müssen. Vor dem CAS wurde diese Strafe von vier auf zwei Jahre verkürzt, beinhaltet aber dennoch noch die Olympischen Sommerspiele in Tokio, die Olympischen Winterspiele in Peking sowie alle Weltmeisterschaften. Da die Sanktionen schon lange bekannt waren, wurde in russischen Medien über Wochen diskutiert, welches Lied man statt der Hymne bei russischen Erfolgen spielen könnte. Man entschied sich für „Katyusha“, ein patriotisches Volkslied aus dem zweiten Weltkrieg, und reichte diesen Vorschlag auch bei IBU und FIS ein. Allerdings lehnten die Verbände den Antrag ab – wie geplant kommt bei russischen Siegen in Oberstdorf die FIS-Hymne zum Einsatz, die russischen Farben sind als Emblem auf der Teamkleidung und auch als Flagge verboten. Außerdem mussten die Russen schon am Wochenende auf Anweisung der FIS ihre Fahrzeige mit Planen verhüllen, um die Logos zu verdecken, wofür die Russen aber Verständnis hatten. Team Mitglied Anatoly Volkov zeigte Bilder dieser Verhüllung in seiner Instagram Story (Screenshots). Verbands Chefin Elena Välbe erklärte gegenüber Sport Express, dass die Athleten enttäuscht seien, dass sie nicht die russische Hymne hören werden. Sie ist der Meinung dass diese Situation alle zum Nachdenken bringen sollte, damit man Doping komplett aus dem Land verbannt. „Wir sind enttäuscht, dass wir über einen so langen Zeitraum bestraft werden. Wir hoffen, dass das nach 2022 vorbei ist und wir bei Großereignissen wieder mit unserer Hymne antreten dürfen“, sagte Elena Välbe wenige Tage vor Beginn der Titelkämpfe. Gleichzeitig appellierte sie gegenüber der Nachrichtenagentur TASS: „Jeder muss nun daraus seine Schlüsse ziehen und sicherstellen, dass Doping aus unserem Land verbannt wird.“ 

EXKLUSIV: xc-ski.de WM -Stammtisch aus Oberstdorf

Aus dieses Mal gibt es wieder jeden Abend einen xc-ski.de WM-Stammtisch exklusiv aus Oberstdorf. Dabei stehen uns prominente Gäste, Experten und WM-Teilnehmer Rede und Antwort. Wir analysieren die Rennen des Tages und blicken auf die kommenden Wettbewerbe voraus. Den Auftakt machen am Mittwoch den 24. Februar 2021 Tobias Angerer und Barbara Flury-Mettler, Ok-Chefin von Davos Nordic und Co-Kommentatorin beim SRF. Die Langlauf Entscheidungen in Oberstdorf werden größtenteils live von Eurosport oder Euro2 gezeigt wie auch bei SRF2 und ORF1, die Qualifikationen im Sprint gibt es im Eurosport Player zu sehen. ARD und ZDF übertragen teils live oder steigen verspätet ein oder bieten einen Livestream an. 

 

Frühlingshafte Titelkämpfe

Sonnige und warme Weltmeisterschaften warten auf die Athleten. Für die erste Weltmeisterschaftswoche und darüber hinaus sind meistens zehn Sonnenstunden am Tag vorhergesagt. Das treibt auch die Temperaturen in die Höhe auf oft zweistellige Werte, die sich in der Sonne noch wärmer anfühlen. In der Nacht sinken die Temperaturen vermutlich nur selten unter den Gefrierpunkt. Über die Wochenmitte könnte Saharastaub, der mit dem Föhn über die Alpen transportiert wird, die Sonnenstrahlen eintrüben. Manche Meteorologen sagen zwar vor allem für den ersten WM-Samstag Wolken, kühlere Temperaturen und leichten Regen voraus, aber wenn das eintreten sollte, wird es spätestens nach dem Wochenende schnell wieder sonnig und sehr warm. Generell lässt sich sagen, dass nach der zweiwöchigen extremen Kälte Anfang Februar nun der Frühling in Mitteleuropa einkehrt. Das macht natürlich auch dem Schnee zu schaffen, der abseits der präparierten WM-Loipe nur noch zehn Zentimeter hoch liegt – Tendenz fallend. Das Winter Wonderland der letzten Wochen ist definitiv Vergangenheit.

 

Zeitplan

Eine Auflistung der Wettkämpfe inklusive Startzeiten findet ihr HIER