Wissenschaft: Schnell trotz Fluor (Teil 2)

Skiwachsen © Modica/NordicFocus

Teil 1 der neuesten Ergebnisse zur Fluorwachsforschung war mit einer vierstelligen Zahl an Downloads bereits ein Erfolg. Schwerpunkt des zweiten Artikels von Marcel Münch ist nun die Anwendung der Wachse. Die Versuche erfolgten unter Laborbedingungen mit einem Reibungsmessgerät, mit dem bei verschiedenen Minustemperaturen gewachste Belagsproben gegen Schnee getestet wurden. Der Einfluss des Schliffs oder von Handstrukturen wurde nicht untersucht.

Gleich zu Anfang zeigt Marcel, dass man durch die Art und Weise der Präparation jede beliebige Fluorkonzentration auf die Oberfläche des Skibelags zaubern kann. Hierbei spielen Verunreinigungen durch Werkzeuge (Klingen, Bürsten) sowie die Steuerung der Bügeltemperatur die entscheidende Rolle. Sowohl zu hohe als auch zu niedrige Bügeltemperaturen können die wasserabstoßende Wirkung des Wachses entscheidend verschlechtern. Eine weitere wichtige Einflussgröße ist die Zeit, da die reibungsverringernde Wirkung durch Ausgasen rasch abklingt. Das Ausgasen ist auch die Ursache für die gesundheitsgefährdende Wirkung der Fluorwachse. Hierzu können aber keine Pauschalurteile abgegeben werden, da die genaue chemische Zusammensetzung der Fluorkomponente im Grundwachs von den Wachsherstellern nicht offengelegt wird.

Als Résumé bringt Marcel Münch seine persönliche Meinung zum Ausdruck und fällt ein ernüchterndes Urteil zu Wirksamkeit und Sinnhaftigkeit der Verwendung von Fluorwachsen. In mehr als 500 eigenen Versuchen konnte belegt werden, dass die reibungsverringernde Wirkung nur erreicht werden kann, wenn durch enorm viel Praxis alle Register der Skipräparation gezogen werden. Das heißt, dass extrem viele Wachstests notwendig sind, um sicher einen Vorteil zu erzielen. Wer also nur ab und zu Fluorwachs einsetzt, wird kaum in den Genuss schnellerer Ski kommen und wenn ja, dann nur kurz Freude daran haben. Zumindest bei den Blockwachsen beruhen die sehr guten tribologischen Eigenschaften auf der Präparation einer hauchdünnen, hochfluorhaltigen Wachsoberfläche, die aber nach kurzer Zeit abgefahren ist. Darunter befindet sich allerdings immer noch Fluorwachs, welches aber eine verminderte tribologische Wirkung hat. Die im Artikel beschriebenen Vorteile der Fluorwachse sollen aber nicht als Ermunterung zur Nutzung verstanden werden, denn die gesundheits- und umweltschädigenden Aspekte bestehen ja immer noch.

Werden die Fluorwachse also in ihrer Wirkung überschätzt? Nach Marcel Münch ist dem so und er geht sogar noch einen Schritt weiter und bringt einen bisher unbeachteten Effekt zur Sprache. „Sehr gute Wettkampfergebnisse könnten ebenfalls auf psychologische Aspekte, wie bspw. den Placebo-Effekt zurückgeführt werden.“ Denn was alle nutzen und was zudem teuer ist, muss gut sein. Aber ist dem wirklich so? Den Artikel gibt es wie immer auf der GLIDING Seite.

Matthias Scherge

Matthias Scherge beschäftigt sich seit mehr als zehn Jahren mit den Grundlagen des Gleitens auf Eis und Schnee. Er leitet das MikroTribologie Centrum, eine gemeinsame Einrichtung der Fraunhofer Gesellschaft und des Karlsruher Instituts für Technologie, wo er als Professor das Fach Tribologie lehrt. Die Tribologie ist die Wissenschaft von Reibung, Verschleiß und Schmierung und beschäftigt sich unter anderem auch mit dem Gleitverhalten von Kufen und Ski. Seit 2012 berät Scherge das Nordic Paraski Team Deutschland und leitet das Team Snowstorm, ein leistungsfähiges Netzwerk aus Hochschulpartnern und Unternehmen zur Unterstützung von Athleten und ambitionierten Wintersportlern: www.team-snowstorm.de