Deutscher Spitzenlanglauf auf dünnem Eis: Ein Kommentar

Action © Felgenhauer/Nordic Focus

Eins zu 13 und eins zu 17, das sind zwei Verhältnisse, die einem eingefleischten Langlauffan und der gesamten Verbandsführung in Deutschland zu denken geben müssten. Es spiegelt die unterschiedlich großen Starterfelder im zehn beziehungsweise 15 Kilometer Klassik Einzelrennen der nationalen Meisterschaften Deutschlands und Norwegens wider.

Genau vier deutsche Damen und sieben deutsche Herren haben eben dieses Rennen am 15. Januar in Hirschau beendet. Circa 13 Mal so viele Norwegerinnen und 17 Mal so viele Norweger wurden am 27. Januar in Steinkjer in der Ergebnisliste notiert. Aber liegt das alles nur an der Tatsache, dass in Norwegen Skilanglauf Volkssport ist? Oder ist es vielmehr ein hausgemachtes Problem in Deutschland, das die nackten Zahlen so weit auseinanderklaffen lässt?

Eines ist klar: Sei es nun Norwegen, Schweden oder Russland, die Nachwuchstrainer dort leben, trotz einiger Rückgänge bei den Starterzahlen, noch immer in fast paradiesischen Zuständen. Ob nun aufgrund der Tatsache, dass Skilanglauf Volkssport ist, wie in Norwegen, oder als einzige Möglichkeit angesehen wird, zu Ruhm und Ehre zu gelangen, wie in weiten Teilen Russlands: Der Zulauf an jungen Sportlern ist immens. Damit steigt natürlich auch die Wahrscheinlichkeit, Talente zu finden und sie dementsprechend fördern zu können. Nun soll man aber nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Schließlich beziehen sich die eingangs erwähnten Zahlen auf die Starterfelder in der Eliteklasse. Aber auch hier ist es von Vorteil, wenn eine Sportart als Nationalsport angesehen wird. Zahlreiche Privatteams unterstützen dank geldgebender Sponsoren auch die zweite Garde finanziell und fördern somit deren Leistungsaufbau. Und auch die Vereine selbst stehen meist besser da als jeder große Skiclub in Deutschland. Da kommt es nicht selten vor, dass Läufer mit größeren Summen zum Vereinswechsel motiviert werden. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Verbindung von Studium und Sport. Das scheint in Norwegen mit Stipendien und guten Trainingsbedingungen in Uni-Nähe fast so gut zu klappen wie in den USA.

Und in Deutschland? Gerade heute ist Lucia Anger Juniorenweltmeisterin im Sprint geworden. Die Nachwuchssportler sind fast an jedem Wochenende im Continental Cup erfolgreich. Doch warum kann Bundestrainer Jochen Behle dann Mitte Dezember in La Clusaz KEINE (konkurrenzfähige) deutsche Staffel ins Weltcuprennen schicken? Warum stellt AUSTRALIEN genauso viele Starterinnen in der Damenklasse des oben erwähnten Meisterschaftsrennens in Hirschau wie der Gastgeber? Das sind Fragen, die etwas schwerer zu beantworten sind, als einzig mit der Tatsache: Uns fehlt die breite Basis der Norweger. Klar ist diese notwendig, um Talente herausfiltern und diese dann gezielt fördern zu können. Hierüber sollte sich vor allem der Dachverband in Verbindung mit den Schulen Gedanken machen (was er ja auch bereits tut). Doch warum schafft man es in Deutschland nicht, mehr Talente, die ja zweifelsfrei in den Jugend- und Juniorenklassen vorhanden sein müssen, bis ganz nach oben zu führen? Ein Grund dafür dürfte noch immer der große Sprung von der Teilnahme an einer Juniorenweltmeisterschaft bis in den Weltcup sein. Zwar hat man seitens der FIS mit Einführung der U23-Weltmeisterschaft eine Zwischenstufe geschaffen, die weitere Erfolge nach dem Juniorenalter garantieren soll, doch dem deutschen Fördersystem bringt das nur wenig. Schließlich sind die Stellen in den Sportfördergruppen der Bundeswehr, des Zolls und der Bundespolizei begrenzt. Wer also keine Medaillen vorweisen kann, hat entweder einen harten Weg vor sich oder muss der beruflichen Zukunft den Vorrang geben. Ein weiterer wichtiger Punkt sind die immer geringer werdenden Vergleichsmöglichkeiten mit den deutschen Topläufern. Noch vor wenigen Jahren konnten sich Junioren bei zentralen Leistungskontrollen im Sommer oder deutschen Meisterschaften im Winter mit den A-Kader-Läufern messen. Leider waren in den vergangenen Jahren die Termine der DM oft recht unglücklich gewählt. Aber auch 2010/2011 waren nur je zwei Damen und zwei Herren aus der vordersten Reihe bei der zweiten ZLK am Start, bei den deutschen Meisterschaften in Hirschau war es (wenn auch bedingt durch einige Krankheitsfälle) einzig Tobi Angerer.

Was also tun, um nicht in Kürze mit Einzelkämpfern a la Justyna Kowalczyk im Weltcup vertreten zu sein? Ein wichtiger Baustein wäre mit Sicherheit die bessere Zusammenarbeit zwischen Verband und Hochschulorganisationen. Allein dadurch könnten Plätze geschaffen werden, die talentierte Sportler einnehmen, die es nicht auf Anhieb vom C- in den B- oder A-Kader des DSV geschafft haben. Wünschenswert wären natürlich auch Sponsoren, die Privatteams nach dem Vorbild Norwegens unterstützen. Und zu guter Letzt muss einfach wieder ein Vergleich bei nationalen Rennen ermöglicht werden. Warum eigentlich nicht die deutschen Meisterschaften in die Qualifikationskriterien für die Großereignisse mitaufnehmen? Norwegen praktiziert das schon seit jeher mit großem Erfolg. Eine Aufwertung für die Titelkämpfe wäre es allemal.