Auf Skirollern durch Deutschland (Teil 2)

An der Elbe © Stefan Prinz

Platte Reifen an der Ostsee

Entlang des Ostseeradweges rolle ich über Glücksburg in Richtung Kiel, doch unterwegs hat mein luftbereifter Reifen plötzlich einen Platten. Ich tausche ihn mit meinem Ersatzreifen und kontrolliere im neuen Reifen den Druck, den ich auf knapp 8 Bar erhöhe. Da macht es PEEEENG und der Schlauch verliert Luft. Das läuft ja alles wunderbar, einen weiteren Ersatzschlauch habe ich nicht dabei. Ich repariere die Verbindungsstelle zwischen Ventil und Schlauch notdürftig mit Flickzeug und Kabelbindern, um noch irgendwie auf vier Rädern vorwärts zu kommen. Nach weiteren 17 Kilometern beziehe ich hinter einem Deich an der Ostsee an einem ruhigen Platz in der Wildnis mein Schlafquartier. Ich muss schauen, woher ich morgen früh einen neuen Schlauch bekomme… Immerhin kann ich in der Ostsee endlich mal wieder „duschen“, ich wasche zwischen den Algen im Meer meine Sportwäsche und koche Nudeln.

Ich bin fix und fertig

Holstentor in Lübeck © Stefan Prinz

Nach der langen Suche nach einem Ersatzschlauch, und etlichen Kilometern Doppelstockschub mit einem platten Vorderrad, bekomme ich von einer Sportlerin einen Schlauch, ich tausche den Schlauch aus und kann wieder durchatmen. Über Kappeln, das Ufer der Schlei und die Hafenstadt Eckernförde geht es in die nächste Landeshauptstadt Kiel. Auf dem weiteren Weg habe ich viele Steigungen zu überwinden, bevor ich schließlich das Holstentor in Lübeck erreiche. Beim Blick auf die Landkarte wird mir bewusst, wie weit ich inzwischen wieder von Sylt entfernt bin. Ursprünglich wollte ich, wie bereits erwähnt, nur Sylt erreichen und somit einmal komplett Deutschland durchqueren. Ich hatte bereits im Vorfeld ein Zugticket ab Sylt gebucht und habe nun die Möglichkeit, in Hamburg zuzusteigen. Also rolle ich von Lübeck aus in einer weiteren kräftezehrenden Tagesetappe zurück nach Hamburg- genauer gesagt, einmal durch die ganze Metropole hindurch, von Ost nach West. Inzwischen sehne ich mich nach einem Ende der Tour: Ich habe starke Schmerzen im Schulterbereich, die Oberarme brennen, die Füße schmerzen, die Knie zittern. Ich kann nicht mehr. Ich bin fix und fertig.

Auf geht’s nach Hause

Aber beendet man auf diese Art eine Tour? Ich bin ein klein wenig traurig, weil ich kein richtiges „Endziel“ hatte. Ich bin zwar jetzt wieder in Hamburg, aber da war ich ja vor ein paar Tagen schon mal… Ich bin tatsächlich einen großen Kreis über Nord- und Ostsee gefahren. Im Zug fällt schließlich die spontane Entscheidung: Ich will weiter laufen! Ich steige unterwegs einfach aus dem ICE aus und fahre eben nicht mit dem Zug heim. Stattdessen schnalle ich wieder die Cross-Rollski unter die Füße und rolle über Schweinfurt, Würzburg, Treuchtlingen und das idyllische Altmühltal auf mir bekannten Strecken und Wegen nach Hause. Die letzten 35km meiner Deutschlandtour fühlen sich äußerst surreal an, ich bin die Strecke bei Donauwörth schon so oft gerollert, aber noch nie schossen mir dabei so viele Gedanken durch den Kopf. Ich fasse es nicht, dass ich es geschafft habe. Ich habe ganz Deutschland durchquert!!! Unzählige Male habe ich meine eigenen körperlichen (und psychischen) Grenzen überschritten, ich habe mich gequält, habe die Zähne zusammengebissen, nicht aufgegeben und gekämpft. Danke an alle, die mich, in welcher Art auch immer, auf meinem Weg unterstützt haben! Danke an alle, die an mich geglaubt haben! Ich! HABS! GESCHAFFT!

Epilog – Das Geheimnis des Erfolgs ist anzufangen

Vielleicht ist dem ein oder anderen Sportler nun der Gedanke gekommen: „Krass, das will ich auch mal ausprobieren!“ Auch wenn ich auf dieser vorgestellten Tour sehr viele Materialprobleme hatte, kann ich euch eine solche Tour nur wärmstens empfehlen. Mich prägen vor allem die Begegnungen unterwegs, die Idee des minimalistischen Lebensstils, das langsame Reisen, bei dem man jeden Meter des Weges auf vier Rollen wahrnimmt, natürlich die Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit des Reisens, das naturverbundene Leben, die Suche nach den persönlichen Grenzen, und all die positiven sowie negativen Erlebnisse. Eines kann ich ganz sicher sagen: Wenn man auf der Straße ist, hat man schon einen großen Teil geschafft. Wille und Motivation sind meiner Meinung nach ausschlaggebend, ob man bei einer solchen Tour Erfolg hat, nicht etwa der Leistungsstand! Die standardmäßige Behauptung „Das schaffe ich nie“, ist der falsche Ansatz. Doch viele fragen mich trotzdem: Wie schafft man das dann? Ich habe lange Zeit überlegt, doch die Antwort ist im Grunde genommen ganz einfach: Das Geheimnis des Erfolgs ist anzufangen. (Mark Twain)

Servus und bis bald, Stefan

Ihr findet das krass und wollt mich verfolgen?
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