Red Bull Nordenskiöldsloppet: 200 Kilometer auf der Suche nach der Leistungsgrenze

Thomas beim Zieleinlauf, gut acht Minuten hinter dem Sieger auf einem sensationellen achten Rang © Marco Felgenhauer

Wenig beeindruckend: das Startgelände © Marco Felgenhauer

Wie bescheiden sich unsere Unternehmung gibt erleben wir tags darauf, fünf Uhr früh am Start. Nicht dass das Startgelände sonderlich groß wäre, schließlich haben sich nur ein paar hundert Athleten auf dem zugefrorenen See 15 Kilometer außerhalb von Jokkmokk eingefunden. Die Armada an Motorschlitten ist dagegen schon wesentlich beeindruckender. Wie für Red Bull Events üblich steht außerdem ein Hubschrauber parat, um Fotografen und Filmer zu transportieren. Aber auch etliche Profi-Teams haben Skidoos mitgebracht oder gemietet und mit Stöcken und Verpflegung bestückt, um jederzeit versorgen zu können. Kein Wunder, dass Leute wie John Kristian Dahl, die Auklands oder Rikard Tynell mit wesentlich weniger Marschgepäck am Start stehen als unsere beiden. Uns bleibt dagegen nur der klassische Weg: Nachdem die Ersatzstöcke am Start zum Glück nicht gebraucht wurden, geht es im Laufschritt ab zum Auto und weiter auf die Strecke.

Erstaunlich, wie ruhig hier alle bleiben. Ein Großteil der Weltspitze ist hier versammelt, doch Hektik kommt nach dem Start keine auf. Zu groß ist die Ungewissheit, die hier jedem ins Gesicht geschrieben steht. Keiner der Athleten hier hat je 200 Kilometer am Stück in einem Rennen absolviert, wir sind auf einer Reise in unbekanntes Terrain. Voller Respekt vor dieser Herausforderung schieben wir die ersten Kilometer über den zugefrorenen See, während sich die Spitzengruppe formiert. Nach einer halben Stunde dann erfolgen die ersten Attacken. Das Rennen ist eröffnet!

Der Verkehr hält sich in Grenzen, Parkmöglichkeiten gibt es ausreichend entlang der Straße, soweit läuft im ersten Abschnitt alles nach Plan. Thomas und Christoph erreichen uns gemeinsam in der rund zwanzigköpfigen Spitzengruppe und so endet unser erster Einsatz schon nach wenigen Sekunden. Wieder heißt es laufen, ab jetzt zählt jede Minute.

Das Feld hat sich sortiert, die Attacken verebben, wir ziehen in konstantem Tempo unsere Bahnen durch die schwedischen Wälder. Ausgebremst werden wir lediglich durch ein Herde Rentiere, die die frisch präparierte Strecke dem tiefen Schnee in den Wäldern ringsum vorziehen. Die lauferprobten Tiere bestimmen einige Zeit das Tempo für uns, bevor es einem Streckenposten gelingt, sie wieder in den Wald zu lotsen. Bei diesem Rennen kann wirklich alles passieren.

Anderthalb Stunden Fahrt gegen 30 Kilometer Langlaufstrecke, doch wir gewinnen das Rennen. Die kalten Temperaturen über Nacht hatten die Matschpiste etwas verfestigt, die trägen Rentiere verdrücken sich schnell in die Wälder. Dementsprechend schnell konnten wir fahren und so bleibt noch etwas Zeit übrig vor dem Wiedersehen mit den ersten Athleten.

Kilometer 100! Wir haben bereits mehr als eine Vasaloppet-Distanz hinter uns, als die Schlagzahl erneut erhöht wird. Jetzt beginnt das Ausscheidungsrennen. Schnell reduziert sich die Größe der Spitzengruppe auf zwölf, später auf zehn Athleten. Christoph fällt hinten raus, was keine Schande ist, schließlich muss auch der starke Rikard Tynell bald abreißen lassen.

Christoph bei der Verpflegung bei Rennkilometer 100 © Marco Felgenhauer

Das Glück verlässt uns wohl während der Wartezeit zwischen den beiden Passagen. Irgendwo auf den 40 Kilometern zur Wende und zurück zu uns muss Christoph abreißen lassen. Thomas erreicht uns schließlich in einer noch zehnköpfigen Spitzengruppe, kann seinen Trinkrucksack wechseln und ist damit gut gerüstet für die zweite Hälfte des Rennens, doch Christoph lässt auf sich warten. Es bleibt genug Zeit sich mit Johannes Dürr, der hier irgendwie sein Comeback geben will, zu unterhalten. Er legt eine schier endlose Pause ein, verpflegt sich mit Käsesemmeln und Energieriegel und präpariert die Ski neu. Christoph kommt dennoch erst einige Zeit nach ihm. Er sieht nicht sonderlich gut aus, ist aber zuversichtlich und nimmt die Verfolgung von Dürr und Co. auf. Der Zeitverlust für uns ist jedoch enorm.

Die Verpflegung klappt hervorragend, der Wechsel von der Trinkblase im Hüftgürtel auf den Rucksack sichert die Versorgung für die nächsten Kilometer. Aber was oben rein kommt muss auch wieder unten raus. Doch trotz des hohen Tempos finden sich immer wieder kleine Gruppen, die gemeinsam austreten und miteinander den Anschluss an die Gruppe wieder finden. Beeindruckend, mit welcher Gelassenheit das hier abläuft.

Wir verpassen Thomas bei Kilometer 130. Die Fahrstrecke ist dieselbe des Hinwegs, doch die Wartezeit und das höhere Tempo der Spitzengruppe konnten wir nicht mehr kompensieren. Zum Glück hat Thomas seinen Rucksack und ist gut versorgt. Wer drehen um und fahren zurück zur Straßenquerung bei Kilometer 165, dem nächsten möglichen Versorgungspunkt.