Sportpsychologie: Es ist wirklich in Ordnung mit sich selbst zu reden

Startanspannung © Federico Modica

Wir alle tun es, manchmal unbewusst, manchmal ganz bewusst. Wir reden mit uns selber, in jeder Lebenssituation, vor wichtigen Telefonaten, beim Autofahren, abends im Bett wenn wir nicht einschlafen können – und ca. 75% von uns tun es auch beim Sport (Hardy, Hall & Hardy, 2004). Der Grund warum wir es manchmal nicht merken: Selbstgespräche sind nicht immer hörbar, sondern oft einfach nur Gedanken.

In der Forschung gibt es noch sehr viele andere Kriterien, nach denen Selbstgespräche eingeteilt werden können. Hardy (2006) stellt sich dabei Fragen wie:

  • Haben Selbstgespräche einen positiven oder negativen Charakter?
  • Wirken die Gespräche motivierend oder demotivierend?
  • Kann der Athlet die Gespräche selbst wählen oder werden sie ihm auferlegt?
  • Wie häufig werden solche Gespräche genutzt?
  • Was haben sie für eine Funktion?

Letztere kann sehr viele Antworten haben. Selbstgespräche können helfen, wenn ihr vor einem Rennen aufgeregt seid, also um eure körperliche Aktivierung nach unten zu regeln. Sie können helfen, Stress, Aufmerksamkeit und Emotionen zu kontrollieren, damit ihr euch bei einem Skiwechsel im Skiathlon voll auf das Wesentliche konzentrieren könnt. Ihr könnt sie auch nutzen, um euch für den nächsten Anstieg zu motivieren oder euch den Streckenverlauf zu merken. Zusammengefasst: Selbstgespräche sind vielfältige „Gedanken, die an uns selber gerichtet sind, oft sagen wir uns damit, was wir zu tun haben“ (Schmidt, Birrer, Kaiser, Seiler, 2010). Damit sie am wirkungsvollsten sind, sollten die Gedanken immer positiv (also ohne Verneinungen) und in der Ich-Form formuliert sein und eure eigenen Stärken hervorheben. Aber genug zur trockenen Theorie, was könnt ihr konkret ausprobieren, um Selbstgespräche zu eurer Leistungsoptimierung zu nutzen?

„Ich muss mich motivieren!“

Egal ob ihr Schwierigkeiten habt, euch für die harte Intervalleinheit zu motivieren oder ob ihr euch schon zwei Kilometer vor dem steilsten Anstieg der Strecke lieber in den Schnee legen möchtet: zielgerichtete Gedanken können euch helfen. Beispielhaft dafür ist Ex-Radrennprofi Jens Voigt, der sich mantrenhaft immer vor Augen führte: „Shut up, legs!“ und so versuchte den Schmerz auszublenden und sich die Anstiege nach oben schraubte. Kurze, prägnante Anweisungen wie diese lenken die Aufmerksamkeit weg vom Negativen und pushen euch, noch das letzte aus eurem Energieriegel herauszuholen. Welches Motto oder Mantra für euch am besten passt, muss jeder für sich selbst herausfinden und im Training ausprobieren.

Praxis: Was hilft euch, endlich die Skiroller für die harten Intervalle anzuschnallen oder noch die letzte Runde durch den Wald zu drehen? Schreibt positive Gedanken auf oder überlegt euch ein Mantra, wie Jens Voigt (z.B.: endlich das neue Intervall-Programm von xc-ski.de ausprobieren, meinen besten Freund auf der Strecke treffen und zusammen leiden, `Ain´t nothing gonna break my stride!` …). Wiederholt sie regelmäßig und ruft sie euch ins Gedächtnis, wenn ihr Unlust verspürt.

„Ich muss mich entspannen!“

Ob an der Startlinie zum Saisonhöhepunkt oder beim hektischen Skiwechsel im Skiathlon: die Aufregung läuft immer mit! Wenn ihr aber so gestresst seid, dass ihr verkrampft und eure Leistung darunter leidet, solltet ihr etwas dagegen tun. Da in der Loipe nicht die Zeit für Yogaübungen oder Autogenes Training ist, greift ihr am besten auf andere Entspannungsmöglichkeiten zurück. Tief durchatmen, Ablenkungen ausblenden, auf das Hier und jetzt fokussieren. In stressigen Situationen kann es helfen, wenn ihr euch euren ursprünglichen Plan ins Gedächtnis ruft. Sicherlich habt ihr euch eine Rennstrategie überlegt oder im Training tausende Male den Skiwechsel problemlos vollzogen. Euch euer eigenes Können vor Augen zu führen kann dem Selbstbewusstsein auf die Sprünge helfen und den gestressten Geist und Körper runterfahren, übrigens nicht nur in sportlichen Situationen! Das Gleiche funktioniert auch in die andere Richtung, seid ihr zu relaxed, ist der Körper schlaff und nicht leistungsbereit und ihr solltet eure Aktivität hochfahren.

Praxis: Überlegt kurz, welche demotivierenden, stressenden oder negativen Gedanken euch zuletzt im Training oder Wettkampf im Kopf herumgegeistert sind und schreibt sie in die linke Spalte der Tabelle. Welche Gedanken könntet ihr stattdessen haben, um ein positiveres Gefühl zu bekommen? Schreibt sie in die rechte Spalte und versucht beim nächsten Mal, die negativen Gedanken durch sie zu ersetzen.

Störender Gedanke Alternativer Gedanke
Ich bin so aufgeregt, mir ist ganz schlecht, das geht in die Hose… Ich habe Bauchkribbeln und freue mich, ich werde diese Energie nutzen!
Der letzte Anstieg ist so hart, hoffentlich habe ich das richtige Wachs… Der letzte Anstieg ist eine Herausforderung, ich werde mich auf meine Technik konzentrieren.
So viele Menschen an der Startlinie, hoffentlich werde ich nicht in einen Sturz verwickelt…
Hoffentlich kommt der Pendelbus pünktlich damit ich meinen Start nicht verpasse…

Übung macht den Meister!

Man kann nicht von heute auf morgen nur noch fördernde Gedanken haben, Zweifel sind menschlich! Wichtig ist, sich immer wieder an sein Mantra oder Motto zu erinnern und es im Training zu testen und gegebenenfalls anzupassen, wenn es doch nicht das Richtige ist. Wenn ihr Fragen zu solchen Strategien habt oder mehr Details erfahren möchtet, schreibt mir gerne eine Mail!

Quellen: Hardy, J. (2006). Speaking clearly: A critical review of the self-talk literature. Psychology of Sport and Exercise, 7 (1), 81-97.

Hardy, J., Hall, C. R. & Hardy, L. (2004). A note on athletes‘ use of self-talk. Journal of Applied Sport Psychology, 16 (3), 251-257.

Schmid, J., Birrer, D., Kaiser, U. & Seiler, R. (2010). Psychometrische Eigenschaften einer deutschsprachigen Adaptation des Test of Performance Strategies (TOPS). Zeitschrift für Sportpsychologie, 17 (2), 50–62.

Lisa König ist Sportpsychologin. Sie war Skilangläuferin am Sportgymnasium Oberhof und der Unimannschaft der Michigan Tech University in den USA. Nach ihrem Bachelorabschluss in Psychologie absolvierte sie ein Masterstudium der angewandten Sportpsychologie und hilft Sportlern, Trainern und Mannschaften das beste aus ihrer sportlichen Leistung herauszuholen und ihr mentales Wohlbefinden zu verbessern. Sie bietet sportpsychologische Workshops, Coachings und Trainings an: www.die-sportpsychologen.de/lisa-koenig.