DSV Skilanglauf Mannschaftsarzt Tom Kastner zum Thema Impfung und Vorbeugung

Tom Kastner © DSV

Die Grippesaison hat begonnen und insbesondere für ambitionierte bis professionelle Skilangläufer käme eine Erkrankung derzeit wohl zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Wir haben uns mit dem Mannschaftsarzt der deutschen Skilangläufer, Tom Kastner, zum Thema Impfung und Vorbeugung unterhalten.
Tom, welche Maßnahmen sind aus deiner Sicht sinnvoll, um einer Grippe in Vorbereitung auf den kommenden Winter vorzubeugen?

Wie auch bei anderen Erkältungskrankheiten sind allgemeine Hygienemaßnahmen extrem wichtig, um sich vor Grippeviren zu schützen. Durch die notwendige Auseinandersetzung mit dem neuartigen Coronavirus sind diese Maßnahmen sicherlich mittlerweile weithin geläufig und unterscheiden sich nicht wesentlich. Außerdem existiert ein Impfschutz vor Grippeviren. Dieser muss jährlich erneuert werden, da sich einerseits Grippeviren verändern und die Grippeimpfstoffe an die jeweils zirkulierenden Grippeviren der Wintersaison angepasst werden und andererseits sich der Impfschutz im Verlauf abschwächt.

Was unterscheidet eine echte Grippeerkrankung (Influenza) von einem grippalen Infekt?

Eine echte Grippeerkrankung (Influenza) ist nicht zu verwechseln mit einem grippalen Infekt, also eine durch andere Erkältungsviren verursachte Erkältung. Eine echte Grippeerkrankung zeichnet sich häufig durch einen plötzlichen Krankheitsbeginn mit Kopf/-Gliederschmerzen und Fieber aus. Da eine Grippeerkrankung aber auch individuell milder in der Symptomatik verlaufen kann, ist eine Unterscheidung zu einer „banalen“ Erkältung nicht immer eindeutig möglich. Während die Erkrankung für Personen in jungem Alter ohne Vorerkrankungen in der Regel folgenlos ausheilt, kann eine Infektion für ältere Personen oder Personen mit Vorerkrankungen zu lebensgefährlichen Komplikationen führen.

Impfungen sind ja derzeit ein sehr kontrovers diskutiertes Thema. Warum überwiegen aus deiner Sicht die positiven Effekte einer Grippe-Impfung?

Eine wesentliche Funktion der Grippeschutzimpfung ist der individuelle Schutz. Im (Leistungs-)Sport gilt es jeglichen zeitlichen Ausfall durch Erkrankungen zu vermeiden bzw. vorzubeugen. Eine Grippeerkrankung kann zu einem Trainings- und evtl. Wettkampfausfall führen, bei schwerem Verlauf sogar für mehrere Wochen. Auch wenn Sportler in der Regel nicht zu einer ausgewiesenen Risikogruppe gehören, die Grippeschutzimpfung ist eine geeignete Maßnahme um das Risiko eines, unter Umständen mehrwöchigen, Trainingsausfalls zu minimieren. In einer aktuellen Studie wurde aufgezeigt, dass die Grippeschutzimpfung bei Leistungssportlern sogar besonders effektiv sei. Neben dem individuellen Schutz schütz man durch eine Impfung aber auch sein Umfeld in dem man sich der Infektionskette entzieht. Je mehr Menschen geimpft sind umso schlechter kann sich das Virus verbreiten. Das nützt letztendlich allen. Auch wenn die Verbreitung der Grippeviren in dieser Saison durch die derzeit umfänglichen Hygienemaßnahmen eventuell gebremst werden kann, so sind Koinfektionen, also Infektionen mit Grippe- und dem neuartigen Coronavirus, nicht ausgeschlossen. Laut einer aktuellen Studie ist zwar das Risiko einer derartigen Koinfektion erniedrigt, wenn eines der beiden Viren den Körper schon „befallen“ hat, allerdings können sich die gesundheitlichen Auswirkungen bei einer Koinfektion deutlich verstärken. Auch das sollte ein Grund sein, sich gegen Grippeviren impfen zu lassen.

Wann ist der beste Zeitpunkt für eine Grippeschutzimpfung?

Der beste Zeitpunkt ist in den Monaten Oktober bis November, also bevor es üblicherweise zu einer ersten Verbreitung der Viren kommt. Bis zum vollständigen Aufbau eines Schutzes nach Impfung bedarf es ca. 2 Wochen.

Gibt es weitere Impfungen, die für Sportler sinnvoll sind und wenn ja, warum?

Grundsätzlich richten sich die Impfempfehlungen nach den Vorgaben der Ständigen Impfkommission (STIKO) des Robert Koch Instituts. Diese Empfehlungen sind auch für Sportler uneingeschränkt gültig. Für Sportler die in FSME-Risikogebieten im Freien trainieren, empfiehlt sich ein Impfschutz vor der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), eine durch infizierte Zecken übertragene Viruserkrankung, die bei einem schweren Verlauf zur Entzündung des Gehirns und der Hirnhäute führen kann. Zu den ausgewiesenen Risikogebieten zählen unter anderem Süddeutschland sowie große Teile des Alpenraums. Eine genaue Ausweisung der Risikogebiete ist auf den Internetseiten des Robert Koch Instituts zu finden. Weiterhin sind Impfungen gegen Hepatitis A und B (Virusinfektionen der Leber) für Sportler sinnvoll, insbesondere im außereuropäischen Ausland durch womöglich nicht gegebene Hygienestandards. Die Übertragung von Hepatitis B erfolgt durch Blut und andere Körperflüssigkeiten. Da das Virus auch außerhalb des Körpers bis zu einer Woche auf Oberflächen überleben kann, ist neben der direkten Übertragung auch eine Infektion durch die gemeinsame Nutzung von (Sport-) Utensilien möglich. Die Übertragung des Hepatitis-A-Virus erfolgt durch Schmierinfektion. Das kann entweder direkt von Mensch zu Mensch erfolgen oder durch kontaminierte Lebensmittel und verunreinigtes (Trink-) Wasser. Die Ausprägung der Krankheitssymptomatik variiert stark, auch nach Virustyp. Bei einer Infektion mit dem Hepatitis A Virus kommt es häufig zu akuter Symptomatik mit Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Bauchschmerzen und Abgeschlagenheit. Zu einer dauerhaften Schädigung der Leber kommt es nicht. Eine akute Symptomatik ist bei einer Hepatitis B Virusinfektion seltener, allerdings sind schwere oder sogar lebensbedrohliche Verläufe möglich. Ein chronischer Verlauf der Erkrankung kann zum Funktionsverlust der Leber führen und das Risiko für die Entstehung einer Krebserkrankung der Leber erhöhen.

Was sollte man aus trainingstechnischer Sicht vor und nach einer Impfung beachten?

Als Impfzeitpunkt empfiehlt sich der Beginn einer Phase des reduzierten Trainings und möglichst mit Abstand zu einem Wettkampf, da Impfreaktionen selten aber möglich sind. Schmerzen und Schwellung im Bereich der Injektionsstelle sind die am häufigsten angegebenen Beschwerden. Es konnte jedoch bislang kein Zusammenhang zwischen körperlicher Belastung und Impfwirkung sowie Häufigkeit bzw. Schweregrad einer möglichen Impfreaktion wissenschaftlich belegt werden. Das Training muss folglich aufgrund einer Impfung nicht gänzlich eingestellt werden. Es empfiehlt sich lediglich der Verzicht auf (hoch-)intensive Belastungen am Tag der Impfung.

Tom Kastner ist Arzt und Sportwissenschaftler am Institut für Angewandte Trainingswissenschaft in Leipzig. Als leitender Mannschaftsarzt Skilanglauf im Deutschen Skiverband betreut er aus medizinischer Sicht Sportler wie Victoria Carl, Katharina Hennig, Thomas Bing und Jonas Dobler. Zudem ist er als Verbandsarzt der Deutschen Triathlon Union tätig.