90 Kilometer durch die Dunkelheit: Wie ein bayerisches Pärchen den ersten Nacht-Vasaloppet erlebte

Fürs Foto haben sich Simone Kagerbauer und Armin Podtschaske beim Rollertraining extra die Startnummern des Nacht-Vasa übergezogen. © Privat

Die Startnummer des Vasaloppet hat für viele Hobby-Langläufer einen ganz besonderen Wert. Die Leibchen verschwinden deshalb nach der Teilnahme in Schweden oft nicht in irgendeiner Kiste, sondern schmücken fortan Büros, Flure, Garagen, Ski-Keller oder Vereinszimmer. Zwei ganz besondere Exemplare nennen Simone Kagerbauer und Armin Podtschaske ihr Eigen. Denn es sind keine mit schwarzer Zahl auf weißem Untergrund, sondern schwarze Leibchen mit weißer Nummer und Beschriftung. Kein Wunder: Das Ärzte-Ehepaar, das an einer Münchner Klinik arbeitet, gehörte im März 2017 beim ersten Nacht-Vasa zu den insgesamt etwa 20 Startern aus Deutschland. Und die beiden werden auch 2018 wieder dabei sein, wenn am Freitagabend vor dem Hauptlauf der Startschuss für den 90 Kilometer langen Lauf durch die Dunkelheit fällt.

„Uns haben vor allem die Zuschauer begeistert. Auch weit nach Mitternacht waren fast immer Leute an der Strecke, teilweise mit Lagerfeuern und Musik. Das war beeindruckend“, erklärt Armin Podtschaske (Jahrgang 1964). Er erreichte mit seiner 13 Jahre jüngeren Partnerin nach 6:27:28 h auf Platz 184 im vorderen Drittel das Ziel in Mora. „Eigentlich wollten wir Hand in Hand über die Ziellinie, aber dann hat uns der Ehrgeiz gepackt und wir sind doch mit um die Plätze gespurtet“, erzählt Simone Kagerbauer. Sie hatte im Internet vom ersten Nattvasan gelesen und konnte auf Anhieb auch ihren Mann dafür begeistern. Der war bis dahin in Sachen Vasaloppet eher skeptisch, zumindest was den Hauptlauf betrifft. „Solange es nur einen Start für alle gibt und ich dann erstmal eine Stunde am ersten Berg rumstehe, mag ich mir das nicht antun“, sagt Armin Podtschaske, der mit seiner Frau Mitglied des xc-ski.de A|N Skimarathon Teams ist.

So gesehen kam für die beiden Ärzte der erste Nacht-Vasa gerade recht, und sie schlugen zwei Fliegen mit einer Klappe. „Wir konnten selbst ein echtes Vasalauf-Rennen mitmachen und haben beim Hauptrennen am Sonntag bei der Verpflegung unserer Top-Läufer Thomas Freimuth und Florian Goebel auch das Rennen neben dem Rennen hautnah mitbekommen“, erzählt Armin Podtschaske. Die Startplätze für die Premiere des Nacht-Vasa waren ruckzuck ausgebucht: 750 Zweier-Teams machten sich an jenem Freitag Punkt 20 Uhr auf der Startwiese in Sälen/Berga by auf den Weg. Die Skating-Technik ist im Gegensatz zum Sonntags-Rennen ebenso wie der klassische Stil erlaubt. Das Pärchen reihte sich im vorderen Mittelfeld ein und sah am Startberg die erste Hoffnung erfüllt. „Es wurde zwischenzeitlich eng, aber wir mussten keinmal komplett stehen bleiben“, erzählt Simone Kagerbauer.

Im Laufe des Rennens zahlten sich zudem die Vorbereitungen der beiden in Sachen Ausrüstung aus.  Sie hatten mit kurzen Läufen zu Fuß in der Dämmerung begonnen, um die richtigen Stirnlampen zu finden. Im Winter absolvierten sie zunächst ihre Heimstrecke, auf der sie jede Kurve kennen, in absoluter Dunkelheit, um sich an den engen Lichtkegel zu gewöhnen. Zudem bestritten sie in der Vorbereitung die Moonlight Classic auf der Seiser Alm. „Da irgendwann auch die Abfahrten mit unseren Lampen gut gingen, konnten wir Selbstvertrauen aufbauen“, erklärt Armin Podtschaske. Für den Nacht-Vasa  hatten die beiden ihre Stirnlampen mit zwei Helligkeiten programmiert, um vor allem auf den Abfahrten die Strecke gut auszuleuchten. Das funktionierte gut: „Erstens hat die Strecke ja keine engen Kurven und außerdem konnte man den Verlauf meistens auch voraussehen, wenn man Läufer vor sich hatte.“

Zur tollen Zeit des Duos trugen nicht zuletzt die guten Verhältnisse bei. Es hatte konstant um die minus 8 Grad und gab keine Niederschläge. Dadurch war es in den drei Klassik-Spuren mitunter fast so schnell wie auf der Skaterbahn. Durch viele gemeinsame Trainingskilometer harmonierte das Paar auch auf den 90 legendären Kilometern in den Spuren des einstigen schwedischen Königs Gustav Vasa sehr gut. Während Simone Kagerbauer im Bayerischen Wald groß geworden ist und auf Langlauf-Skiern steht, seit sie laufen kann, ist Armin Podtschaske in Sachen Langlauf ein Spätzünder. Er stammt aus Nordrhein-Westfalen und war in jungen Jahren eher als Radsportler aktiv. Erst als er seine Partnerin kennen lernte, fand er nach 25-jähriger Sportpause zum Skisport. Mittlerweile trainiert er nach einem Plan von Thomas Freimuth vom Ausdauernetzwerk München und muss seiner Frau nicht mehr hinterherlaufen. „Der Altersunterschied passt ganz gut, da können wir uns im Training gegenseitig fordern“, sagt er.

Obwohl die beiden regelmäßig bei der Ärzte-WM im Rahmen des König-Ludwig-Laufes in Oberammergau und beim heimischen Skadi Loppet in Bodenmais starten und auch schon Abstecher zum Kangaroo Hoppet in Australien, zum Lapponia Hiihto nach Finnland und zum Saami Ski Race von Norwegen nach Finnland unternahmen, bleibt der Vasaloppet auch für sie etwas Besonderes. Daran konnte auch die Tatsache, dass es für den Nacht-Vasa keinen Worldloppet-Stempel gab, nichts ändern.  „Die Atmosphäre ist in der ganzen Woche vor dem Rennen einzigartig. Man spürt, dass es für viele Läufer das Rennen schlechthin ist. Und es fühlt sich gut an, ein Teil dieser großen Familie zu sein. Wir freuen uns schon auf März und sind fleißig am Trainieren“, sagt Simone Kagerbauer.

Der Sieg beim ersten Nattvasan ging an die Norweger Jörgen Auckland (Vasaloppetsieger 2008 und 2013) und Martin Andersen in 3:52:56 h. Für 2018 wurde das Starter-Kontingent auf 1500 Duos verdoppelt. Ausgebucht ist das Rennen trotzdem schon seit vielen Wochen. Aus Deutschland haben laut offizieller Startliste elf Duos einen Startplatz ergattert. Die Schweden dominieren mit 1175 Teams.

Und hier sind noch einige Tipps von Simone und Armin:

— Probiert auf alle Fälle die Ausrüstung vorher aus. Nehmt gescheite Stirnlampen und trainiert unbedingt bei richtiger Dunkelheit mal im Wettkampftempo, vor allem die Abfahrten. In so einem Lichtkegel fährt es sich anders. Es sind zwei Lichtstufen zu empfehlen, wobei eine Fernsteuerung am Arm praktisch ist. Da muss man nicht immer direkt an die Lampe fassen.

— Bereitet euch auf die Selbstbedienung an den Verpflegungsstellen vor. Es gibt außer in Everstberg, wo alles „normal“ wie beim Hauptlauf ist, nur Tische mit Eimern, aus denen man sich selbst bedienen muss. Das heißt, ihr müsst Euch selbst einen Becher mitnehmen und den jedes Mal auspacken oder eure Trinkflasche selbst auffüllen. Feste Verpflegung gibt es nur in Evertsberg.

— Lest Euch die Ausschreibung richtig durch. Jeder Teilnehmer muss neben einer Lampe einen Rucksack mitführen. Darin sind zusätzliche Kleidung, Handschuhe, Mütze, Erste-Hilfe-Ausrüstung und Zusatzbatterien für die Lampen vorgeschrieben. Wichtig ist auch: Ein Team wird nur gewertet, wenn beide Mitglieder innerhalb von 20 Sekunden die Ziellinie überqueren.

— Selbst wenn man die 90 Kilometer skaten kann, ist die Strecke kein Pappenstil. Daher empfiehlt sich eine langfristige Vorbereitung. Trainingstipps gibt es im Internet und Trainingspläne direkt bei den Experten. Die Wettkampfzeit ist auf zwölf Stunden beschränkt. Wer 2 Uhr noch nicht in Evertsberg ist, wird aus dem Rennen genommen.

Monty Gräßler (Jahrgang 1972) ist Lokalsportredakteur bei der „Freien Presse“ im Vogtland und begeisterter Hobby-Skilangläufer. Mit „Wahnsinn Wasalauf“ hat er das erste deutschsprachige Buch über den legendären Vasaloppet in Schweden geschrieben. Es sind aber längst noch nicht alle „Wasalauf-Geschichten“ erzählt und kommen stets neue hinzu. Eine Auswahl davon gibt es regelmäßig in dieser Kolumne.  Mehr zum Buch und eine Bestellmöglichkeit findet ihr hier: www.wahnsinn-wasalauf.de