Fluorfrei im Selbstversuch: Wie funktioniert die Reinigung von Langlaufski?

Test mit dem Bruker Alpha II © Kevin Voigt / VOIGT

Das komplette Fluorverbot in allen Rennen der FIS und IBU stellt nicht nur die Techniker der Nationalmannschaften vor neue Herausforderungen. Auch uns Hobbyläufer kann es betreffen. Deshalb habe ich mithilfe von DSV-Cheftechniker Enrico Heisig den Selbstversuch gestartet und meine Langlaufski gereinigt.

FIS und IBU machen ernst. Ab der Saison 2023/2024 gilt ein komplettes Fluorverbot für alle Rennen, die nach dem Reglement der beiden Wintersportverbände ausgetragen werden (wir berichteten). Fluorwachs darf dann zwar in Europa weiterhin hergestellt und auch jederzeit privat verwendet werden. Bei nationalen und internationalen Wettkämpfen ist die Präsenz von Fluor auf dem Wettkampfski allerdings verboten. Das zieht weitreichende Konsequenzen nach sich. So müssen Ski, die in der Vergangenheit mit Fluorwachsen behandelt wurden, gereinigt werden, da sie bei einem Test ansonsten trotz aktuell verwendetem fluorfreien Wachs durchfallen könnten. Insbesondere die Techniker der Nationalmannschaften im Skilanglauf, Biathlon und der Nordischen Kombination stellt dies vor eine Mammutaufgabe, deren Lösung in den letzten Monaten bereits angelaufen ist.

Enrico erklärt mir den Testablauf © Kevin Voigt / VOIGT

Mit Enrico Heisig habe ich mich Mitte September in Oberhof getroffen, um genau so einen Reinigungsvorgang selbst durchzuführen. Der DSV hat sich, um das Verfahren zu optimieren, zwei baugleiche Fluor-Testgeräte der Firma Bruker angeschafft, wie sie in der kommenden Saison bei den Tests vor und nach den Rennen verwendet werden (auch darüber haben wir berichtet). So kann direkt überprüft werden, ob das Reinigen erfolgreich war. Und genau so will auch ich überprüfen, ob die mir empfohlene Reinigungsprozedur effektiv ist. Vorab habe ich mir bereits Tipps von Simon Kronbichler von HWK geholt, die wir in einer Anleitung zusammengefasst haben (Anleitung zur Fluor-Reinigung von Langlaufski und Zubehör). Nun betrete ich mit meinen Rennski das Technologiezentrum in Oberhof, wo sonst geschliffen, präpariert und gelagert wird. Enrico hat das Testgerät schon vorbereitet und erklärt mir kurz den Ablauf. Der Ski wird mit seinem Belag voran an drei Stellen (vorne, Mitte und hinten) an das Testgerät gehalten. Jeder Punkt wird einzeln mittels Infrarot-Spektrometrie gemessen und ein Wert ermittelt. Liegt dieser über 1,0 Prozent, so wird davon ausgegangen, dass sich noch Fluor auf dem Belag befindet. Liegt er darunter, gilt der Ski als „clean“, also sauber. Um den Test zu bestehen, müssen bei den FIS-Sportarten wie Skilanglauf alle drei Stellen unter dem Grenzwert liegen.

Reinigung der Langlaufski von Fluor © Kevin Voigt / VOIGT

Beim Eingangstest wollen wir sehen, inwieweit mein Paar Rennski mit Fluor „kontaminiert“ ist. Da ich es erst Anfang März neu schleifen lassen, danach aber wieder mit leichtfluoriertem Wachs behandelt habe, sollte das Testgerät eigentlich ausschlagen. Und das tut es dann auch an allen drei Stellen. Der Grenzwert ist zwar nur gering überschritten, aber ich dürfte damit nicht bei Rennen der FIS und IBU an den Start gehen. Nun geht es ans Säubern und Enrico zeigt mir die Methode, die im DSV zur Anwendung kommt. Zunächst wird flüssiger Fluorentferner auf dem Belag verteilt. Ihr solltet dabei unbedingt darauf achten, dass ihr fluorfreien Fluorentferner verwendet. Was etwas absurd klingt ist tatsächlich Realität: Die besten Fluorentferner hatten bislang Fluor als Inhaltsstoff. Aktuelle Produkte gibt es aber inzwischen auch fluorfrei. Mittels einer Feinmetallbürste wie zum Beispiel dieser hier von HWK (Stahl extrafein) die bislang noch nicht mit Fluor in Berührung gekommen ist oder inzwischen von Fluor gesäubert wurde, wird der noch feuchte Ski gründlich ausgebürstet. Wichtig dabei ist, die Bürste flach auf den Belag zu drücken und in kurzen Bewegungen vor und zurück zu bewegen. Dabei ist der Druck entscheidend, wie mir Enrico erklärt, um auch in die feinsten Vertiefungen des Schliffs zu gelangen. Im Anschluss wird ein besonders saugfähiges Fleece-Tuch unter die Bürste auf den Belag gelegt und einmal komplett von Spitze bis Skiende über den Belag gezogen. Das weiße Tuch ist dann meist mit deutlichen Schmutzspuren versehen.

Wert unter 1 Prozent und grünes Häkchen © Kevin Voigt / VOIGT

Nach dem Ablüften des Skis geht es erneut an das Testgerät. Und siehe da, der Wert liegt an allen drei Stellen nun deutlich unter dem Grenzwert. Es erscheint ein grünes Häkchen und ich wäre startberechtigt. Nachdem den ersten Ski meines Paars Enrico gesäubert hat, will ich es nun selbst probieren. Ich schnappe mir den zweiten Ski und wiederhole die Schritte. Ist doch eigentlich nicht schwer, denke ich mir. Doch das Testgerät spricht eine andere Sprache. Mein zweiter Ski liegt weiterhin über dem Grenzwert. Ich versuche es ein zweites Mal mit dem Reinigen, aber das Ergebnis bleibt annähernd dasselbe. Ich bin ratlos. Doch Enrico hat einen Verdacht. Er geht noch einmal selbst mit der Bürste über den mit Fluorreiniger benetzten Belag und schon passt das Ergebnis des Testgeräts. Anscheinend habe ich die Bürste zu vorsichtig angedrückt und damit nicht alle Fluor-Partikel entfernt. Es ist also ganz entscheidend, den nötigen Druck aufzuwenden, um den Belag sauber zu bekommen.

Der Chef der deutschen Wachser gibt mir noch einen Tipp: Damit die Feinmetallbürste den Belag nicht beschädigt, sollte sie nicht fabrikneu oder zuvor mit Sandpapier/Schleifpapier etwas stumpf gemacht werden. Außerdem kann es nötig sein, Ski, die zuvor mehrmals mit Fluor-Wachs behandelt wurden, nach dem Reinigen noch mit fluorfreiem Wachs zu bügeln und das Wachs ganz normal abzuziehen und auszubürsten. Am Ende sind alle diese Schritte natürlich keine Garantie, dass sich nicht doch noch Fluor auf dem Belag befindet. Eine noch größere Sicherheit bietet das neu Schleifen des Belags, was aber durchaus zu einer Veränderung der Gleitfähigkeiten (positiv sowie negativ) führen kann. Deshalb ist das Reinigen vorzuziehen.

Ich packe nun mein fluorfreies Paar Ski mit fabrikneuen Skiclips in einen neuen Skisack. Denn auch das ist wichtig: Kommt der Ski mit verunreinigten Gegenständen in Berührung, kann er natürlich wieder positiv auf Fluor getestet werden. Deshalb sollte man Tools wie Plexiklingen, Bürsten, Bügeleisen und Rillenstift unbedingt gründlich reinigen, bevor man sie weiterverwendet. Anderes Zubehör wie Skiclips, Skisack … tauscht man wohl besser aus. Ich bedanke mich bei Enrico Heisig für seine Unterstützung und verabschiede mich mit einem guten Gefühl aus dem Technologiezentrum in Oberhof. Nun bin ich bereit für die erste fluorfreie Saison meines Lebens!

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