100 Jahre wird die Marke Kästle im Jahr 2024. Die Skiproduktion am Standort Nove Mesto in Tschechien ist sogar noch deutlich älter. Grund genug, dem Werk am Biathlon- und Langlauf-Weltcup-Ort einen Besuch abzustatten.
Ich bin nicht zum ersten Mal in Nove Mesto na Morave. Als die Tour de Ski noch hier Station machte, war ich mehrmals im Stadion, das seitdem auch zahlreiche Biathlon-Weltcups und eine Weltmeisterschaft beherbergte. Das Werk der tschechischen Skimarke Sporten, die 2018 von einem Investor aufgekauft und 2019 um die Marke Kästle ergänzt wurde, ist mir damals nicht aufgefallen und das obwohl es nur wenige Meter außerhalb des Stadtkerns beheimatet ist. Hier habe ich mich mit dem ehemaligen Junioren-Weltmeister im Skilanglauf und jetzigen Geschäftsführer der Firma, Markus Weeger, verabredet. Er hat mich eingeladen, die Skiproduktion der österreichischen Traditionsmarke im Jahr des 100-jährigen Jubiläums vor Ort zu erleben. Durch einen großen Torbogen geht es auf das Firmengelände, auf dem 250 Mitarbeiter tätig sind. Kurze Wege sind hier übrigens Standard. Büros und Produktion trennen nur wenige Treppenstufen voneinander.
Hier treffen wir auch auf Petr Fiala, den Direktor Produktion (OEM), der uns durch die Werkshallen begleiten wird. Er erzählt mir, dass die Skiproduktion in Nove Mesto eine lange Tradition besitzt. Bereits einige Jahre vor 1900 wurden an diesem Ort Skier hergestellt und benutzt. Ob man damit sogar eher begonnen hat als in Österreich? Hier ist man davon überzeugt! Wir beginnen unsere Tour dann auch am Anfang des Produktionszyklus eines Skilanglaufskis, dem Fräsen des Kerns. Eine Besonderheit des Kästle Werks ist es nämlich, dass man hier den Holzkern mit oder ohne Wabeneinsatz noch komplett selbst fertigt. Andere Skifirmen lassen den Kern fremdfertigen und anliefern. In Nove Mesto kann man alle Schritte vom Anliefern des Holzes (es werden drei verschiedene Holzarten verwendet und bei den Rennski kommt meist Pappelholz zum Einsatz), über das Trocknen bis hin zum Schneiden und Fräsen inklusive Einpassen des Wabenkerns vor Ort nachverfolgen.
Weiter geht es über das Holzlager in den Produktionsbereich für Kunststoff. Hier werden Beläge und andere Kunststoffschichten produziert und nebenan auf das passende Maß zugeschnitten. Am fertigen Produkt schaut ein zweifarbiges Logo im Belag immer relativ einfach gearbeitet aus. Es aber an der jeweiligen Stelle passgenau einzusetzen ist große Handwerkskunst. Gleich nebenan werden Glasfaserschichten und weitere Lagen auf Länge und in Form gebracht. Am Ende dieses Hallenbereichs stehen fertig gepackte Rollwagen bereit, um zu den Skipressen gebracht zu werden.
Aber halt, ein wichtiger Bestandteil des Skis fehlt noch, das Dekor. Das entsteht in den nächsten beiden Arbeitsbereichen. Im einen befindet sich ein großer Digital-Transferdrucker, aus dem die Transferfolie mit dem aufgedruckten Skidesign läuft. Hier ist noch Platz für weitere Drucker, die demnächst hinzukommen sollen. Im zweiten Raum wird dagegen an einer Siebdruckmaschine gearbeitet. Sie hat den Vorteil, dass sie etwas schönere Farben erzeugt. Nachteil sind die höheren Kosten, da für jeden Farbton des Designs eine eigene Schablone benötigt wird und so auch nur wenige Farben kombiniert werden können. Aber das Kästle-typische Mint kommt hier besonders gut zur Geltung.
Schließlich geht es in den großen Raum mit den Skipressen. 17 Maschinen stehen hier und warten darauf, die Formen mit den einzelnen Schichten der Ski in Empfang zu nehmen und zusammenzupressen. 25 Minuten dauert so ein Pressvorgang von einem Paar Ski im Schnitt. Da sich hier das Nadelöhr der Produktion befindet, werden die Pressen bei Vollauslastung 24 Stunden an sieben Tagen der Woche bedient. Aktuell ist das nicht der Fall und die Mitarbeiter bereiten sich zudem gerade auf den Schichtwechsel vor. Aber allein der Blick auf die zahlreichen Stellschrauben verschafft mir einen Einblick, wie diffizil die Arbeit hier ist. Die Formen sind übrigens eine Kästle-Eigenproduktion und werden direkt nebenan an einer großen CNC-Fräse erstellt. Circa 9.000 Euro kostet so eine Form, die natürlich für jedes Skimodell in jeder geplanten Länge gefertigt werden muss.
Nach dem Pressen und Abkühlen geht es an das Feintuning. Die überstehenden Ränder werden entfernt und der Ski vermessen. Um potentiellen Käufern die Auswahl etwas zu vereinfachen, wurde in den letzten Jahren die Information auf dem Sticker angepasst. Im Vordergrund steht nun die Angabe des idealen Körpergewichts inklusive Ober- und Untergrenze. Natürlich werden auch weiterhin detaillierte Informationen wie die Restspannung bei Belastung mit halbem und ganzem Körpergewicht angegeben. Diese Daten können aber meist nur der Händler beziehungsweise echte Skiexperte korrekt interpretieren.
Der finale Schritt ist schließlich das Schleifen des Belags. Dies erfolgt bei allen Skimodellen unterhalb der Top-Rennkategorie vollautomatisch in einer Schleifstraße. Modelle wie der Kästle RX10 WC erhalten dagegen eine Sonderbehandlung. Sie gehen durch die Hände von Josef Kabrda, der bis zur Saison 22/23 noch als Biathlet im IBU-Cup unterwegs war. Inzwischen bedient er die neueste Wintersteiger Schleifmaschine und verpasst den Rennski ihr Belagsmuster. Von hier aus ist es dann nicht mehr weit bis zur Laderampe, von wo aus die Ski ihren Weg in den Fachhandel antreten.
Alle Ski? Nein, ein kleiner Teil landet im wenige Meter entfernten Rennservice-Büro, wo der zweifache WM-Bronzemedaillengewinner im Skilanglauf, Dusan Kozisek, gerade die Auswahl für den internen Skitest im August in der Skihalle Oberhof trifft. Dort werden dann die Modelle herausgetestet, die mit dem Rennservice ihre Reise zu den Weltcups antreten, um die Top-Athleten auch immer mit Top-Material versorgen zu können. Besonders stolz ist man auf ein neues Messinstrument aus Schweden, mit dem man nicht nur einen bestimmten Spannungswert, sondern den exakten Spannungsverlauf abbilden kann. Schon interessant, wie auch im Skilanglauf die Digitalisierung immer weiter voranschreitet.
Für mich endet der Kurzbesuch in Nove Mesto an dieser Stelle und ich verabschiede mich von Markus Weeger und Petr Fiala mit vielen neuen Informationen und Eindrücken im Gepäck. Die Rennski im Weltcup und auf den Loipen dieser Welt sehe ich nun jedenfalls mit anderen Augen!