Interview: FIS-Renndirektor Pierre Mignerey zu möglichen Änderungen im Skilanglauf

Pierre Mignerey (FIS) © FIS

Im Anschluss an die Herbstsitzung der FIS in Zürich machten verschiedene Vorschläge die Runde, das Skilanglauf-Programm bei Großereignissen und im Weltcup anzupassen (FIS Herbst-Sitzung: Werden Skiathlon und Klassik-Sprint abgeschafft?). Wir haben FIS-Renndirektor Pierre Mignerey zu diesen möglichen Änderungen befragt. 

Pierre, es gibt Gerüchte, dass es große Veränderungen am Wettkampfprogramm geben soll. Zunächst: Wer hat diese Vorschläge erarbeitet und was war der Beweggrund, über eine Änderung der Wettkampfformate nachzudenken?

Zunächst ist dies kein neues Thema. Die Skilanglauf-Familie diskutiert seit einigen Jahren über Rennformate. Die Welt verändert sich ständig und jede menschliche Tätigkeit muss sich anpassen. Langlaufen wie alle anderen Sportarten müssen die Erwartungen aller Beteiligten berücksichtigen und es ist an der Zeit, dass wir einige Entscheidungen treffen. Wir können nicht nur ewig sprechen! Das heißt, ich weiß nicht, ob es einige Veränderungen geben wird und wie weit wir gehen werden. Nun liegt ein Vorschlag auf dem Tisch, der die Grundlage für künftige Diskussionen und weitere Auswertungen bilden wird. Auf jeden Fall wird es keine Revolution geben, unser Ziel ist es, unser Rennprogramm zu straffen und zu vereinfachen. Wir wollen unsere Haupttraditionen als starke Basis nutzen und das Langlaufen für alle Stakeholder wie Fans, TV-Zuschauer, Fernsehen, Sponsoren und auch für Kinder und Jugendliche so attraktiv wie möglich gestalten. Um deine Frage zu beantworten: Der aktuelle Vorschlag wurde von einer kleinen Gruppe von FIS- und FISMAG-Mitarbeitern nach Gesprächen mit vielen verschiedenen Interessengruppen in den letzten zwei Jahren erarbeitet.

Ein Vorschlag ist, den Skiathlon bei den Großevents aus dem Programm zu nehmen und mit einem 30/15km Jagdstart zu ersetzen, der auf Basis der Ergebnisse des Einzelstarts über 15/10km gestartet wird. Ist das nicht ein Rückschritt, wenn man das innovativste Format der vergangenen Jahre abschafft?

Ich glaube nicht, dass dies ein Rückschritt ist und ich glaube ohnehin nicht, dass dies die richtige Frage ist. Unser Vorschlag stützt sich auf verschiedene Analysen, auf konkrete Fakten und soweit wie möglich auf unparteiische Argumente. Es ist definitiv nicht einfach, manchmal sogar schmerzhaft, ein Format aus dem Programm zu nehmen, aber gleichzeitig ist es notwendig. Wenn wir unseren Sport verändern wollen, können wir nicht immer neue Formate schaffen, neue Distanzen, neue Elemente in unserem Weltcup-Kalender… Wir sind zutiefst davon überzeugt, dass Langlaufen für das größtmögliche Publikum verständlich sein muss.

Welche speziellen Gründe gibt es, über eine Abschaffung des Skiathlons nachzudenken?

Wir haben versucht, das Plus und Minus für jedes Format zu analysieren und sind zu dem Schluss gekommen, dass die Waage beim Skiathlon mehr auf die Minusseite kippt. Skiathlon wurde eingeführt, um beide Techniken in einem Rennen zu vereinen und um Führungswechsel zu schaffen, Wettkampfdrama nach dem Skiwechsel. Das Konzept ist gut, aber es funktioniert nicht wirklich und die meisten Skirennen sind nichts anderes als Massenstarts mit einem Skiwechsel mitten im Rennen. Der Skiathlon stellt hohe Anforderungen an die Infrastruktur, die Strecken, das Stadion und den Schnee: Wir brauchen zwei separate Streckensysteme, ein breites und langes Stadion und Boxen. Die Konsequenz daraus ist, dass nur wenige Austragungsorte dieses Format ordentlich organisieren können und dass wir enorme technische Anforderungen haben, die nur für ein Rennformat verwendet werden. Der Skiathlon ist auch in Sachen Skiausrüstung und Wachsen anspruchsvoll, mit teuren Konsequenzen für Skilangläufer und Teams: spezifische Ausrüstung, mehr Wachs, mehr Tests und mehr Personal. Dies ist wahrscheinlich noch ein größeres Problem auf Junioren- und Continental Cup Ebene. Auf der Ebene des Weltcups müssen wir auch die hohen TV-Produktionskosten erwähnen, die durch die Notwendigkeit von zwei separaten Kurssystemen verursacht werden, wir brauchen mehr TV-Kameras, mehr Personal usw. Außerdem funktioniert dieses Format nur einmal im Jahr bei WM oder Olympia richtig. Skiathlon passt nicht wirklich in das Weltcup-Programm und wir sind der festen Überzeugung, dass die Großereignisse die Basis des Weltcup-Programms sein sollten, mit Ausnahme der 30/50 km. Auch auf niedrigerem Niveau wie Continental Cup oder nationalen Wettkämpfen wird der Skiathlon fast nicht mehr eingesetzt. Zusammenfassend kann man also sagen, dass es für dieses Format eine lange Liste von „Minus“ gibt und dass das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht gut genug ist, um den Skiathlon in unserem Rennprogramm zu halten. In einer Welt, die mehr und mehr auf Nachhaltigkeit und Kostenkontrolle ausgerichtet ist, halten wir es für wichtig, auch ökologische und finanzielle Aspekte zu berücksichtigen.

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