Nordische Kombination: Aufregung um Sprunganzüge

Die Anzüge der Skispringer bieten immer wieder Anlass für Diskussionen. © Vianney THIBAUT/NordicFocus

In der Nordischen Kombination ist eine Diskussion um die Skisprunganzüge entbrannt. Der finnische Cheftrainer Petter Kukkonen kritisiert das Messverfahren, bei welchem die Anzuggröße jedes Springers festgelegt wird. FIS und DSV sind anderer Ansicht.

Petter Kukkonen (rechts), Chefcoach der finnischen Kombinierer, kritisiert die Messmethoden der FIS. © Sandra Volk

Auch wenn die Nordischen Kombinierer momentan Weltcuppause haben, gibt es unter den Teams einige Aufregung. Grund sind Vorwürfe des finnischen Teams, welche nach dem Weltcupwochenende von Ruka laut wurden. Dabei geht es Kukkonen nicht darum, andere Athleten oder Teams anzuschwärzen. Sein Ziel ist es vielmehr, eine Lücke im Regelwerk aufzudecken, um in einer gemeinsamen Diskussion Lösungen zu finden, um den Sport „sauber wie Schnee“ zu machen. Eine bewusst gewählte Formulierung, die ansonsten im Kampf des Internationalen Skiverbandes (FIS) gegen Doping beheimatet ist. In der Tat vergleicht man in Finnland die Vorteile, die durch nicht regelkonforme Anzüge entstehen können, mit einer Wirkung wie durch chemisches Doping im Langlauf. Denn jeder Meter mehr, den man auf der Schanze herausspringen kann, bringt einen Vorteil im anschließenden Laufwettbewerb.

Die Sprunganzüge – streng reglementiert

Jarl Magnus Riiber (NOR) wurde in Ruka wegen eines nicht regelkonformen Anzugs disqualifiziert. © Vianney THIBAUT/NordicFocus

Gemäß der aktuell gültigen Regeln ist ein Sprunganzug in seinen Maßen begrenzt und muss den Körpermaßen des Athleten entsprechen. Dazu werden die Athleten alle zwei Jahre vor Saisonbeginn nach genau festgelegten Regeln vermessen. So muss der Anzug „in allen Bereichen des Körpers anliegend sein“, wie es in den Richtlinien der FIS heißt. Dabei ist eine Toleranz von zusätzlich mindestens einem bis maximal drei Zentimetern (bei den Damen jeweils ein Zentimeter mehr) erlaubt. Einmal festgelegt, gilt das Körpermaß als Referenz für alle Wettkämpfe. Die Regelkonformität der Anzüge wird bei jedem Qualifikations- und Wettkampfsprung kontrolliert: Für alle Athleten oben am Turm vor dem Sprung, und noch einmal für ausgewählte Athleten nach dem Sprung unten, wenn der Springer den Auslauf verlassen hat.

Der Stein des Anstoßes: Der Zwickel

Ilkka Herola, Team Finnland. © Volk/NordicFocus

Soweit das Regelwerk. Nun verhält es sich jedoch so, dass mehr Stoff mehr Auflagefläche in der Luft bedeutet und damit potentiell höhere Weiten möglich sind, weshalb den Teams daran gelegen ist, die Toleranz so gut als möglich auszunutzen. Insbesondere unter den Achseln und im Schritt wird um jeden Zentimeter gerungen, um so weite Schnitte wie möglich zu erhalten. Und dabei, so die Behauptung des finnischen Teams, würden durchaus kreative Mittel gewählt, um den Schritt der Athleten so weit wie möglich nach unten zu „drücken“. Die Messung erfolgt bei gestreckten Beinen vertikal vom Boden bis zum Adduktorenansatz. Die Athleten müssen dabei mit Unterhosen bekleidet sein. Nun gibt es Gerüchte, dass die Unterhosen mit diversen Materialien ausgestopft werden – die Rede ist hier von Waschlappen bis hin zu Haushaltsschwämmen -, so dass der Zwickel in der Folge tiefer gemessen werde als er es auf natürliche Art sei.

Der Vorwurf: Unzureichende Kontrollmöglichkeiten

Guntram Kraus ist Materialkontrolleur der FIS in der Nordischen Kombination. © Vianney THIBAUT/NordicFocus

Was den Finnen hierbei beunruhigt: Die Manipulationen könnten im gängigen Verfahren durch die FIS gar nicht aufgedeckt werden, da die Kontrolleure – bei der Nordischen Kombination zeichnet hier der Oberwiesenthaler Guntram Kraus verantwortlich – keine Ärzte und damit nicht berechtigt seien, die Unterhosen zu kontrollieren. „Während des Wettkampfwochenendes suchte ich ein Gespräch mit den Verantwortlichen der FIS und habe unsere Bedenken über diese Entwicklung und den Schutz der Rechte der Athleten geäußert. Ich habe auch offen und ehrlich über diverse Möglichkeiten der Umgehung des Reglements gesprochen“, so Kukkonen.

Die Lösung: Bodyscanner?

Renndirektor Lasse Ottesen zeigt sich offen gegenüber konstruktiver Kritik. © Modica/NordicFocus

In der Tat kommen aus Finnland auch Lösungsvorschläge. Eine Möglichkeit wäre, die Messungen durch einen Arzt durchführen zu lassen, um auch die Unterhosen der Athleten kontrollieren zu können. Alternativ könnten auch Bodyscanner zum Einsatz kommen, die, ähnlich wie am Flughafen, nur die Körperumrisse abbilden. Renndirektor Lasse Ottesen (Norwegen) äußert sich durchaus offen für konstruktive Kritik. „Für die Sicherheit und Fairness in unserem Sport ist es wichtig, dass wir dem System vertrauen können und gewährleisten, dass wir auch in der Lage sind zu kontrollieren, dass alle Regeln eingehalten werden. Die Anzüge sind jedes Jahr ein Thema, und wir haben eine große Analyse rund um dieses Thema durchgeführt. Und wie jedes Jahr werden wir weiterhin daran arbeiten, wie wir unseren Sport zum Wohle aller Teilnehmer weiterentwickeln können.“ Die Vorschläge aus Finnland werden sicherlich, so Ottesen weiter, Thema bei den alljährlichen Frühjahrsmeetings nach Saisonende sein. Kurzfristig wurde für den heutigen Donnerstag ein zusätzliches Online-Team-Captains-Meeting anberaumt, in welchem dieses Thema ebenfalls besprochen werden soll.

Deutsches Team wenig erfreut

Horst Hüttel, Teammanager Nationalmannschaft für Skisprung und Nordische Kombination beim DSV. © DSV

Dort dürfte es für Kukkonen möglicherweise recht ungemütlich werden, denn die anderen Teams sind verständlicherweise wenig begeistert von Kukkonens Vorstoß und Äußerungen. „Das hat uns alle schon sehr irritiert“, bestätigt Horst Hüttel, Teammanager Nationalmannschaft für Nordische Kombination und Skisprung beim Deutschen Skiverband. „Für mich kommen diese Anschuldigungen ein Stück weit aus dem Nichts. Schließlich fand im Frühjahr ein sehr offener und transparenter Prozess zu Neuerungen statt. Wo waren denn hier die Finnen, warum haben sie sich hier nicht zu Wort gemeldet?“ Ihn stört besonders der Zeitpunkt und die Art der Kommunikation. „Im Frühsommer finden die Kommitteesitzungen statt. Dort ist der geeignete Ort und die Zeit, um Ideen einzubringen. Jetzt, mitten in der Saison, ist dies absolut der falsche Zeitpunkt. Außerdem ist es stillos und eine billige Art der Kommunikation, Bilder rumzuschicken und alle anderen Nationen in einem Rundumschlag als Betrüger hinzustellen“, so Hüttel weiter. (Hüttel bezieht sich hier auf Bilder, die in den finnischen Medien kursierten und die Unterschiede in den Anzügen verschiedener Springer zeigen sollen, die Redaktion.) „Es waren in Ruka 15 Nationen im Spezialsprung und zwölf Nationen in der Nordischen Kombination am Start. Diese 27 Teams wurden im Grunde alle mit den gleichen Kriterien und Reglement gemessen und behandelt. Von diesen 27 Teams waren 26 mit der Vorgehensweise und der Messmethodik der FIS einverstanden. Nur ein Team nicht, das finnische Team in der Nordischen Kombination. Ich finde, da sollte man sich auch einmal selber hinterfragen, bevor man auf populistische Art und Weise alle anderen beschuldigt.“ Hüttel außerdem: „Das Messprozedere ist grundsätzlich kein einfaches Thema, doch wir haben Vertrauen in das System und in die Personen der FIS. Schließlich gab es in Ruka ja auch Disqualifikationen wegen des Anzugs (unter anderem der Weltcupführende Jarl Magnus Riiber aus Norwegen, die Redaktion), das zeigt doch, dass das System grundsätzlich funktioniert.“ Auf die Bodyscanner angesprochen, zeigt sich Hüttel zwiespältig: „Wenn es jedoch Chancen gibt, mit neuen Technologien den Skisprungsport fairer zu machen, sollte man dies immer versuchen. Es muss jedoch auch praktikabel und umsetzbar sein. Ob jedoch Petter Kukkonen hier die richtige Person ist, für die FIS einen neuen umsetzbaren Weg aufzuzeigen, dies bezweifle ich schwer.“Kukkonen selbst ist sich durchaus bewusst, dass er bei den anderen Teams mit seinem Vorstoß aneckt, betont aber: „Ich habe weder einen bestimmten Athleten noch ein anderes Team beschuldigt. Auch haben wir keine Bilder weitergegeben. Da wurde viel über die Medien verbreitet, was andere Teams gegen uns aufgebracht hat. Davon möchten wir uns klar distanzieren. Aber es sollte in jedem Fall sichergestellt sein, dass die Einhaltung der Regeln garantiert werden kann, im Sinne eines sauberen und fairen Sports.“