Nach der ersten Saison mit Stocklängenbegrenzung: Das sagen Experten und Hobbyläufer

Niklas Dyrhaug (NOR), Sindre Bjoernestad Skar (NOR), Andrey Larkov (RUS), Lucas Chanavat (FRA), Finn Haagen Krogh (NOR), Johannes Hoesflot Klaebo (NOR), Alex Harvey (CAN), Baptiste Gros (FRA) (l-r) © Modica/NordicFocus

Vor dem Winter hat die Stocklängenbegrenzung im Skilanglauf in klassischer Technik auf 83 Prozent der Körpergröße mächtig für Wirbel gesorgt. Wir haben für euch Stimmen eingefangen, nachdem die erste Saison mit der neuen Regel absolviert ist.

Jonas Dobler (Weltcup-Starter)

Für mich hat sich nichts geändert. Meine Stocklänge ist minimal unter den 83 Prozent, deshalb habe ich alles beim Alten gelassen. Insgesamt finde ich, dass einfach die richtigen Strecken der richtigen Technik zugeordnet werden müssen und das „Problem“ ist gelöst. Zum Beispiel wird nie jemand in Kuusamo schieben. Dann sollte da klassisch gelaufen werden. Toblach zum Beispiel dann Skating. Da wird nämlich immer geschoben, auch mit 83 oder 80 Prozent.

Thomas Freimuth (Skimarathon-Spezialist)

Ich war gerade dabei, mich an ziemlich lange Klassik-Stöcke zu gewöhnen, da kam die Nachricht von der Stocklängenreglung zum vermeintlichen Schutz der Klassik-Technik etwas ungelegen. Ok, Kommando zurück, Stöcke wieder kürzen und die Technik anpassen. Trotzdem ist der Vorteil beim Skimarathon vor allem bei warmen Bedingungen, ohne Steigwachs unterwegs zu sein, zu groß, als dass man wieder vom reinen Doppelstockschieben abweichen würde. Jeder will den Vasalauf gewinnen und sucht nach der schnellsten Möglichkeit von Sälen nach Mora zu kommen, ohne abzukürzen! Diese Entwicklung lässt sich kaum aufhalten.

Michael Förster (ambitionierter Hobbyläufer im Skimarathon)

Ich habe mir kurze Stöcke für diese Saison gekauft (83% der Körpergröße). Allerdings wurde ich niemals kontrolliert. Ich konnte auch nicht feststellen, dass ich deswegen langsamer war, die Nebenwirkungen spürte ich allerdings schon: deutlich höhere Belastung im unteren Rücken. Im Training habe ich mit drei Stocklängen experimentiert. Auf einer Weltcup Strecke wie Seefeld mit extrem steilen Anstiegen ist es ein Vorteil, sehr lange Stöcke zu haben. In flachem Gelände fühle ich mich mit kürzeren besser, da die Frequenz höher bleibt. Gerade im Amateurbereich halte ich die Regel für unsinnig, da einige Läufer aus gesundheitlichen Gründen mit längeren Stöcken laufen müssen und durch die Regel Verletzungsrisiken steigen.

Prof. Dr. Thomas Stöggl (Fachbereich Sportwissenschaften – Uni Salzburg, Skimarathonläufer)

Die 83% Stocklängenregelung hat bei mir zu einer Verkürzung der Stöcke um 2,5 cm geführt, womit ich wieder mit Stöcken laufe wie vor zwei Jahren. Aufgrund von Beobachtungen (auch auf Basis der Stocklängenvermessung von nationaler und internationaler Elite im Skilanglauf bei meinen letzten wissenschaftlichen Studien vor einem Monat) werden die 83% zum Teil noch gar nicht ausgenutzt (v.A. im Juniorenbereich). Hinzuzufügen sei, dass auf Basis von Daten aus 2010 (SWE, NOR, AUT Weltspitze) die damalig besten Sprinter der Welt mit maximalen Stocklängen von <84% Körpergröße (ohne Schuhe) liefen, womit die damalig längsten Stöcke eigentlich unter der aktuellen Maximalhöhe von 83% lagen. Sehr alte und auch aktuelle Studien zeigen gewisse Vorteile von längeren Stöcken sowohl im flachen Gelände als auch im Anstieg, was meines Erachtens auch dazu geführt hat, dass vor Allem im Volkslauf mit längeren Stöcken gelaufen  – bzw. zum Teil vor längeren Anstiegen (z.B. Marchialonga) sogar zu längeren Stöcken gewechselt wurde. Die Einführung der 83% Regel in dieser Saison führte jedoch zu keinen augenscheinlichen Änderungen der „Doppelstockdominanz“ – auch im Weltcup konnten nach wie vor beachtliche Erfolge mit reinem Doppelstock und 83% Regel erzielt werden. Der kürzlich imposante Sieg von Petter Eliassen beim Reistadlopet mit gewachsten Skiern vor drei weiteren Läufern in der klassischen Technik zeigt jedoch, dass auch im Volkslauf bei gewissen Streckenprofilen (viele lange Anstiege, mit nur wenigen langen Flachpassagen) die reine Verwendung der Doppelstocktechnik nicht immer die Strategie zum Erfolg ist. Ich kann hier guten Gewissens spekulieren, dass auch ohne 83% Regel dasselbe Ergebnis herausgekommen wäre. Die Befürchtung mancher, dass die neue Regel zu Überbelastungen im Rückenbereich führen könnte, kann für mich nur bedingt nachvollzogen werden. Die aktuelle moderne Doppelstocktechnik hat sich in den letzten Dekaden enorm gewandelt – im Jahr 2000 wurde noch mit extrem tiefer Oberkörperpositionen (Kopf teilweise unterhalb der Hüfthöhe) während der Bodenkontaktphase gearbeitet; hingegen die moderne Doppelstocktechnik ist gekennzeichnet durch geringere Rumpfflexionswinkel (z.T. nur bis 45° zur Horizontalen) jedoch raumgreifende Stockpositionierung (Körperschwerpunkt, und Stockspitzen werden in Abhängigkeit des Geländes weit vorne eingestochen – zum Teil fast vertikal im flachen Gelände) und aktiver Einsatz des Unterkörpers sowohl während des Stockkontaktes als auch bei der Repositionierung in der Schwungphase. Bei Verwendung der „alten“ Doppelstocktechnik denke ich, dass die Stocklängenverkürzung zu Problemen führen könnte (wobei anzumerken ist, dass diese alte Technik grundsätzlich viel belastender erscheint), bei der modernen Technik sehe ich diese Problematik nicht. Für mich persönlich hat die Stocklängenänderung nichts verändert, außer dass ein Freiheits- und Unsicherheitsgrad beseitigt wurde. Demnach, laufe ich mit fast exakt 83% der Körpergröße langen Stöcken und es gibt kein Experimentieren mehr.

Und was ist eure Meinung zu dem Thema? Welche Erfahrungen habt ihr in der vergangenen Saison gemacht? Über die Kommentarfunktion unter diesem Artikel könnt ihr es uns und allen Lesern mitteilen.