Keine deutschen Kunden bei Humanplasma

Blutbeutel © Digiom

Kurz vor Beginn der Olympischen Spiele war in einer ZDF Dokumentation zum Thema Doping von ÖOC-Präsident Karl Stoss behauptet worden, es gäbe eine Liste von Humanplasma-Kunden, auf der sich auch deutsche Athleten befänden. Darauf antwortete das Unternehmen nun in einem offenen Brief.

Wir veröffentlichen hier diesen Brief der Humanplasma-Unternehmensleitung ungekürzt:

Wien (ots) – Sehr geehrter Herr Präsident,

ein deutscher Fernsehsender hat Sie im Vorfeld der Olympischen Winterspiele von Vancouver mit legitimen und naheliegenden Fragen zur Blutdoping-Affäre in Österreich konfrontiert.

Statt offen und ehrlich Auskunft über Ihren Einflussbereich zu geben, haben Sie im Interview behauptet, von einer dubiosen „Liste“ zu wissen. Auf dieser Liste sollen „auch eine ganze Menge von deutschen Sportlerinnen und Sportler“ stehen, die angeblich bei Humanplasma waren. Diese Behauptung ist falsch. Nach allen uns vorliegenden Informationen waren keine deutschen Sportlerinnen und Sportler zur Blutabnahme bei Humanplasma.

Mit Ihren Spekulationen erwecken Sie aber den Eindruck, Humanplasma habe nicht längst mit diesem Kapitel der Vergangenheit abgeschlossen, das Unternehmen würde Informationen zurückhalten und damit die Aufklärung der Blutdoping-Affäre behindern. Das hat mit der Realität nichts zu tun.

Sie schließen sich damit aber jenen Stichwortgebern an, die über mögliche „Dunkelziffern“ beim Umfang der Blutabnahmen spekulieren oder die behaupten, Humanplasma schütze oder decke Strukturen von Blutdoping in Österreich. Auch die anhaltende Darstellung von Humanplasma als zentrale Doping-Drehscheibe ist einer konsequenten Aufarbeitung von Zusammenhängen nicht dienlich, sondern kontraproduktiv.

Wir sehen uns angesichts Ihrer Behauptungen dazu gezwungen, erneut und mit Nachdruck darauf hinzuweisen, dass Humanplasma den Ermittlungsbehörden (konkret der damaligen SOKO Doping) sämtliche Informationen über das Zustandekommen, den Ablauf und den Umfang von Blutabnahmen für Sportler offengelegt hat.

Dabei haben wir der SOKO selbstverständlich auch Namen genannt:

– Im Sommer 2003 traten die Herren Walter Mayer und Martin Kessler
mit der Bitte an Humanplasma heran, Blutabnahmen für die von
ihnen vertretenen Ausdauersportler durchzuführen.
– Dabei haben diese ausdrücklich darauf verwiesen, dass solche
Abnahmen (und Blutdoping insgesamt) in Österreich völlig legal
und seit langem geübte Praxis seien.
– In der Folge organisierte dann insbesondere Walter Mayer
Blutabnahmen für von ihm betreute Sportler (nicht nur für
Wintersportler).
– Etwa Anfang 2005 übernahm Stefan Matschiner diese Rolle von
Walter Mayer.
– Humanplasma hat Anfang 2006 die Blutabnahmen nach der Razzia in
der Unterkunft der ÖSV-Sportler bei den Olympischen Winterspielen
von Turin beendet.
– Im Zeitraum von Ende 2003 bis Anfang 2006 haben die drei
genannten Personen (Walter Mayer, Martin Kessler und Stefan
Matschiner) – und NUR diese – insgesamt für etwa 30 Sportler
Blutabnahmen bei Humanplasma organisiert.
– Diese Organisation umfasste insbesondere die Vereinbarung und Koordination von Terminen, die Begleitung der Sportler zu den Blutabnahmen, sowie die Abholung der Konzentrate für die spätere Rücktransfusion vor Wettkämpfen.

Auch wenn Humanplasma niemals Sportler aktiv dazu angesprochen und die Blutabnahmen Anfang 2006 (und damit lange vor Inkrafttreten des österreichischen Antidopinggesetzes) eingestellt hat, erklärte das Unternehmen bereits mehrfach und unzweideutig, dass diese Abnahmen aus heutiger Sicht ein Fehler waren. Wir bedauern, der damaligen Bitte um Hilfe für „Chancengleichheit“ entsprochen zu haben.

Humanplasma hat seine Beteiligung an der so genannten „österreichischen Blutdoping-Affäre“ auch insofern abgeschlossen, als die verfügbaren Informationen längst den ermittelnden Behörden zur Verfügung gestellt wurden.

Unabhängig davon sind wir nach wie vor der Auffassung, dass die rechtliche und ggf. sportrechtliche Bewertung von Dopingaktivitäten individueller Sportler Sache der rechtsstaatlich zuständigen Behörden und Gerichte ist. Wir werden daher die Namen der Sportler weiterhin weder in der Öffentlichkeit nennen noch diskutieren.

Wir stehen allerdings auch nicht für eine – wie Sie in „Der Standard“ vom 6. Februar 2010 zitiert werden – „schlampige“ Bewältigung der österreichischen Doping-Vergangenheit zur Verfügung. Diese Affäre hat vor 2003 begonnen, und sie wurde nach 2006 fortgeführt. Hinsichtlich Umfang und Zeitraum der Blutabnahmen bei Humanplasma gibt es keinen Aufklärungsbedarf. Die „Vergangenheitsbewältigung“ scheitert also keinesfalls an einer mangelnden Informations- oder Aufklärungsbereitschaft von Humanplasma.

In Ihren Aussagen gegenüber dem ZDF (Mission Gold, 10.02.2010) konnten wir hingegen keinerlei Bemühen um eine aufrichtige Aufarbeitung der österreichischen Blutdoping-Affäre erkennen. Wenn Sie als Präsident des Österreichischen Olympischen Comités den Eindruck erwecken, Blutdoping oder Doping in Österreich lasse sich auf das Stichwort „Humanplasma“ reduzieren, dann werden Sie Ihrer Verantwortung für die Bewältigung der österreichischen Doping-Vergangenheit nicht gerecht.

Humanplasma stellt lebensrettende Arzneimittel sowie Plasma zur Herstellung hochwertiger biologischer Medikamente zur Verfügung und wird diesem wichtigen Versorgungsauftrag auch in Zukunft mit vollem Einsatz nachkommen.

Die Unternehmensleitung