Langlauf: Deutsche Damen-Staffel holt sensationell Silber bei Olympischen Spielen

Katherine Sauerbrey (GER), Katharina Hennig (GER), Victoria Carl (GER), Sofie Krehl (GER), (l-r) © Modica/NordicFocus

Das deutsche Staffel-Quartett Katherine Sauerbrey, Katharina Hennig, Victoria Carl und Sofie Krehl haben die große Sensation nur knapp verpasst. Dennoch ist die Silbermedaille hinter Russland ein großer Triumph für das junge Team von Peter Schlickenrieder. Es ist die erste deutsche Staffel Medaille seit Sochi 2014… 

Stupak attackiert, Sauerbrey läuft ran

Anne Kylloenen (FIN), Katherine Sauerbrey (GER), Maja Dahlqvist (SWE), (l-r) © Modica/NordicFocus

Trotz etwas Neuschnee bis in den Nachmittag hinein waren heute keine großen Materialprobleme bei den Nationen zu beobachten. Erste Akzente setzte die Russin Yulia Stupak, die das Feld in der ersten Runde anführte, während Katherine Sauerbrey wie gewohnt defensiv anging, sich aber schon vor dem höchsten Punkt immer weiter nach vorne arbeitete. „Ich muss mit den Besten ankommen, vielleicht kann ich sogar eine Lücke reißen“, hatte die 24-jährige Neuentdeckung vor dem Start gesagt. Auf dem Plateau attackierte Stupak und löste sich aus der zu diesem Zeitpunkt noch zehnköpfigen Gruppe. Unten im Stadion hatte sie einen Vorsprung von zwölf Sekunden. Dann kam die Zeit von Kate Sauerbrey: Die Thüringerin setzte sich im Anstieg aus der Gruppe ab und machte sich allein auf die Verfolgung der Russin, deren Vorsprung immer kleiner wurde. Etwa zu der Zeit von Sauerbreys Attacke ereignete sich in der Gruppe, die sich zu organisieren versuchte, ein Sturz mit der norwegischen Startläuferin Tiril Udnes Weng und Lettlands Patricija Eiduka. Bestrafungen von der Jury gab es für die Kollision nicht, aber für Lettland war der Tag in der Spitzengruppe damit beendet, während Norwegen innerhalb kurzer Zeit wieder heranlief, so dass der Sturz nicht rennentscheidend war. Finnlands Anne Kyllönen und die 41-jährige Masako Ishida lagen damit gemeinsam an dritter Stelle, während die anderen Teams einige Sekunden Abstand hatten. Bis zum ersten Wechsel hatte Katherine Sauerbrey die Lücke zu Russland geschlossen, so dass sie quasi gemeinsam wechselten. Wenige Minuten später war sie im Interview noch ganz aufgedreht: „Das ist unglaublich. Ich habe alles gegeben und gekämpft. Die Olympischen Spiele sind nur alle vier Jahre. Das ist einfach krass, mir fehlen die Worte. Ich drücke den Mädels jetzt die Daumen, da ist viel drin heute! Ich kann es jetzt kaum erwarten, am liebsten würde ich die Zeit vorspulen. Es motiviert, so nah dran wie heute waren wir schon lange nicht.“

Hennig setzt sich ab

Katharina Hennig (GER) © Modica/NordicFocus

Katharina Hennig lag damit in einer perfekten Ausgangsposition zum Attackieren, zunächst bestimmte aber Natalia Nepryaeva das Geschehen, während sich die Sächsin sich an ihren Plan aus dem Einzel hielt und nicht zu schnell anging. Dahinter bildete sich eine dreiköpfige Verfolgergruppe mit Johaug, Andersson und Matintalo mit mehr als 20 Sekunden Rückstand, während die Schweiz und die USA das Tempo in der zweiten Runde nicht mehr mitgehen konnten. Im Anstieg der zweiten Runde übernahm vorne auch Katharina Hennig das Kommando und setzte sich vier Sekunden von Nepryaeva ab. Mit diesem Abstand kam sie auch zum Wechsel, die Gruppe weiter mehr als 20 Sekunden dahinter. Nach den Leistungen aller Nationen in den ersten Olympia-Entscheidungen hatte sich das deutsche Team berechtigte Hoffnungen auf die Bronzemedaille gemacht und mit der aktuellen Ausgangssituation zur Halbzeit konnte Hennig nach ihrem Wechsel auf Victoria Carl gar nicht mehr Still stehen: „Ich renne hier rum wie Falschgeld, ich bin so aufgeregt! Ich weiß nicht, ob ich schon mal so nervös war. Wir hätten es uns so verdient. Kate hat Nerven bewiesen und hat die Lücke schnell wieder geschlossen. Jetzt hoffe ich und schicke der Sofie zusammen mit der Vici noch viel Kraft“, sagte sie im ZDF.

Carl lässt Sorina stehen

Victoria Carl (GER), Tatiana Sorina (ROC), (l-r) © Modica/NordicFocus

Diese Kraft brauchte Victoria Carl auch, denn die schneller angehende Tatiana Sorina hatte die kleine Lücke schnell wieder zugelaufen. Auch die formschwache Helene Marie Fossesholm büßte die von Johaug vor dem Wechsel herausgeholten drei Sekunden schnell wieder ein und sie reihte sich am Ende der Gruppe ein, wo sie zu Beginn um Anschluss kämpfen musste. Victoria Carl blieb bei der Teamtaktik des langsamen Angehens und ließ Sorina am Anstieg laufen, schloss die Lücke auf dem Plateau aber sofort wieder. Das wiederholte sich in der zweiten Runde, wo die Russin ihren kleinen Vorsprung erneut nicht behaupten konnte. Dann attackierte die Thüringerin auch noch und lief ihrerseits bis zum Wechsel fünf Sekunden Vorsprung heraus. Dahinter konnte sich Fossesholm leicht von Kerttu Niskanen lösen, nachdem zuvor Frida Karlsson einen erneuten Einbruch erlebt hatte.

Silber für deutsche Damen

Sofie Krehl (GER), Katherine Sauerbrey (GER), Katharina Hennig (GER), Victoria Carl (GER), (l-r) © Modica/NordicFocus

Nun hing alles an Sofie Krehl, die schneller anging als die in Interviews sehr selbstbewusste Veronika Stepanova, die sich selbst mit ihren 20 Jahren schon als großen Star sieht. „Denk an den Plan!“ bremste Trainer Erik Schneider seine Athletin. Nach dem höchsten Punkt gelang es der jungen Russin, die Lücke zu Sofie Krehl langsam wieder zu schließen, so dass beide gemeinsam in ihre letzte Runde gingen. Im Anstieg liefen beide zeitweise Seite an Seite, bis die Russin die Spitze übernahm und eine Lücke riss. Oben warf Sofie Krehl sogar einen Blick über die Schulter, so dass klar war, dass Gold den Russinnen nicht mehr zu nehmen sein würde. Die Verfolger waren zu diesem Zeit noch 13 Sekunden hinter der Deutschen, kamen aber immer näher. Während Stepanova jubelnd in die Arme ihrer Teamkolleginnen fuhr, wurde es dahinter richtig spannend. Krehl kämpfte sich den letzten Anstieg hinauf und durchs Stadion und rettete schließlich zwei Sekunden ihres Vorsprungs im Ziel. Gold zwar knapp verloren, aber definitiv Silber gewonnen! Der Jubel des deutschen Quartetts um die völlig erschöpfte Schlussläuferin fiel deutlich lauter aus als der der Russen. „Ich freue mich brutal, das ich das ins Ziel gebracht habe. Es war sehr aufregend, den anderen zuzuschauen, wie gut die drauf waren und ich habe dann einfach alles gegeben und alles versucht, was ich konnte und ich bin total froh, dass es zu einer Medaille gereicht hat“, freute sich Sofie Krehl im ZDF-Interview. Zu ihren Gedanken und Gefühlen beim Überqueren der Linie sagte sie: „Wir haben es geschafft! Ich habe gar nichts mehr gedacht, ich war von allen Kräften verlassen. Aber ich war einfach nur happy.“ Startläuferin Sauerbrey meinte: „Ich denke, wir haben alle einen riesengroßen Job gemacht. Ich bin wahnsinnig stolz auf uns alle und gerade auf Sofie, die das Ding dann reingebracht hat.“ Katharina Hennig lobte vor allem das Material: „Ganz klar, unsere Techniker haben heute einen riesen Job gemacht. Die Medaille war Teamarbeit, nicht nur die Techniker, sondern vom ganzen Team.“ „Es war unglaublich, heute hat einfach alles gepasst! Heute war alles bei 100%!“, so Victoria Carl. 

Gold für Russland, Bronze für Schweden

Katherine Sauerbrey (GER), Katharina Hennig (GER), Victoria Carl (GER), Sofie Krehl (GER), Yulia Stupak (ROC), Natalia Nepryaeva (ROC), Tatiana Sorina (ROC), Veronika Stepanova (ROC), Maja Dahlqvist (SWE), Ebba Andersson (SWE), Frida Karlsson (SWE), Jonna Sundling (SWE), (l-r) © Modica/NordicFocus

Wegen einer bärenstarken Veronika Stepanova, der jüngsten Langlauf-Olympiasiegerin aller Zeiten, ging der Olympiasieg an die Russinnen. „Egor Sorin und ich haben darüber gesprochen, wie ich mich verhalten soll. Auf der zweiten Runde habe ich mich dann sehr stark gefühlt und die Deutsche fiel zurück. Jeder Ruf der Trainer war eine neue Motivation. Ich mag es, dass Rennen schon vor der Ziellinie zu entscheiden“, sagte Veronika Stepanova. Ihre erfahrenen Teamkolleginnen hatten mehr Probleme mit den überraschend starken DSV-Damen. „Es war eine Überraschung, dass wir zusammen mit den Deutschen gewechselt haben, aber das war nur zu meinem Vorteil“, sagte Tatiana Sorina. „Ich wollte in den Abfahrten zusammenarbeiten. Ich wollte in den Anstiegen angreifen, konnte in den Abfahrten aber nicht dranbleiben. Vielleicht waren die Ski nicht so gut oder ich wurde unsicherer in den Abfahrten. Ich hatte mir eine viel höhere Aufgabe gestellt, ich wollte mich absetzen.“ Im Kampf um Bronze setzten sich die Schwedinnen durch, die mit den zwei Sprinterinnen Maja Dahlqvist und Jonna Sundling auf Position eins und vier ein Risiko eingegangen waren, aber mit der schwachen Charlotte Kalla auch keine wirkliche Alternative hatten. Finnland musste sich mit Schlussläuferin Krista Pärmäkoski mit Platz vier begnügen vor den in Peking zu schwachen Norwegerinnen mit Schlussläuferin Ragnhild Haga, die sogar überlegt hatten, sich Tiril Eckhoff auszuleihen. Jessie Diggins versuchte als Schlussläuferin wegen ausreichendem Abstand nach hinten alles, um die Lücke zu schließen, musste aber in der zweiten Runde einen Einbruch hinnehmen, was aber nichts an Platz sechs änderte. Nachdem Johaug in dieser Saison schon mehrfach Ärger mit Russinnen hatte, beschwerte sie sich nach dem Rennen über Schweden und Finnland (Andersson und Matintalo). Beide wären ihr immer wieder auf die Skienden getreten. „Sowohl Schweden als auch Finnland sind mir immer wieder hinten drauf getreten. Da war ich etwas verärgert. Das hilft denen doch auch nicht weiter, anderen hinten drauf zu laufen“, sagte sie beim NRK. Als die Schwedinnen darauf angesprochen wurden, meinte Dahlqvist: „Aber das macht doch jeder!“ Ebba Andersson war etwas selbstkritischer: „Das muss ich zugeben, das getan zu haben, weil ich einen großen teil des Rennens hinter ihr war. Aber das gehört doch einfach dazu! Es ist einfach schwer, dieselbe Frequenz wie die andere zu laufen. Wir sind unterschiedliche Menschen, die einen unterschiedlichen Rhythmus laufen.“ Auch Nepryaeva klagte später über das ständige Auflaufen von Hennig. 

Schweizerinnen solide Siebte

Alina Meier (SUI) © Modica/NordicFocus

Die Schweizerinnen hatten ihr Team in der Reihenfolge Laurien van der Graaff, Nadine Fähndrich, Nadja Kälin und Alina Meier aufgestellt, um am Anfang vorne dabei zu sein und damit Van der Graaff und Fähndrich noch einmal eine Generalprobe im klassischen Stil vor dem Teamsprint hatten. Beide hielten in der ersten Rennhälfte gut mit. Dann mussten das Quartett aber erwartungsgemäß einen größer werdenden Rückstand hinnehmen und belegten schließlich Rang sieben mit drei Minuten Rückstand – immerhin deutlich vor dem folgenden Duo mit Italien und Kanada.

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