Olympische Spiele in PyeongChang: Alles Wissenswerte im Überblick

XXIII. Olympic Winter Games Pyeongchang 2018 © Modica/NordicFocus

Die Olympischen Spiele in PyeongChang sind bereits wieder Geschichte. Wir werfen einen Blick zurück auf 16 spannende Langlauf-Tage in Korea …

 

Olympische Wohnungen wie neu

Am Olympischen Dorf in den Bergen PyeongChangs gab es nichts zu klagen. Untergebracht waren die Athleten in sieben Hochhäusern – alles nagelneu. Eigentlich eine super Sache, wäre da nicht das Nachhaltigkeitskonzept. „Die Wohnungen sind alle eingepackt. Wir laufen auf abgedecktem Boden“, hieß es während der Spiele von deutschen Sportlern und auch von Athleten anderer Nationen. Der Grund dafür ist, dass die Wohnungen nach den Spielen verkauft werden und dann natürlich keine Gebrauchsspuren haben sollen. Darum durften die Sportler, die in den einzelnen Wohnungen in einer Art WG zusammenlebten, auch die Küche nicht nutzen. Die ist ebenfalls komplett verpackt und nicht einmal ans Wassernetz angeschlossen. „Schade“, fanden die Bewohner während ihrer drei Wochen in dem Neubau.

 

Teresa Stadlober und ihr Blackout

Theresa Stadlober verläuft sich (rote Linie), Krista Pärmäkoski läuft geradeaus weiter (blaue Linie) © Screenshot TLC

Eine dramatische Szene, die lange in Erinnerung bleiben wird, ereignete sich am letzten Olympiatag: Selten hat es im Ziel einen so großen Medienwirbel wegen einer Neuntplatzierten im olympischen Langlaufrennen gegeben wie am Sonntag um Teresa Stadlober, die durch ihr Verlaufen plötzlich für jede Medienanstalt von Interesse war. Mehr als 20 Medienanfragen aus dem In- und Ausland kam sie gefasst und lächelnd nach – bis ihr Vater und Trainer Alois Stadlober auftauchte und sie ihm weinend in die Arme fiel: „Ich habe nicht gewusst, ob ich lachen oder weinen soll“, sagte sie und erklärte, was passiert war. „Ich bin oben auf der Kuppe rechts rübergezogen und habe von rechts die zweite Spur genommen. Erst von oben habe ich dann gesehen, dass in der Coachingzone keine Betreuer stehen, sondern nur ein Volunteer. Dann drehte ich mich um und sehe: Scheiße, falsch gelaufen!“ Während die 25-Jährige noch überlegte, schrie Langlauf-Direktor Markus Gandler in 150 Meter Entfernung sich die Seele aus dem Leib: „‚Teresa, du bist falsch!‘ Ich habe geschrien wie ein Trottel, habe sogar Kopfweh vor lauter Schreien und wegsprinten. Sie hat mich nicht gehört und es dann erst oben im Anstieg gemerkt. Es gibt kein anderes Wort als: ‚Scheiße, dass das passiert ist!'“. Das Rennen zu beenden, war dann sehr schwer für die Österreicherin: „Weil das einfach peinlich ist. Die Strecke muss man kennen und man sieht ja: So viel Presse will mit mir reden und jeder fragt, was los war.“ Offenbar war die Strecke an dieser Stelle aber auch nur unzureichend beschildert – farbige Markierungen in Rot oder Blau fehlten an dieser Kreuzung, es gab nur Reisigzweige, die oben vor der leichten Abfahrt jeweils zwei Spuren von einander trennten. Letztlich war sie dann später im Stadion so verunsichert, dass sie glaubte, sich wieder verlaufen zu haben. „Ich hoffe, dass mir das jetzt nicht mehr passiert. Ich hoffe, dass ich es schnell abhaken kann. Es wäre heute mein Tag gewesen, aber im Endeffekt war es nicht mein Tag.“ Nach ihrem unfreiwilligen Umweg von etwas mehr als 400 Metern kam sie vor Heidi Weng wieder zurück auf die Strecke – ausgerechnet Heidi Weng, die einen solchen Blackout ja auch schon erlebt hat. Aber dass es nun bei Teresa Stadlober ausgerechnet bei den Olympischen Spielen passiert ist, ist besonders ärgerlich: „Wäre es eine WM sagst du: ‚Naja, dann vielleicht in zwei Jahren!“ Großes Ziel ist nun die Heim-WM in Seefeld – auch wenn der 30er da leider nicht klassisch gelaufen wird… Alles mit ansehen, nichts tun können und dennoch einigermaßen die Contenance wahren musste Vater Alois Stadlober, der ausgerechnet bei diesem Wettkampf beim ORF als Co-Kommentator am Mikrofon saß und die Welt nicht mehr verstand. „Sie ist sich verlaufen, da ist irgendwas passiert. Du bist falsch! Sie ist falsch gelaufen, scheiße verdammte Hütte noch einmal“, rief er entsetzt ins Mikrofon und kam auch später kaum zur Ruhe wegen der verpassten Chance in ihrer „Traumform“. So schlimm dieses Malheur für Teresa, ihre Familie, das ÖSV-Team und auch ganz Österreich war, die noch nie eine olympische Medaille mit ihren Langlauf-Frauen geholt haben – Krista Pärmäkoski, die das falsche Abbiegen unmittelbar vor ihr bemerkt hatte und offenbar keine Anstalten machte, die Österreicherin zurückzurufen, zeigte eher wenig Mitgefühl: „Es tut mir leid für Teresa, aber dann habe ich gewusst, dass für mich eine Medaille möglich ist.“ Marit Bjørgen drückte dagegen ihr Bedauern aus: „Das ist so schade, ich dachte, sie ist unterwegs zu ihrer ersten Medaille. In den nächsten Jahren wird man sicher noch viel von ihr hören.“ Im Gegensatz zur später Drittplatzierten Stina Nilsson wurde die Norwegerin von dem Fauxpas unterrichtet: „Als ich von ihrem Fehler gehört hatte, war ich selbst auch viel vorsichtiger.“

Bjørgen und Norwegen auf Rekordjagd

Marit Bjoergen (NOR) © Modica/NordicFocus

Marit Bjørgen selbst war aber nicht mehr einzuholen und stellte im Laufe der Spiele einen Rekord nach dem nächsten auf. Die Norwegerin ist nun die erfolgreichste Winter-Olympionikin aller Zeiten mit 15 gewonnenen Medaillen, davon acht Goldene, die sie mit Bjørn Dæhlie und Biathlet Ole Einar Bjørndalen gleichziehen ließen. Mit ihrem Titel im Massenstart sorgte sie für die insgesamt 14. Goldene für Team Norwegen, was auch ein Rekord ist, so dass die Skandinavier damit im Gesamt-Medaillenspiegel noch an Deutschland mit 13 Olympiasiegen vorbeizog. Bei diesem möglicherweise letzten Erfolg ihrer Karriere bekam sie allerdings im Vorfeld Hilfe von außen. Die dopinggesperrte Therese Johaug hatte der erfahrenen Marit Tipps gegeben, wie sie das Rennen auf dieser Strecke anzugehen hat – Johaug hatte sich letztes Jahr lange hier auf die Olympischen Spiele vorbereitet und die Strecken gründlich analysiert, bevor ihre Sperre bis Ende dieser Saison verlängert wurde. „Wir haben ein bisschen über technische Dinge gesprochen, ich sollte mir Kräfte in den Anstiegen aufsparen und lieber in den leichteren Stücken reinhauen und da habe ich gegenüber den anderen am meisten Zeit herausgeholt“, erzählte Marit später. Die 37-Jährige gewann fünf Medaillen in PyeongChang 2018, was bisher nur zehnmal bei denselben Olympischen Spielen gelang, darunter auch ihr selbst im Jahre 2010. Doch nicht nur Marit Bjørgen ist verantwortlich für die insgesamt norwegischen 14 Langlauf-Medaillen (7-4-3) in Korea, neben ihr trugen sich auch Simen Hegstad Krüger, Ragnhild Haga, beide Staffeln, das Teamsprint-Duo Sundby/Klæbo und natürlich Johannes Høsflot Klæbo in die Liste der Olympiasieger ein. Zumindest am Anfang waren es „Olympische Spiele der Überraschungen“, wie Ragnhild Haga sagte, und so kam es, dass die Familie des neuen Skiathlon-Olympiasiegers Simen Hegstad Krüger gar nicht miterlebte. Nach seinem Sturz früh im Rennen verließen Mutter und Schwester das Haus und hörten nur im Autoradio, was ihr Sohn und Bruder noch leistete – danach buchten Familie und Freunde dann schnell die Tickets und waren zu seiner Paradedisziplin über 15 Kilometer Freistil vor Ort, um ihn diesmal zu unterstützen.

Dario Cologna schreibt Geschichte

Dario Cologna (SUI) © Modica/NordicFocus

Aus deutschsprachiger Sicht ist selbstverständlich der Titelgewinn von Dario Cologna der größte Erfolg bei diesen Spielen. Der Bündner dominierte die 15 Kilometer nach Belieben und war im Ziel in Tränen aufgelöst: Nun ist er gemeinsam mit Skispringer Simon Ammann mit vier olympischen Golmedaillen der erfolgreichste Schweizer Olympionike aller Zeiten und ist der erste, der an drei aufeinanderfolgenden Olympischen Spielen jeweils dieselbe Distanz, also die 15 Kilometer, gewann. „Das war nicht so schlecht – es war einfach großartig! Es war sehr harte Arbeit und ich wollte unbedingt gewinnen wie in Vancouver und Sochi. Ein kleines bisschen Geschichte zu schreiben, ist nicht so schlecht“, meinte er. Zuvor hatte er im Ziel von in Bjørn Dæhlie-Manier auch noch auf den letzten Exoten, den Mexikaner German Madrazo, gewartet und ihn im Ziel begrüßt – ganz wie der Norweger damals mit Philipp Boit aus Kenia. Mit der angestrebten Goldmedaille im 50 Kilometer-Massenstart ist es allerdings wie verhext – nie will es für den Schweizer klappen. Zwar kam ihm diesmal kein Sturz in die Quere wie 2010, kurz vor dem Ziel an dritter Stelle liegend, oder wie 2014, als er in der Spitzengruppe im letzten Anstieg zu Fall kam. Diesmal war der Schweizer nicht in der Lage, den Ausreißversuch des späteren Olympiasiegers Iivo Niskanen zu verhindern und konnte später auch nicht mit der Verfolgergruppe mitgehen, die noch um Bronze kämpfte.

Licht und Schatten in Team D

Thomas Bing (GER) © Modica/NordicFocus

Auch wenn das deutsche Langlauf-Team alles auf eine Team-Medaille ausgerichtet hatte, zogen sie doch immer wieder den Kürzeren. „Man fährt zu Olympia, um Medaillen zu holen. Es heißt zwar ‚Dabeisein ist alles‘. Aber wenn man sieht, wie so viele Deutsche Medaillen gewinnen, denkt man sich ‚Warum wir nicht?‘ Darum waren die Erwartungen in der Staffel auch sehr hoch“, erklärte Lucas Bögl. Natürlich hätte für einen Erfolg auch alles passen müssen, außerdem hätten die Gegner „mithelfen“ und Schwächephasen haben müssen. Stattdessen hatte das deutsche Team seine Schwächen, was zu sechsten Plätzen in den Staffeln und zehnten Plätzen in den Teamsprints führte. Bei Nicole Fessel war ihre Kehlkopf- und Stimmbandentzündung, die sie wochenlang handicapte, daran Schuld, dass sie nur ein einziges Rennen mit dem Teamsprint laufen konnte, der für sie viel zu früh kam. Bei Sebastian Eisenlauer, Andi Katz und Steffi Böhler ist der Einbruch natürlich auch extrm schade, weil er eine ganze Teamleistung nach unten zog, aber zumindest die Männer konnten sich im Einzel über gute Leistungen freuen – und Steffi Böhler am Schlusstag auch noch. Insgesamt zeigten gerade die Sportler bei ihren ersten Olympischen Spielen die besten Leistungen. Bei den Damen sind da Katharina Hennig und Victoria Carl zu nennen, die immer wieder ihr Talent zeigten, bei den Herren neben Andi Katz auch Thomas Bing und Lucas Bögl mit mehreren starken Rennen – auch wenn bei beiden bei der abschließenden Königsdisziplin dann der Akku leer war. „Wir haben natürlich den Fokus auf die Teamwettbewerbe gelegt und damit können wir nicht zufrieden sein, das müssen wir ganz klar sagen. Aber wir haben Einzelresultate gesehen, vor allem von den jüngeren Athleten, die schon in die Richtung zeigen, wo wir hinwollen. Auch bei den Männern mit Bing und Bögl können wir optimistisch in Richtung Zukunft schauen, aber wir müssen arbeiten und das in Ruhe analysieren, was hier passiert ist und die richtige Schlussfolgerung ziehen und konsequent weiterarbeiten“, lautete das Olympia-Fazit von Andreas Schlütter.

Gute Stimmung hat Seltenheitswert

Wenig Stimmung auf den Tribünen © Modica/NordicFocus

Über 8 Milliarden Euro hat es gekostet, die Spiele an den Kältepol Koreas zu bauen, wo die unwirtlichen Bedingungen nach der Anreise und während der ersten Wettkampfwoche für Absagen, Verschiebungen und noch geringere Zuschauerresonanz sorgte. Aber gute Stimmung kann man sich nicht kaufen. Und wenn Olympia wieder vorbei ist bleiben die Ruinen. Immerhin: Das Stadion bauen sie gleich wieder ab beziehungsweise richten laut neuester Pläne in einem Teil des Olympiastadions ein Olympiamuseum ein. Die Stimmung bei den für südkoreanische Verhältnisse „exotischen“ Sportarten, darunter auch Skinglauf, hätte besser sein können – war aber besser als in Sochi, wie man im Laufe der Spiele von dem einen oder anderen Team D-Sportler hörte. „Asiaten sind eher ruhig und zurückhaltend“, erklärte ein in Korea lebender deutscher Zuschauer die oft schlechte Stimmung trotz mehr oder weniger gut gefüllter Tribünen. Die beste Stimmung der Langlauftage herrschte fast zu Beginn des Halbfinals im Teamsprint, als Magnus Kim, in Norwegen lebendes Nachwuchstalent (zweimal Gold bei Olympischen Jugendspielen) mit norwegischem Vater und südkoreanischer Mutter, im ersten Anstieg attackierte und auch noch als Erster ins Stadion einlief. Damit hatte er sein Ziel erreicht, denn sein Namensvetter Eunho Kim konnte natürlich nicht mithalten und auch Magnus Kim hatte sein Pulver mit der Attacke schon verschossen. Immerhin war die Stimmung unter den Koreanern so gut wie sonst nie – daran kann auch die Stadionsprecherin mit ihrem häufigen „WE WILL, WE WILL LOCK YOU“-Rufen als Versuch der Stimmungsmache nichts ändern. Der chinesische Startläufer Qiang Wang machte Magnus Kim sein Manöver 1:1 nach – Olympia 2022 in Peking lässt grüßen….

Olympische Spiele in PyeongChang – alles auf einen Blick

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