Ein Blick zurück auf die Langlauf Weltcup Saison 2021/22

Katherine Sauerbrey (GER), Katharina Hennig (GER), Victoria Carl (GER), Sofie Krehl (GER), (l-r) © Modica/NordicFocus

Auch wenn die Saison 2021/22 ungewöhnlich endete, gibt es dennoch vieles im letzten Langlauf-Winter, auf das es sich zurückzublicken lohnt.

Frühe Normerfüllung bei DSV Nordisch

Katharina Hennig (GER) © Thibaut/NordicFocus

Die Saison begann mit ungewöhnlich starken deutschen Langläufern, die sonst eigentlich erst ab der Tour de Ski in Form kommen, um dort und beim Großereignis ihre Bestleistungen abzurufen. Das war in dieser Saison ganz anders, schon in Ruka konnten sich mit Katharina Hennig, Victoria Carl, Jonas Dobler, Lucas Bögl und Friedrich Moch fünf Deutsche über die volle Erfüllung der Olympianorm freuen, weitere halbe Qualifikationen wurden noch im Dezember erfüllt. Besonders herausragend war Hennig dritter Platz in Ruka: Im Einzelstart und nur 1,5 Sekunden hinter Johaug. Durch die Erfolge konnten immer wieder Trainingsblöcke im Hinblick auf die Olympischen Spiele eingelegt werden, ohne Sorge zu haben, eine Qualifikationsmöglichkeit zu verpassen. International gesehen feierte Maja Dahlqvist im Sprint einen beeindruckenden Siegeszug, der ohne die Verletzung von Jonna Sundling aber so nicht stattgefunden hätte – zumindest nicht durch Dahlqvist.

Tour de Ski: Erstes Podium für Moch

Friedrich Moch (GER) © Modica/NordicFocus

Mit der Tour de Ski stand das erste Highlight der Saison auf dem Programm, bei der sich Johannes Høsflot Klæbo und Natalia Nepryaeva die Gesamtsiege sicherten und damit einen wichtigen Grundstein zum Gewinn des Gesamtweltcups legten. Das Schweizer Team konnte nicht so gut auftrumpfen wie erhofft und Teresa Stadlober konzentrierte sich auf einzelne Etappen, so dass sie die Tour de Ski als Gesamt-Siebte beendete. Erfolgreicher verlief die Tour de Ski für das deutsche Team. Zwar steht Gesamtwertung bei den Damen als Bestleistung ein neunter Platz zu Buche von Katharina Hennig, die damit die Einstellung ihrer Bestleistung nur knapp verpasste und Friedrich Moch beendete seine erste Tour de Ski als sehr guter 14. – noch beachtenswerter sind aber die Einzelresultate wie zwei Top6-Ergebnisse von Hennig, das Erfüllen der Olympianorm mit Platz sechs im Sprint in der Lenzerheide von Coletta Rydzek und vor allem mit dem Durchbruch von Katherine Sauerbrey. Die 24-Jährige qualifizierte sich mit starken Leistungen im Continentalcup für die Tour de Ski, die sie wie geplant beendete. Dabei lief sie mehrfach unter die besten 20 und holte sich die halbe Olympianorm. Aber auch Atonia Fräbel und Lisa Lohmann nähern sich immer mehr der Weltspitze an. Mit einem Paukenschlag beendeten Friedrich Moch und Lucas Bögl die Tour de Ski, indem sie im Massenstart auf die Alpe Cermis als Dritter und Vierter die Linie überquerten. Erwähnenswert ist noch der historische Triumph der Niskanen-Geschwister Kerttu und Iivo, die als erste Langläufer-Geschwister am selben Tag ein Weltcuprennen gewannen.

Olympische Spiele: Silber und Gold für deutsche Damen

Katharina Hennig (GER), Victoria Carl (GER), (l-r) © Modica/NordicFocus

Nach den coronabedingten Absagen der Weltcups in Les Rousses und Planica zwischen Tour de Ski und Olympischen Spielen begann ohne weiteren Leistungsvergleich die Reise ins Ungewisse. Was würde die Athleten im fernen China, einer im Winter sehr kalten und trockenen Region fast ohne natürlichen Schneefall erwarten? Welche Einschränkungen würde es durch die Corona-Pandemie geben? Wer würde mit einer Corona-Infektion ausfallen, nachdem es die Norweger im Trainingslager so schwer erwischt hatte? Vom ungewohnt langsamen Schnee abgesehen war es vor Ort aber nicht so schlimm wie befürchtet – das sagten später viele Athleten. Sportlich begannen die Spiele mit einem österreichischen Paukenschlag, als Teresa Stadlober in der ersten Medaillenentscheidung der Spiele überhaupt zu Bronze lief. Nadine Fähndrich verpasste angepeilte Edelmetall als Fünfte im Sprint, worüber die Schweizerin zutiefst enttäuscht war. Auch sonst blieben die Eidgenossen bei den Spielen medaillenlos. Das deutsche Team lieferte zu Beginn der Spiele gute Leistungen ab, die Medaillen waren jedoch relativ weit entfernt. In der Damenstaffel rechnete man sich leise Hoffnungen auf Bronze aus und vor allem die Klassikläuferinnen Katherine Sauerbrey und Katharina Hennig sorgten mit ihren Attacken dafür, dass dieser Traum später in Erfüllung gehen konnte. Auch Victoria Carl und Sofie Krehl gaben alles für die langersehnte Medaille und lange ging es sogar um Gold, bis Sofie Krehl der talentierten jungen Russin Veronika Stepanova nicht mehr folgen konnte und Staffel-Silber nach Hause brachte. Dass nach dieser tollen Leistung noch mehr folgen könnte, hatte niemand auf der Rechnung gehabt. Der Teamsprint im klassischen Stil war eigentlich mit Katherine Sauerbrey und Katharina Hennig geplant, aber Sauerbrey verzichtete, weil sie sich nicht mehr fit genug fühlte, so dass Victoria Carl einsprang. Nach Vorarbeit von Hennig war sie es dann, die auf der letzten Runde zu einem beeindruckendem Zielsprint ansetzte und die zu diesem Zeitpunkt schon sichere Teamsprint-Medaille vergoldete, nachdem das Duo mit „keinen großen Erwartungen“ angetreten war. Ihrem Teamchef Peter Schlickenrieder machten sie damit das allerschönste Geschenk zum 52. Geburtstag – fast genau 20 Jahre nach seiner eigenen olympischen Silbermedaille. Neben dem DSV-Team waren Therese Johaug mit drei Goldmedaillen in allen drei Distanzrennen sowie Alexander Bolshunov mit ebenfalls drei Titeln im Skiathlon, Massenstart und mit der Staffel die großen Gewinner der Spiele. Aber auch Johannes Høsflot Klæbo wurde Olympiasieger im Sprint sowie im Teamsprint mit Erik Valnes, außerdem triumphierte Iivo Niskanen im Klassik-Einzelstart. Bei den Damen ging der Sprinttitel an Jonna Sundling und Staffel-Gold an die Russinnen.

Kristallkugeln in Abwesenheit an Klæbo und Nepryaeva

Johannes Hoesflot Klaebo (NOR) © Modica/NordicFocus

Mit Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine endete die Weltcupsaison für die ukrainischen Sportler, die sich außerstande sahen, in dieser Situation noch ihren Sport auszuüben. Die Athletinnen und Athleten kehrten wie ihre Kollegen aus anderen Sportarten zu ihren Familien zurück, viele von ihnen verteidigen nun selbst ihr Land gegen die russischen Truppen, manche flüchteten inzwischen. Wenige Tage später endete die internationale Wettkampfsaison auch für die russischen und belarussischen Sportler, nachdem Veranstalter und Sponsoren die FIS unter Druck setzten, um ein Startverbot für die Athleten, die größtenteils auch noch Armeeangehörige sind, zu erwirken. Nach dem Ausschluss war die Sorge bei Natalia Nepryaeva groß, sie würde ihre Führung im Gesamtweltcup noch verlieren, weil sie selbst keine Chance mehr hatte, weitere Punkte zu sammeln. Letztendlich spielte der 26-Jährigen ausgerechnet das ersatzlose Streichen des Weltcupfinals im russischen Tyumen in die Karten, so dass die Verfolgerinnen nicht mehr genügend Punkte holten. Viele sagten aber auch: „Sie hat es verdient, sie soll die Kristallkugel gewinnen. Sie hatte so eine starke Saison.“ Dennoch war Nepryaeva und ihr Umfeld bis zum Schluss skeptisch, ob man sie den Gesamtweltcup gewinnen lassen oder ob es möglicherweise weitere Sanktionen gegen Russland geben würde. Aus Falun gab es dann aber beruhigende Nachrichten von der FIS: Man würde ihr die Kristallkugel so bald wie möglich zusenden. Auch Johannes Høsflot Klæbo konnte man die Trophäe wegen seiner Corona-Infektion nicht persönlich übergeben, sein Trainer nahm die Kristallkugel in Falun für ihn im Empfang. Unerwartet wurde es nur eine Kugel für den Norweger, den Sprintweltcup entriss ihm mit zwei Siegen in den letzten zwei Rennen doch noch Richard Jouve, der erstmals diese Wertung gewann. Bei den Damen hatte Maja Dahlqvist die Sprintkugel schon frühzeitig sicher nach ihrer Siegesserie zu Saisonbeginn, als Jonna Sundling verletzt war. Den Distanzweltcup sicherten sich Therese Johaug und Iivo Niskanen.

Time to say Good-Bye: Bisher acht Rücktritte

Charlotte Kalla (SWE) © THIBAUT/NordicFocus

Apropos Therese Johaug: Die Norwegerin gehört zu den vier Athleten, die schon während der Saison ihren bevorstehenden Rücktritt bekannt gaben. Johaug gab in Oslo ihr Karriereende bekannt, die Schweizer Dario Cologna, Laurien van der Graaff und Jovian Hediger kündigten schon vor dem Winter an, dass die aktuelle Saison ihre letzte sein werde. Während im Biathlon ein großer Aderlass zu beobachten ist, ist es bei den Langläufern zwar noch relativ ruhig, aber das wird sich in den nächsten Tagen und Wochen nach Ende der Olympiasaison sicher noch ändern. In den letzten Tagen gaben aber noch vier weitere Athleten ihr Karriereende bekannt. Zunächst der französische Sprinter Baptiste Gros, dann sein Landsmann Adrien Backscheider. Elisa Brocard aus Italien gab ebenfalls das Ende ihrer sportlichen Laufbahn bekannt. Zu Johaug und Cologna gesellt sich aber wenig überraschend ein weiterer großer Name: Charlotte Kalla, die Siegerin der zweiten Auflage der Tour de Ski, mehrfache Olympiasiegerin und Weltmeisterin, beendet ihre erfolgreiche Karriere. Zuletzt hatte sie sich aber wegen schwacher Leistungen nicht mehr immer für das schwedische Team empfehlen können.

DSV-Fazit: „Wir wissen, was zu tun ist“

Peter Schlickenrieder (GER) © Modica/NordicFocus

Für das deutsche Langlauf-Team war es ein sehr starkes Jahr, das mit den beiden olympischen Medaillen gekrönt wurde. Nun zahlt sich die jahrelange Arbeit von Peter Schlickenrieder und seinem Trainerteam langsam aus, nachdem er vor allem in den ersten Wintern nach seinem Start als Langlauf-Teamchef mangels Leistungen immer wieder kritisiert wurde. Er selbst hatte immer wieder darauf hingewiesen, dass so ein Neuaufbau Zeit brauche. Auch nach den Erfolgen dieser Saison hat der 52-Jährige noch Ziele für die Zukunft mit seinen Athletinnen und Athleten: „Für die nächsten vier Jahre bleibt das Ziel, konstant Podestplätze anzuvisieren. Um Akzente setzen zu können, dazu braucht es konditionell eine weiteren Schritt nach vorne, Zweikampf- und Sprintstärke müssen entwickelt werden und dann sind wir absolut konkurrenzfähig. Mitlaufen können wir auch jetzt schon, aber Akzente setzen noch die anderen. Das ist auch gleichzeitig die Aufgabe für die kommenden vier Jahre“, so Peter Schlickenrieder, der wegen der fehlenden Sprintstärke vor allem des Herren-Teams über Janosch Brugger sagte: „Man sieht aber auch bei ihm, wo die Reserven liegen: Im Doppelstock auf der Zielgeraden, wo die Konkurrenz viel athletischer unterwegs ist und viel mehr Power auf die Stöcke bringt. Das steht in den nächsten Jahren auf der To Do Liste.“