Ein Blick zurück: Zwölf spannende Tage Nordische Ski-WM in Lahti

Aussicht von der Salpausselkä-Schanze auf Lahti (FIN) © NordicFocus

Die Nordische Ski-WM ist nach zwölf spannenden Tagen wieder beendet. Die Bedingungen waren oft nicht die Besten durch die warmen Verhältnisse vor allem bei den Einzelrennen und den Staffeln durch fehlenden Salzeinsatz oder Neuschnee, dennoch gab es verdiente Sieger und viele gute Leistungen.

Historische siebte WM in Lahti

Nordische Ski-WM in Lahti (FIN) © NordicFocus

Diese Nordische Ski-WM war in vieler Hinsicht historisch. Nicht nur, dass mit Johannes Rydzek erstmals ein Nordischer Kombinierer alle vier Goldmedaillen abgeräumt hat, die es zu gewinnen gab und Carina Vogt ihren unglaublichen Siegeszug bei Großereignissen fortsetzte – auch die Langläufer sorgten für Einträge in die Geschichtsbücher. Mit den norwegischen Damen gelang es erstmals einer Nation, alle sechs Titel abzuräumen. Bei den norwegischen Herren „gelang“ unfreiwillig das Gegenteil: Erstmals seit 1970 holten sie kein einziges Einzel-Gold – nicht nur im Langlauf, sondern auch generell in diesem Winter in keiner einzigen Schneesportart. Allerdings sorgten die norwegischen Damen für die 100. Goldmedaille Norwegens bei Weltmeisterschaften. Insgesamt holten zwölf Nationen Edelmetall in Lahti, sieben verschiedene im Langlauf.

„Kein perfekter Skilangläufer“?

Martin Johnsrud Sundby (NOR) © NordicFocus

Martin Johnsrud Sundby wartet nach wie vor auf seinen Weltmeistertitel nur für ihn allein und wurde seinem Ruf wieder gerecht, dass es im entscheidenden Moment bei Großereignissen absolut nicht klappen will. Wenn es gar keine Medaille wird, nimmt er auch schon mal gern komplett das Tempo raus, wie im Zielsprint des Massenstarts, wo er Fünfter statt Vierter wurde. Diese Goldmedaille wird ihm nun wohl verwehrt bleiben, da mit einem Karriereende nach den Olympischen Spielen gerechnet wird. Ein großer Langläufer ist er also nicht und wird es vielleicht nie mehr werden – nach seiner eigenen Definition vor der WM: „Du bist kein perfekter Skilangläufer, wenn du nicht einmal WM-Gold gewonnen hast“. Der seit Jahren weltbeste Langläufer hat seine Nerven einfach nicht im Griff und verpasste das große Ziel erneut durch Stürze, Strauchler – und einen überlegenen Iivo Niskanen…

Finnische Herren stark bei Heim-WM

Martin Johnsrud Sundby (NOR), Iivo Niskanen (FIN), Niklas Dyrhaug (NOR), (l-r) © NordicFocus

Überhaupt hatten die Finnen im Jahre ihrer 100-jährigen Unabhänggigkeit von Russland bei ihrer Heim-WM in Lahti allen Grund zum Jubeln – auch wenn es zu Beginn gar nicht so aussah. Medaillenhoffnung Krista Pärmäkoski blieb in ihrem ersten Rennen medaillenlos, das Material passte beim ganzen Team überhaupt nicht, was Anne Kyllönen auch lautstark an die Öffentlichkeit trug. Dann folgte dieser ärgerliche Unfall am Ende des Teamsprints auf dem Weg zum Titel. Sami Jauhojärvi blieb deswegen bei seiner vielleicht letzten WM ohne Edelmetall, während Iivo Niskanen es im Einzelrennen mit Wut im Bauch besser machen konnte und es auch tat. Da konnte auch Martin Johnsrud Sundby nur staunen: „Ich habe gemerkt, dass ich schnell bin und als ich hörte, dass ich 20 Sekunden hinter Iivo bin, konnte ich es nicht glauben. Am Ende denke ich, habe ich eines meiner besten 15 Kilometer-Rennen in klassischer Technik überhaupt gemacht. Ich habe mich das ganze Rennen gut gefühlt, aber der Sieg war heute unmöglich.“ Für den Finnen wurde ein Traum wahr: „Ich habe immer geträumt, eines Tages in Lahti die Nationalhymne singen zu können und dieser Traum wurde wahr. Ich denke, ich bin der glücklichste Mann auf der Welt.“ Zum Abschluss sicherte Matti Heikkinen, der die ganz WM keine gute Form bewiesen hatte, den Gastgebern noch eine Bronzemedaille. Krista Pärmäkoski blieb der große Triumph dagegen verwehrt: Zu stark war Marit Bjørgen.

Norwegerinnen unschlagbar

Maiken Caspersen Falla (NOR), Heidi Weng (NOR), Astrid Uhrenholdt Jacobsen (NOR), Marit Bjoergen (NOR) © NordicFocus

Die Norwegerin hatte im Vorfeld angekündigt, dreimal Gold gewinnen zu wollen. Dank ihrer absolut dominanten Form wurde es sogar viermal Gold – nur im Sprint bremste sie ein Sturz im Viertelfinale aus. Insgesamt ist sie die überragende Athletin dieser Saison – daran hätte wohl nur die dopinggesperrte Therese Johaug etwas ändern können, der sie ihren ersten Titel widmete und dafür viel Unverständnis erntete. Für ihre Teamkollegin Astrid Uhrenholdt Jacobsen waren es die Weltmeisterschaften ihres Lebens. Zwar holte sie schon 2007 Gold im Sprint in Sapporo, diese Bronzemedaillen schätzt sie aber als viel höhere Leistung ein, wie sie mehrfach nach dem Rennen sagte. Eine ganz besondere Leistung war dann auch die zweite Bronzene über 30 Kilometer. Direkt nach dem Start wurde sie von einem Sturz zurückgeworfen und trotz eines geprellten Steißbeins kämpfte sie sich mit Schmerzen durch das Feld nach vorn und später zum Edelmetall. Ein richtig schmerzhaftes Rennen im wahrsten Sinne des Wortes, wie sie später sagte. Sie war kaum in der Lage, auf das Podium zu steigen und bei der Pressekonferenz zu sitzen. Aber trotz aller Erfolge im norwegischen Team mit sechs Titeln in sechs Rennen lief nicht bei allen alles rund. Zwar konnte Heidi Weng noch ein paar Medaillen mitnehmen, obwohl sie teilweise gar nicht laufen wollte, ihre Form war allerdings nicht so gut wie vor den Titelkämpfen. Dass im Training einiges schief gegangen sein muss, merkte man auch an Ingvild Flugstad Østberg, die sich mit ihr gemeinsam vorbereitet hatte und völlig außer Form war. Platz 22, 19 und 8 war die enttäuschende Ausbeute, danach verzichtete sie freiwillig auf weitere Starts.

Schweden hinter den Erwartungen

Charlotte Kalla (SWE) © NordicFocus

Enttäuschend verlief die WM für die Schweden, die sich viel mehr erwartet hatten. Bei den Herren blieb es bei einer Bronzemedaille mit der Staffel dank Zielsprint von Calle Halfvarsson und toller Aufholjagd von Marcus Hellner – allerdings klagten später beide Klassikläufer Daniel Rickardsson und Johan Olsson über extrem langsame Ski, mit denen sie kaum vom Fleck kamen. Charlotte Kalla konnte dann die schwedische Ehre noch etwas retten mit drei Medaillen bei drei Starts (Skiathlon, Einzel und Staffel), war aber mit einige Stürzen und dem Stockbruch kurz vor Ende des Massenstarts auch vom Pech verfolgt. Stina Nilsson hatte zuvor in Sprint und Teamsprint die Hoffnungen enttäuscht. In der Staffel ging zudem der Stern der 19-jährigen Ebba Andersson auf, die als Debütantin ihre Chance bekam, sich wacker schlug und die Mannschaft im Kampf um Silber hielt. Dafür wurde sie später von König Carl Gustav persönlich gelobt, der sein Team vor Ort unterstützte.

Ustiugov erfolgreichster Langläufer

Sergey Ustiugov (RUS) © NordicFocus

Für die norwegischen Herren endeten die Weltmeisterschaften insgesamt in einer Enttäuschung ohne einen Einzeltitel, doch auch für den Russen Sergey Ustiugov begann es zunächst nicht nach Wunsch. Zwar gewann er insgesamt zweimal Gold und dreimal Silber, aber die Sprintniederlage gegen Federico Pellegrino machte ihm ordentlich zu schaffen. Grund genug also, es im nächsten Rennen besser zu machen, was ihm auch gelang mit dem ersten Titelgewinn. Zwar wurde dies durch den Sturz im Anstieg von Martin Johnsrud Sundby begünstigt, der bis heute nicht weiß, wie er es geschafft hat, den rechten Stock unter den linken Ski zu bekommen. Gewonnen hätte Ustiugov den Zielsprint sicher sowieso, wenn Sundby sich nicht hätte absetzen können – aber dennoch verzichtete er fairerweise auf einen großen Jubel im Ziel. Auch im Teamsprint profitierte er bei seinem Gold von einem Sturz, nämlich dem norwegisch-finnischen Crash im Stadion. Übrigens ein Sturz, bei dem die Meinungen geteilt waren. War Emil Iversen schuld, der sich auf die innere Spur drängte, wo kein Platz war und dem Finnen über den Ski gefahren war? Oder hat Niskanen sich innen seinen Weg gesucht und der Norweger durfte die Spur wählen, weil er vorne war? Das Ergebnis bleibt gleich: Gold an Russland, nur Bronze an die Gastgeber. Ein Titel, von dem Trainer Marcus Cramer letztendlich völlg überrascht war: Der Deutsche war als Stockposten außer Sichtweite eingesetzt, hörte nur ein Raunen und war völlig überrascht, als er dann seinen Athleten auf der Zielgeraden in Führung sah. In der Staffel hatte diesmal Ustiugov das Pech, dass die tiefen Neuschneebedingungen ihm alles andere als in die Karten spielten.

Deutsches Team zufrieden

Katharina Hennig (GER), Nicole Fessel (GER), (l-r) © NordicFocus

Das deutsche Fazit fällt ebenfalls sehr positiv aus, auch wenn die erhoffte Medaille ausblieb. Es gab einige gute Ergebnisse – in erster Linie von den Damen durch Steffi Böhler und die jungen Wilden. Aber auch die Herren zeigten mehrere gute Wettkämpfe, hielten es aber dann nach all den gesundheitlichen Problemen in diesem Winter nicht ganz bis zum Ende durch. Dennoch sorgen die Resultate für Zuversicht vor den Olympischen Winterspielen: „Wir haben gute Anschlussleistungen gezeigt und sind optimistisch für die Olympischen Spiele. Wir müssen konsequent weiterarbeiten, Ruhe bewahren und dann kommt auch die erhoffte Medaille“, meinte Andreas Schlütter. „Wenn man die Damen betrachtet, hat Steffi Böhler mit einer sehr guten Form aufgewartet, aber auch die Jungen haben gute Form gezeigt. Bei den Herren möchte ich zwei nennen: Da ist der Flo Notz mit der Einzelleistung inklusive dem 30er und heute Luci Bögl. Aber ich denke, bei den Herren sollte man nicht explizit jemanden rausnehmen. Die haben ihr Ding gemacht in der großen Staffel, wo sie knapp an der Medaille gescheitert sind.“ Das deutsche Team absolvierte die Titelkämpfe nahezu ohne weitere krankheitsbedingte Ausfälle, allerdings musste Sebastian Eisenlauer seine Saison verletzt vorzeitig beenden. Der Alllgäuer stürzte im Halbfinale des Teamsprints in der Lahti-Kurve und kugelte sich dabei die rechte Schulter aus. In der Abfahrt zum Wechsel brachte er unbewusst das Gelenk selbst wieder in die richtige Position und konnte den Renntag mit guter Leistung durch die Adrenalinausschüttung beenden. „Ich spür’s ein bisschen, aber es geht schon“, hieß es von ihm noch vor dem Finale. Am nächsten Morgen konnte er den Arm allerdings vor Schmerzen kaum bewegen, ein MRT brachte die endgültige Diagnose und das Saisonende.

Starke Schweizer ohne Medaillenbelohnung

Curdin Perl (SUI), Calle Halfvarsson (SWE), (l-r) © NordicFocus

Die Schweizer wurden vor den Titelkämpfen von mehreren Hiobsbotschaften erschüttert. Sprinter Roman Schaad fiel nach monatelangen Rückenbeschwerden mit einem Bandscheibenvorfall endgültig aus und auch Dario Cologna hatte Sorgen. Muskuläre Probleme im unteren Rücken und in der Wade brachten Schmerzen mit sich, die Klassisch-laufen unmöglich zu machen. So bereitete er sich kurzfristig doch zu Hause vor und reiste erst für Staffel und Massenstart in Lahti an. Medaillen gab es diesmal nicht für ihn, auch wenn er sowohl mit dem Team als auch im 50er sehr nah dran war. Seine Teamkollegin Nathalie von Siebenthal hatte ebenfalls allen Grund zum Jubeln, schrammte aber als Vierte des Skiathlons nur knapp an den Medaillen vorbei. Im Massenstart bot sie ebenfalls eine starke Leistung, bis muskuläre Probleme dafür sorgten, dass sie sich aus der Spitzengrupppe verabschieden musste. Für die österreicherin Teresa Stadlober hätte die WM mit den Plätzen 6,12 und 8 „nicht besser laufen können“, so dass die deutschsprachigen Athleten insgesamt sehr zufrieden mit dem Großereignis sein können.

Zuschauerinteresse eher gering

Zuschauer blicken in Richtung der Schanzen in Lahti (FIN) © NordicFocus

Was bleibt sonst rückblickend nach der WM? Es waren Titelkämpfe, bei denen das Zuschauerinteresse nicht so groß war wie erwartet. Selten war das Stadion richtig voll wie zum Beispiel beim 50 Kilometer Triumph von Alex Harvey, der ein Rennen für „echte Männer“ gewann. Auch die Tage davor waren zwar gut besucht, ganz ausverkauft war allerdings nur der erste Samstag mit den Skiathlonrennen und Skispringen der Herren von der Normalschanze. Vor allem in der Woche gab es oft leere Ränge. Insgesamt wurden 180.000 Tickets verkauft, das sind 70.000 weniger als gedacht. Schon im letzten Jahr machten die Finnen mit den Lahti Skispielen ein Minus von rund 40.000 Euro – nun wird es sicher noch mehr sein…

 

Schlechtester Skiläufer der Welt genießt Rummel

Adrian Solano (VEN) © NordicFocus

An den laut New York Times „schlechtesten Skiläufer der Welt“ Adrian Solano wird sich auch sicher noch jeder erinnern. Der Venezolaner, von dessen schwieriger Anreise inzwischen wohl jeder weiß, tauschte das erste Mal seine Rollski gegen richtige Ski und war mit dem weißen Bodenbelag und vor allem den langen Latten, die bei jedem Schritt im Weg waren, völlig überfordert. Dennoch ist er stolz auf seine Leistung und übernahm den von der NYT verliehenen Titel für seine Instagram- und Facebok-Seite. Der Langlaufexot scheint den Medientrubel um seine Person wahrlich genossen zu haben und hielt eine fast einstündige „Pressekonferenz“ ab, die live auf Facebook übertragen wurde. Er will nicht aufgeben und sich bis zum nächsten Großereignis verbessern.

 

Nordische Ski-WM in Lahti

In unserem Lahti-Special findet ihr alle Infos auf einen Blick:

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