Langlauf WM: Norwegen setzt lange Siegesserie in Herren Staffel fort

Johannes Hoesflot Klaebo (NOR), Hans Christer Holund (NOR), Emil Iversen (NOR), Paal Golberg (NOR), (l-r) © Thibaut/NordicFocus

Schwächen darf man sich in einem so stark besetzten Staffelfeld kaum leisten, wenn man um Gold kämpft. Dennoch konnte das norwegische Quartett sowie das russische Team einen schwachen Auftritt kompensieren, weil die Konkurrenz die Chancen in dem Moment nicht nutzen konnte. Pål Golberg, Emil Iversen, Jans Christer Holund und Johannes Høsflot Klæbo sind die neuen Weltmeister, Silber ging an Russland mit Alexey Chervotkin, Ivan Yakimushkin, Artem Maltsev und Alexander Bolshunov, Bronze holten die Franzosen Hugo Lapalus, Maurice Manificat, Clement Parisse und Jules Lapierre. Rang fünf ging an die Schweiz, die Deutschen wurden Siebte.

Russland attackiert, Norwegen in Not

Alexey Chervotkin (RSF) © Thibaut/NordicFocus

Am Morgen begann es wie angekündigt zu schneien, sehr nasser Schnee in großen Flocken, teilweise auch Schneeregen, so dass die Techniker vor große Herausforderungen gestellt werden und Oberstdorf sich wieder winterlich verschneit präsentiert. Die Unterschiede zwischen Klassik- und Freistil Runde ist heute noch größer als bei den Damen, weil die Skater den Burgstall auf der 3,3 Kilometer Runde bis oben hinaus bezwingen müssen. Als absoluter Topfavorit geht Titelverteidiger Norwegen in das 4×10 Kilometer Rennen, in dem sie seit 20 Jahren bei Weltmeisterschaften die Goldmedaille abräumten. Heute können sie es sich sogar leisten, auf den zweimaligen Medaillen Gewinner Simen Hegstad Krüger zu verzichten – zu seiner großen Verwunderung. Norwegens Pål Golberg reihte sich jedoch nach dem Start hinter den Führenden im Mittelfeld ein, so dass Russlands Alexey Chervotkin schon nach 1,5 Kilometern einen Ausreißversuch startete. Nach der ersten Runde hatte der Russe einen Vorsprung von fünf Sekunden, die Verfolgergruppe wurde von Hugo Lapalus und Jonas Dobler angeführt. In der zweiten Runde baute der Russe, der einen exzellenten Ski unter den Füßen hatte, seinen Vorsprung weiter aus, während Norwegen mit Wachs Ski sichtlich Probleme hatte. Wie geplant verrichtete Jonas Dobler keine Arbeit, sondern lief mit seinen No Wax Ski einfach im Windschatten vorne in der Gruppe mit wie auch der Schweizer Startläufer Beda Klee. Gegen Ende der zweiten Runde stolperte Golberg im Anstieg und die Gruppe machte oben am Egli Hügel Stehversuche, nachdem das Tempo vorher schon gering war, weil niemand wirklich führen wollte – gut für die Russen, die den Vorsprung auf die anderen Athleten nach 6,6 Kilometern auf 33 Sekunden ausbauten. Am Burgstall der letzten Runde wurde in der Gruppe attackiert durch Hugo Lapalus, der Tscheche Novak folgte, dahinter Beda Klee, Hakola und Jonas Dobler, während Golberg eine kleine Lücke hinnehmen musste. Bis zum ersten Wechsel wuchs der Abstand auf die Gruppe noch leicht an auf 44 Sekunden, Norwegen wechselte erst mit fast einer Minute Rückstand als Zehnter. Wie die Norweger später im TV Interview erklärten, sei das Problem gewesen, dass der Schnee eine Stunde vor dem Rennen immer trockener wurde, so dass man erneut testen musste. „Die Erfahrung vom Wachsteam war heute entscheidend. Die eine Hälfte des Rennen ist heute im Wachstruck ausgetragen worden und nur die andere Hälfte im Rennen“, sagte Jonas Dobler wenig später. Zum Material des DSV Teams sagte : „Mein No Wax Ski war sehr gut. Überragendes Material. Beim Janosch hat es leider nicht so gut getroffen, obwohl er vermeintlich denselben No Wax Ski hat.“ Der Unterschied der beiden No Wax Ski ist vermutlich im unterschiedlichen Hersteller begründet – Dobler läuft Fischer, Brugger Atomic. 

Russland eingeholt, Brugger fällt zurück

Adam Fellner (CZE), Janosch Brugger (GER), (l-r) © Thibaut/NordicFocus

Nach dem Wechsel von Dobler auf Brugger musste sich der Deutsche bei seit dem Start stärker gewordenem Schneefall bemühen, den Anschluss an Iivo Niskanen und Dario Cologna zu halten. Das Tempo war von Beginn an hoch, so dass die Führung von Yakimushkin schmolz – laut Trainer Oleg Perevozchikov waren die Ski die Ursache, die schlechter liefen als bei der Konkurrenz. Mit Wut im Bauch und sehr gutem Ski gelang es Emil Iversen relativ schnell, den norwegischen Rückstand gutzumachen und sich mit Oskar Svensson an den Fersen an dritter Stelle in der Gruppe einzureihen. Ein Blick in das Gesicht von Janosch Brugger verriet schon am ersten Burgstall, dass es ihm im Anstieg nicht besonders gut geht. „Janosch hat definitiv Probleme“, sagte Peter Schlickenrieder gegen Ende von Bruggers erster Runde. „Das sieht man schon daran, wie schnell der Rückstand zum Russen geschrumpft ist. Die haben extrem Gas gegeben durch Niskanen und Cologna. Das Tempo ist schwer zu verkraften, aber Janosch kämpft sich jetzt wieder hin – vielleicht hat er sich seine Freundin Pia Fink als Vorbild genommen und kämpft sich auch wieder hin.“ Das gelang leider nicht, beim ersten Stadiondurchlauf hatte Yakimushkin nur noch zehn Sekunden Vorsprung, der Deutsche lag 15 Sekunden hinter der Gruppe. Kurz darauf wurde der Russe gestellt, der sich dann in der sechsköpfigen Spitzengruppe einreihte, die weiterhin von Iivo Niskanen angeführt wurde. Janosch Brugger, zusammen mit dem Tschechen Adam Fellner unterwegs, verlor an achter Stelle liegend weitere Zeit. Nachdem nach zwei Runden das Tempo vorne reduziert wurde war, blickte der Führende Dario Cologna am letzten Burgstall für die zweiten Läufer lange über die Schulter, um die Gesichter der Konkurrenz zu analysieren. Kurz darauf attackierten jedoch Niskanen und Iversen und Cologna und die anderen mussten eine Lücke hinnehmen. Norwegen und Finnland wechselten gemeinsam auf Holund und Hyvärinen, zwölf Sekunden später folgten die Schweiz und Frankreich, Schweden und Russland wechselten mit 21 Sekunden auf die Spitze. Das deutsche Team erreichte in einer vierköpfigen Gruppe als Achter den Wechsel, 1:05 Minuten hinter den Führenden. „Ich denke, es lag heute nicht nur am Ski. Mein erster Eindruck war, das es nicht der schnellste war. Aber auch bei mir war es zäh wie Kaugummi, sobald es schneller wurde. Das ist schade, dass es in der Staffel ist, ich wollte die Jungs ein eine gute Position bringen, um um eine Medaille zu kämpfen. Mein No Wax Ski war vom Gefühl her ein bisschen saugig“, sagte Janosch Brugger zu seinem Rennen als zweiter DSV Läufer.

Norwegen allein vorne

Hans Christer Holund (NOR) © Thibaut/NordicFocus

Nach dem Wechsel schlossen sich Parisse, Rüesch, Maltsev und Burman zunächst zu einem Verfolger Quartett zusammen und der Russe auf dem Cramer Team hielt das Tempo weiter hoch und setzte sich leicht aus der Gruppe ab, so dass alle vier wieder nah an die Führenden herankamen. In der Gruppe dahinter machte Lucas Bögl das Tempo vor Petr Knop und Simi Hamilton und den USA. Schlickenrieder meinte dazu: „Die anderen verlassen sich auf ihn, er ist ein starker Kletterer: Er versucht nun zu geben, was er hat. Es ist gut, dass er offensiv läuft. Wir geben uns mit Platz acht nicht zufrieden, also ran an die Buletten und Gas geben!“ In der zweiten Runde wurde es zunächst für Maltsev schwieriger, dann verlor aber Perttu Hyvärinen den Kontakt zu Holund, so dass der Russe zumindest den Finnen überholen konnte. Schweden, Schweizern und Franzosen gelang schließlich wieder der Anschluss an Maltsev, der wohl etwas zu schnell ins Rennen gegangen war. Zu Beginn der letzten Runde für die ersten Freistil Läufer war Holunds Vorsprung auf die Gruppe auf 20 Sekunden angewachsen. Während Artem Maltsev schon mit leichten Koordinationsstörungen in seine letzte Runde ging, übernahm Clement Parisse das Kommando in der Gruppe und setzte sich am Burgstall zusammen mit Jens Burman ab von Maltsev, Hyvärinen und Rüesch. Beim letzten Wechsel von Holund auf Klæbo betrug Norwegens Vorsprung 25 Sekunden auf Frankreich und Schweden, 34 Sekunden auf Finnland und Russland sowie 40 Sekunden auf die Schweiz mit Schlussläufer Roman Furger. Die deutsche Gruppe, in der Lucas Bögl die ganze Zeit gelaufen war, hatte zu diesem Zeitpunkt schon über zwei Minuten Rückstand. Obwohl er in der Gruppe gut mitkam und immer wieder Führungsarbeit verrichtete, waren es nicht die Athleten, mit denen er eigentlich laufen wollte: „Man kann der kräftigste Stier im Wald sein und kommt trotzdem nicht gut hoch. Heute sind wahrscheinlich die leichteren Athleten im Vorteil. Definitiv sind wir enttäuscht, wir wollten heute in der Gruppe um Platz drei mitlaufen. Wir hatten uns über den Wetterumschwung gefreut, aber leider konnten wir davon nicht so profitieren, wie wir es gehofft hatten.“

Klæbo pokert – und gewinnt

Johannes Hoesflot Klaebo (NOR) © Thibaut/NordicFocus

Obwohl Johannes Høsflot Klæbo eindeutig nicht Vollgas lief, konnte er seinen Vorsprung auf die bummelnde Gruppe, die sich offenbar auf den Kampf um Silber konzentrierte, leicht ausbauen. Damit wollte sich Alexander Bolshunov aber nicht zufrieden geben – er wollte erneut Weltmeister werden! Er übernahm in der Gruppe das Kommando und setzte sich im Burgstall ab. Nach der ersten Runde hatte er den langsam laufenden Norweger bereits fast erreicht, der sich sicher war, sich auf seinen Zielsprint verlassen zu können. Dahinter richteten William Poromaa, Jules Lapierre, Joni Mäki und Roman Furger ihr Augenmerk auf den Kampf um Bronze. Nach dem vorletzten Burgstall spannte sich Alexander Bolshunov vor den Norweger und versuchte eine Attacke, die er aber sofort abbrach, als Klæbo folgen konnte. Zu Beginn der letzten Runde erhöhte der Russe wieder kurzzeitig das Tempo, verzichtete aber auf einen Angriff am Burgstall und erhöhte das Tempo erst in der Abfahrt. Vor den 14 Höhenmetern des Egli Hügels setzte sich Klæbo an die Spitze und attackierte selbst, so dass Bolshunov keine Chance mehr hatte. Der Russe war im Moment der Attacke am Stock des Norwegers hängengeblieben, so dass er aus dem Takt kam und nicht schnell genug reagieren konnte. So bleibt die Goldmedaille in den Händen der Norweger – wie auch schon in den letzten 20 Jahren, nachdem 1999 Österreich triumphiert hatte. „Ich habe einen Fehler gemacht. Ich dachte, Johannes würde nach links gehen, aber dann kam er plötzlich von rechts. Dadurch habe ich ihm die Möglichkeit zum Attackieren gegeben und die Führung. Das war mein Fehler“, sagte Bolshunov durch einen Dolmetscher bei TV2. Größer als die Freude im russischen Quartett über Silber war definitiv die französische Freude über Bronze, die ähnlich laut und ausgelassen jubelten wie gestern die Finninnen. Möglich war diese Medaille durch die Attacke von Jules Lapierre im Burgstall, durch die sich vom Rest der Gruppe absetzen konnte. Rang vier ging an die Schweden vor den Schweizern Beda Klee, Dario Cologna, Jason Rüesch und Roman Furger gefolgt von den Finnen auf Rang sechs. Auf den letzten zwei Runden war die deutsche Gruppe völlig auseinandergefallen. Übrig blieben am Schluss noch die jeweils 20-jährigen Friedrich Moch und Gus Schumacher. Auf der letzten Runde erwies sich die deutsche Nachwuchshoffnung als stärker, so dass er sich am Burgstall absetzen konnte. Das bedeutete Rang sieben für Jonas Dobler, Janosch Brugger, Lucas Bögl und Friedrich Moch. „Ich bin nicht der große Zielsprinter, darum werden wir versuchen, das auf der Strecke irgendwie zu klären!“, sagte der 20-jährige Schlussläufer vor dem Rennen und machte im Rennen seine Ankündigung wahr. Nach dem Rennen war er zufrieden mit seiner Leistung – Aufgabe erfüllt! „Ich bin ganz zufrieden mit meinem Rennen, habe mich gut gefühlt. Meine Aufgabe war es, meine Gruppe zu gewinnen und das ist mir gelungen. Von demher bin ich ganz zufrieden. Es waren schon extreme Bedingungen heute. Am Anfang war es sehr langsam und dann wurde es auch noch von Runde zu Runde tiefer. Mir macht das generell nicht ganz so viel aus, außer dass es anstrengender ist, als wenn es eine normale Piste gewesen wäre“, so Friedrich Moch. Wäre er eine Gruppe weiter vorne gewesen, hätte er die Attacke von Lapierre mitgehen müssen, um dann um Bronze zu kämpfen, was eine große Herausforderung gewesen wäre. „Man muss auch Träume haben und wir träumen davon, eine Medaille zu gewinnen. Aber wir wissen auch, dass vieles zusammenpassen muss. Aber wenn man nicht hoffen würde, bräuchte man gar nicht erst antreten“, machte Lucas Bögl vor dem Rennen die Zielsetzung klar.

=> Ergebnis 4×10 Kilometer Staffel Herren

 

 

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