Interview mit Tobi Angerer und Caroline Rauscher zum Thema Ernährung - Seite 2 von 2 - xc-ski.de Langlauf

Interview mit Tobi Angerer und Caroline Rauscher zum Thema Ernährung

v.l. Tobi Angerer, Caroline Rauscher, Mario Felgenhauer © Felgenhauer/xc-ski.de

Nur wenige Beispiele verdeutlichen die Wichtigkeit des Themas Ernährung besser, als die Zusammenarbeit von Athleten mit Ernährungsberatern. Wir haben uns mit Ex-Weltklasse Langläufer Tobias Angerer und Ernährungsberaterin Caroline Rauscher zu bestimmten Schwerpunkten unterhalten.

Tobi, wie hat sich deine Einstellung zur Ernährung im Laufe deiner Karriere verändert?

Tobias Angerer: Als ich als junger Sportler in den Weltcup gekommen bin, war Ernährung noch nicht das große Thema. Ich habe mich schon immer bemüht, mich bewusst zu ernähren und habe durch diese bewusste Ernährung auch Erfolge gefeiert, aber man hat vor allem nach hartem Training schon gemerkt, dass der Körper nach Nahrung schreit und du gar nicht das zurückführen hast können, was du verbrannt hast. Da war es schon wichtig, dass man zusätzlich zum normalen Essen Zusatzernährung gehabt hat. Dann kam ein Zwischenjahr, die Saison 2007/2008, in dem ich nicht nur mental sondern auch körperlich platt war. Da hatte ich das Glück, dass ich über unseren damaligen Bundestrainer Jochen Behle die Caroline kennengelernt habe. Ab dem Zeitpunkt habe ich mit ihr zusammengearbeitet und sie war in meinem Team die Ernährungsberaterin. Normalerweise hat man als Leistungssportler nur zehn bis 15 Jahre, in denen man erfolgreich sein kann. Mit einer gesunden und perfekten Ernährung kann man diesen Zeitraum denke ich verlängern und sie hat sicherlich auch dazu beigetragen, dass ich bis zum Schluss die Leistungsfähigkeit halten konnte.

Caro, gibt es immer noch Leistungssportler, die den Einfluss von Ernährung unterschätzen?

Caroline Rauscher: Ja, da gibt es viele! Vielen ist leider nicht klar, welchen Stellenwert die Ernährung für die Leistung und damit für Erfolg hat.

Wie sieht es im Bereich der ambitionierten Hobbysportler aus?

Caroline Rauscher: Da gibt es auch viele, die die Wertigkeit der Ernährung unterschätzen, ganz klar. Aber je ambitionierter der Amateur ist, desto bewusster geht er mit dem Thema um, bewusster und professioneller, als viele Profis.

Tobi, du darfst dich ja nun auch zu den Hobbysportlern zählen. Auf welche Grundsätze bezüglich der Ernährung achtest du noch?

Tobias Angerer: Ich habe mit dem Leistungssport aufgehört und trainiere vielleicht noch ein Viertel von dem, was ich als Aktiver trainiert habe. Aber ich will natürlich meinen Anspruch an mich selber noch erfüllen und achte deswegen weiter auf das Thema Ernährung (lacht)

Caro, war Tobi einer deiner Musterschüler, was die Ernährung betrifft?

Caroline Rauscher: Ja, auf jeden Fall! Tobi hat von Anfang an gewusst, welch großes Potential im Sektor Ernährung und Versorgung noch schlummert. Sein sehr gutes Körpergefühl und seine Kooperation waren absolut top. Es hat immer total viel Spaß gemacht mit ihm zu arbeiten. Von seinen Rückmeldungen habe ich sehr viel profitiert und damit auch unsere anderen Top- und Amateurathleten.

Was gilt es an Unterschieden zwischen harten Trainingseinheiten/Wettkämpfen und lockeren Trainingseinheiten zu beachten?

Caroline Rauscher: Da gibt es große Unterschiede: Grundsätzlich muss die Versorgung des Trainings genauso periodisiert werden, wie das Training selbst.  Wichtig ist es vor allem, dass der Athlet sich Gedanken macht, was er mit einem bestimmten Training erreichen möchte, welche energieliefernden Systeme bei dem jeweiligen Training beansprucht werden. Danach richtet sich die Versorgung. So ist bei harten, langen Einheiten auf eine ausreichende, angepasste Kohlenhydratzufuhr zu achten. Soll der Fettstoffwechsel trainiert werden, verzichtet man auf diese. Bei der Versorgung von Wettkämpfen ist die Dauer, der zeitliche Ablauf (Sprintwettkämpfe) und die Distanz bei der Versorgungsstrategie zu berücksichtigen

Welche Rolle spielt die Hydrierung, sprich das Trinken? Aktuell ging ja der Todesfall eines Starters beim Ironman Frankfurt durch die Medien.

Caroline Rauscher: Hydrierung spielt eine sehr wichtige Rolle. Ist der Sportler stark dehydriert (ca. 3,5 bis vier Prozent Gewichtsverlust absolut) hat das negative Auswirkungen auf seine Konzentrationsfähigkeit und seine Stimmungslage. Das Risiko von Magen-Darmproblemen in Langdistanzrennen steigt an und der Abbau von Glykogen (Speicherform der Kohlenhydrate in der menschlichen Muskulatur/Leber/Hirn, schnellster Treibstoff, der dem Körper zur Verfügung steht) wird beschleunigt. Gefährlich ist jedoch die sogenannte Hyperhydrierung! Trinkt ein Athlet literweise Wasser oder Sportgetränke mit niedrigem Natriumanteil, kommt es zu einer Hirnschwellung auf Grund eines Natriummangels im Blut (Hyponatriämie). Dieser Zustand führt nicht selten zum Tod.

Tobias Angerer © NordicFocus/www.nordicfocus.com

Tobi, hattest du schon mal Probleme im Training, weil du zu wenig oder etwas Falsches getrunken hattest? Wie hat sich das bemerkbar gemacht?

Tobias Angerer: Ich hatte das Glück, dass ich einen sehr robusten Magen habe und ich während des Trainings und Wettkampfs eigentlich alles habe trinken und essen können. Ich habe immer viel Wasser getrunken und das mache ich heute noch. Wenn ein 50er anstand, habe ich Tage vorher schon damit begonnen, meinen Körper mit Flüssigkeit zu füllen, dass er voll ist wie ein Schwamm. Damit wollte ich vermeiden, dass ich in den Elektrolytmangel komme, mit Krämpfen und sonstigem. Damit bin ich immer gut gefahren und habe das vor allem bei den 50ern gemerkt, dass ich da keine Probleme hatte.

Nun sind ja Wintersportler auch einem erhöhten Risiko von Infekten ausgesetzt. Wie hast du dich in deiner aktiven Zeit davor geschützt?

Tobias Angerer: Von 2003 bis 2007 hatte ich überhaupt keine Infekte und das war auch das große Plus, so dass ich Gesamtweltcup und Tour de Ski gewinnen konnte. Das war also das Produkt aus jahrelanger Trainingsarbeit ohne irgendwelche Ausfälle. Als wir dann ein Jahr zu viel trainiert hatten, da sind die Infekte zurückgekommen.  Später habe ich es dann wieder besser in den Griff bekommen, wobei da dann Familie und die Ansteckungsgefahr über den Kindergarten hinzukam. Deswegen ist es auch schwierig zu sagen, welche Anteile das Training, die Ernährung und das Umfeld an der Gesundheit haben.

Caro, kann man sich durch die richtige Ernährung vor Infekten schützen?

Caroline Rauscher: Ja! Ist der Athlet während und nach seinem Training optimal versorgt, schützt er dadurch sein Immunsystem und erzielt den maximalen Trainingseffekt von der jeweiligen Einheit. Den wichtigsten Beitrag für den Schutz des Immunsystems liefern Kohlenhydrate. Sie federn zum Beispiel  Stresshormone, die während intensiven, harten Einheiten vermehrt ausgeschüttet werden, ab und schützen so das Immunsystem. Kohlenhydrate sind nämlich DIE wichtigste Nahrung für Zellen des Immunsystems. Darauf müssen besonders auch ambitionierte Amateure achten. Neben Kohlenhydraten sind auch wertvolle Proteine und Fette notwendig, um das Immunsystem gesund und stabil zu erhalten, nicht zu vergessen die wichtigen Vitamine und sekundären Pflanzenstoffe aus Obst und Gemüse.

Caroline Rauscher © Veronika Rauscher

Was empfiehlst du im Umgang mit Nahrungsergänzungsmitteln (NEM)?

Caroline Rauscher: NEM sollten grundsätzliche eine sinnvolle Ergänzung zu einer gesunden und ausgewogenen Basisernährung darstellen. Einfach ins Blaue was zu schlucken ist sicher falsch! NEM sollten an den Athleten, seine Blutwerte und die Phase seines Trainings angepasst werden, nur das gibt Sinn. Niemand kann sagen, ob tatsächlich ein Defizit vorliegt, ohne vorher gemessen zu haben. Das Berücksichtigen der Trainingsphase ist ebenfalls wichtig, damit Trainingsanpassungen gegebenenfalls nicht geschmälert werden.  Auf die Qualität achten! Es ist also Vorsicht geboten bei Produkten unklarer Herkunft. Die kritische Auswahl: Das ist der schwierigste Punkt. Es gibt mehr als 50.000 verschiedene NEM mit den tollsten Wirkversprechen auf dem Markt. Meistens ist überhaupt nichts dran an diesen Versprechen. Entweder ist die Gabe der Substanz  an sich total unsinnig, oder die Kombination ist falsch, oder die Dosierung ist so niedrig, dass sowieso nichts wirken kann, selbst wenn der Stoff an sich eine Wirkung hätte (z.B. bestimmte Aminosäurepräparate). Nicht zu vergessen sind in diesem Zusammenhang die möglichen „zufälligen“ Verunreinigungen in sehr vielen Produkten. 10 bis 15 Prozent der angebotenen NEM enthalten laut einer Studie möglicherweise verbotene Substanzen. Auch wenn für den Amateur Dopingkontrollen kein Thema sind, so sind solche Stoffe gesundheitsschädlich. Die Sinnhaftigkeit und Qualität eines Produkts richtig zu beurteilen, ist allerdings für den Sportler sehr schwierig, oder eigentlich fast unmöglich, außer er verfügt über ein fundiertes Spezialwissen auf diesem Gebiet.

Tobi, der Fall von Evi Sachenbacher-Stehle bei Olympia in Sochi liegt noch nicht weit zurück. Wie bist du selbst mit Nahrungsergänzungsmitteln umgegangen und wie beurteilst du diesen Dopingfall, der ja kein vorsätzlicher war?

Tobias Angerer: Ja, dieser Fall entstand ja aufgrund eines Zusatzprodukts, das nicht kontrolliert worden und nicht sauber war. Bei mir persönlich war es so, dass ich immer wirklich bewusst versucht habe, nur Dinge zu mir zu nehmen, bei denen ich 1000-prozentig sicher war, dass sie rein und sauber sind. Bei der Caroline habe ich mich drauf verlassen können, das ist dreifach getestet und da hat es überhaupt keine Zweifel gegeben. Und Riegel mit Aufschriften wie „Produced  in Amerika/Asia“ habe ich nicht angerührt.

Ein ähnliches Stiefkind unter Sportlern wie die Ernährung ist wahrscheinlich die Regeneration. Welche Grundsätze hast du dabei verfolgt, Tobi?

Tobias Angerer: Dass man als junger Sportler länger weggehen konnte (lacht) und das von Jahr zu Jahr weniger geworden ist. Ich habe da einen guten Vergleich, da kann sich jeder hineinversetzen. Wenn du 20 bist und gehst an einem Tag weg, dann bist du am nächsten Tag wieder so fit, dass du noch einmal weggehen kannst und am dritten Tag eventuell noch einmal. Wenn du aber mal über 30 bist, ist es genau andersherum: Du gehst an einem Tag weg und dann hängt dir das drei Tage nach. Im Sport ist es ähnlich. Auch da verlängert sich die Regenerationszeit deutlich. Umso wichtiger ist es, dass man versucht, über die richtige Ernährung die Regeneration zu begünstigen.

Caro, was gibt es aus ernährungsspezifischer Sicht in der Regenerationsphase zu beachten?

Caroline Rauscher: Die Regenerationsphase ist eine sehr wichtige Trainingsphase. Wichtig, weil in dieser Phase viele wichtige Anpassungsprozesse, die das Training auslöst, in Leistungssteigerung übersetzt werden. Außerdem ist es sehr wichtig, dass der Körper sich von dem vorher „erlittenen“ Trainingsstress erholt, um wieder den maximalen Effekt aus der nächsten Einheit zu erzielen. Optimale Regeneration ist auch wichtig für die mentale Stärke und ein intaktes Immunsystem des Athleten und ist unverzichtbar im Hinblick auf das Verhindern von Übertraining.

Tobi, ganz subjektiv aus deiner Sicht: Wieviel Prozent hatte die richtige Ernährung Anteil an der Leistung?

Tobias Angerer: Das ist eine schwierige Frage. Es gibt sicher zehn bis 15 Bereiche, die es zu optimieren gilt. Und das war auch immer meine Herangehensweise, aus jedem Bereich das Maximale herauszuholen, ob das nun mithilfe von Trainern, Serviceleuten, einer Ernährungsberaterin oder einem Mentaltrainer war.

Caro, wie sieht das bei einem Hobbysportler aus? Lohnt es sich da überhaupt aus leistungsspezifischer Sicht auf die Ernährung zu achten?

Caroline Rauscher: Auf jeden Fall: Hobbysportler haben in der Regel hohe bis sehr hohe Trainingsumfänge PLUS ihre Arbeit. Für sie ist es genau so wichtig, sich richtig während und nach der Belastung zu versorgen, wie für den Profi. Durch eine optimale Versorgung und Basisernährung schützen sie ihr Immunsystem und ihren Körper vor Überlastung. Gut versorgt machen sowohl Sport als auch Alltag mehr Spaß.

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