Stimmen nach den 50 Kilometern: "18 Sekunden haben auf die Medaille gefehlt..." - xc-ski.de Langlauf

Stimmen nach den 50 Kilometern: „18 Sekunden haben auf die Medaille gefehlt…“

Jonas Dobler (GER) © Modica/NordicFocus

Mit den 50 Kilometern endete die Nordische Ski-WM in Seefeld. Hier findet ihr die Stimmen zum Rennen mit dem Sieg von Hans Christer Holund, dem 17. Platz von Jonas Dobler sowie ausführlicher Analyse der Trainer und einem Fazit zu den Titelkämpfen….

 

Peter Schlickenrieder (GER)

…vor dem Wettkampf über Andi Katz:Wir haben überlegt, ob Andi heute überhaupt laufen soll, weil eigentlich sein geplanter Fokus auf dem 50er am Holmemkollen in der nächsten Woche lag, für den Fall, dass er sich nicht für die WM qualifiziert. Dann hat er sich aber auf dem letzte Drücker qualifiziert und macht hier eine Sensations-WM. Wirklich, absolut top. Es ist ja seine erste Weltmeisterschaft und da möchte er natürlich unbedingt den 50er, die Königsdiziplin, auch noch laufen. Ich habe gesagt, er soll sich nicht stressen, wenn irgendwann der Saft aus ist, dann einfach gemütlich zu Ende laufen, durchkämpfen, weil es einfach gut und wichtig für die Psyche ist. Aber er hat jetzt eigentlich keinen Druck, hier noch irgendwas draufzulegen, es ist eine tolle WM für ihn. Es zeigt, mit welchem Kampfgeist oder Überzeugung die den Sport machen. Der Andi ist ja jemand, der ja die Leidenschaft förmlich lebt und fast zu viel lebt, wo ich sag ‚Jetzt komm mal wieder runter!‘, Langlauf ist nicht alles. Die schönste Nebenbeschäftigung der Welt, aber auch nicht alles und man muss dann auch immer die richtige Richtung finden, darum freut es mich, dass wir es in der Saison so hingebracht haben, dass er es genießen kann und mit Freude die Dinge angeht und wenn was Gutes rauskommt, dann freuen wir uns alle riesig drüber. Das ist aber nicht entscheidend.

…über die Herangehensweise von Jonas Dobler und Lucas Bögl:Luggi schaut immer, dass er nicht zu weit weg ist, damit er dabei ist, wenn irgendwo die Post abgeht. Nachdem er in der Staffel nicht laufen durfte und nicht zum Einsatz kam, ist natürlich der 50er sein wichtigstes Rennen und er versucht, seine Chance zu nutzen und ist hellwach. Er ist leicht nervös immer. Jonas Dobler teilt sich das genau ein. Er hat sich das genau durchgetaktet und überlegt, investiert kein Körnchen zu viel Energie. Das ist eben die andere Taktik und schaut, dass er Plätze in der Abfahrt gutmacht.

…über die ersten Runden von Florian Notz und die Qualität des Materials:Flo macht das genau richtig, sich über Runde zu Runde nach vorn zu arbeiten, wobei natürlich heute auch der Skiwechsel entscheidend ist. Man braucht dann auch zwei Paar gute Ski , weil die Athleten meistens einen Topski haben, der zweite ist nicht ganz so gut und dann müssen sie halt mal eine Runde mit diesem schlechteren Ski laufen, aber es kann unter Umständen entscheidend sein, wenn man attackiert wird. Folglich ist das auch so ein Materialspiel, diese ganze Geschichte. Stöcke sind sehr stabil, wenn man die Kraft von oben nach unten in den Schnee gibt. D.h. man kann wahrscheinlich nahezu Tonnen drauf lasten, aber wo die halt sehr verletzlich sind, wenn einem mit der Skikante jemand von der Seite reintritt und das passiert halt im Massenstart, wenn man eng an eng läuft und wenn der Gegnerski von der Seite dagegenknallt, dann bricht das ganze Konstrukt zusammen. Eigentlich ist diese Karbongeschichte eine sehr stabile, darum wurde das eingeführt, aber diesen Skikanten sind die nicht gefeit.

…über das Zurückfallen von Andi Katz nach dem ersten Skiwechsel:Das Zurückfallen ist jetzt rein dem Skiwechsel geschuldet, du musst da reinfahren, Ski öffnen, bist ein wenig müde und steif. Das hat er aber gut gemacht und wenig Zeit verloren. Aber jetzt kommt natürlich Gas in die Geschichte, weil die Franzosen und die Russen den Holund nicht einfach laufen lassen wollen. Das ist definitiv Teamorder: Kein Norweger hat angegriffen, Sundby würde sicher auch gerne gewinnen, aber sie haben sich wohl verständigt – Holund ist der Frischeste, geht im 50er die Geschichte an und wenn er attackiert, attackiert kein Norweger. Bei den Norweger geht das ja schon mal auf, das ist bei den Norwegern eine bewährte Taktik, die sie hier anwenden. Eine Minute ist schon ein Stück, aber andererseits sind es noch 30 Kilometer und ein 50er wird immer zwischen Kilometer 40 und 45 entschieden. Da trennt sich die Spreu vom Weizen und von daher hat er das Rennen noch nicht nach Hause gelaufen.

… zu Beginn der letzten Runde:Jonas Dobler sieht gut aus, auch wenn er mich gefragt hat, in welcher Runde er ist. Du siehst, es geht jetzt schon an die Substanz, aber ich glaube, er kann noch was aus sich rausholen. Beim Notz Flo denke ich auch, dass er nochmal ein paar Plätze nach vorn machen kann. Ich würde ihnen wünschen, dass sie Top15 machen, ich denke dann kann man zufrieden dieses Seefeld verlassen. So einen 50er muss man zu Ende laufen, egal wo man reinkommt. Das ist der Sieg über den inneren Schweinehund. Jetzt wird es richtig hart, wenn man zu lange zu schnell gelaufen ist, bringt man das Laktat, die Müdigkeit nicht mehr aus den Beinen. Das heißt das werden ganz, ganz harte letzte 10 Kilometer, die die Burschen dann da rumlaufen müssen.

… nach dem Ende des Wettkampfes:Summa summarum können wir zufrieden sein, auch wenn ich weiß, dass der Florian Notz sich mehr vorgenommen hat. Er hat da sicher mit einem Top10 Platz geliebäugelt, aber ich glaube, bei diesen schweren Bedingungen und auch das Staffelrennen war sehr hart für ihn und ist ja erst ein paar Tage her.. umso höher zu bewerten, dass der Jones [Jonas Dobler] sich da wieder erholt hat und hat auch gottseidank noch den 15er klassisch ausgelassen. Das hat sich bezahlt gemacht, er ist ein couragiertes Rennen gelaufen.

… darüber, was man mitnimmt für Oberstdorf 2021?Wir haben hier jeden Tag, jede Stunde, jede Minute genutzt, um auch schon die Vorbereitung für 2021 zu treffen. Trotz vieler Höhen und Tiefen, auch in der Vorbereitung durch Verletzungen, haben wir es geschafft, hier das Beste zu geben, gute Resultate einzubringen und das motiviert natürlich, aber das heißt für uns, weiter hart arbeiten, weil in gewissen Dingen sind wir nicht sonderlich vorwärts gekommen. Aufmerksam bleiben, aber den positiven Drive von hier mitnehmen. Wir sind ein Team, wir halten zusammen und wir entwickeln die Dinge gemeinsam weiter, so dass es dann auch funktioniert.

 

Markus Cramer (RUS)

…über die Ausfälle wegen Magen-Darm und Nachnominierung von Alexander Bolshunov: Zuerst war ja Ustiugov krank, der ja in der Staffel schon Probleme hatte und den 50er absagen musste. Dann hat sich heute Morgen noch Chervotkin krank gemeldet, aber es war noch Zeit genug, um jemand anders nachzumelden und Bolshunov hat gleich HIER geschrieen und gesagt ‚Ich bin bereit!‘ und damit haben wir keinen Schlechten hier am Start, denke ich. Wir hoffen natürlich, dass wir am Ende um das Podium mitkämpfen können. Es sind natürlich viele erfahrenen Sportler dabei wie Cologna, Harvey, Sundby, die ganzen Norweger. Das wird natürlich schwer, das ist klar. Aber ich denke, wir haben da sicher 2 oder 3, die da mitkämpfen können.

…über die Attacke von Hans Christer Holund:Das kennen wir von den Norwegern, das haben sie letztes Jahr im Skiathlon auch so gemacht. Aber ich bin überrascht, dass keiner reagiert, denn über eine Minute ist schon ordentlich. Zurufe nehmen sie erstaunlicherweise doch schon wahr, weil wenn einem Trainer was auffällt, dass sie technisch besser laufen könnten, dann probiert man ihnen doch Hinweise zu geben. Manchmal hilft es doch. Ich hoffe, sie kommen noch wieder ran. Eine Minute ist schon noch machbar, aber mehr darf es auch nicht werden. Wenn es mehr und mehr wird, wird es schwiirig. Ich hoffe, dass sie jetzt langsam mal reagieren und auch andere helfen wie Cologna, Manificat und so weiter, denn ich glaube die wollen nicht, dass die Goldmedaille jetzt schon weg ist.

…über den Konter von Bolshunov:Jetzt probieren wir natürlich, die Medaillen ein bisschen sicher zu machen. Ob das so klappt, weiß ich noch nicht, aber Bolshunov wird nun ein bisschen rankommen. Wir haben alle 4 vorne dabei, also es sieht ganz gut aus für uns. Ich hoffe nicht, dass sich der ausgelassene Skiwechsel negativ auswirkt, aber es könnte sein. Zum Beispiel Belov, der hat schon 2x gewechselt, weil das zweite Paar war nicht so gut wie die ersten und jetzt hat er wieder ganz gute Ski. Es ist schwer zu sagen, wie es ausgeht.

 

Jonas Dobler (GER)

Es war ein superschönes Rennen, denke ich mal für die Zuschauer, es war eine super Stimmung. Es hat richtig Spaß gemacht, hier zu rennen. Am Anfang war es sogar noch einigermaßen gut zu laufen, aber es ist erwartungsgemäß immer weiter aufgegangen, immer schwieriger geworden. Aber mir ist es gelungen, lange mit der Gruppe mitzuschwimmen und das war mein Ziel. Am Schluss fehlen glaube ich 18 Sekunden auf die Medaille, aber es war das Ziel, möglichst lange dabeizubleiben. Ganz am Schluss am letzten Berg fehlte mir dann einfach die Power, um noch weiter vorzukommen, aber ich bin soweit zufrieden mit dem Rennen. Mit meiner Vorgeschichte, ich habe ja wirklich keine leichte Vorbereitung gehabt, und jetzt bin ich immer besser in Schwung gekommen und habe dann das Ruder noch einmal rumgerissen sozusagen kurz vor der WM und habe noch eine versöhnliche WM für mich geschafft.

 


WM-Fazit von Peter Schlickenrieder, Bundestrainer

…über die WM allgemein und den Wert von Platzierungen:Aus meiner Sicht waren wir eigentlich erfolgreicher, als ich erhofft habe. Gerade die Mädels, die auf den Punkt fit waren. Aber wenn man in den Medaillenkampf eingreifen will, dann muss man noch sehr viele Details durchsprechen und im Endeffekt zwei Jahre hart arbeiten, so dass man in die Nähe kommt und auch die Vorleistungen dazu hat. Wir müssen kontinuierlich den Analyseprozess angehen, dann kriegen wir das auch hin. Von der Stimmung her haben wir richtig schöne Weltmeisterschaften erlebt, wo man Sport sehr kompakt anschauen kann und vor allem selbst langlaufen gehen kann und dieses Netz von 250km in Angriff nehmen kann. Das ist mir immer wichtig, denn ich denke, Medaillen sind immer nur das i-Tüpfelchen. Für mich ist es wichtig, wie sich der Sport darstellt. Da denke ich, das Weltmeisterschaftsprogramm ist attraktiv, spannende Wettkämpfe gesehen, tolle Fights, unterschiedliche Sieger und eine deutsche Mannschaft, die sich mehr als gut verkauft hat. Die vor allem hier als Team zusammenmgerückt ist. Aus meiner Sicht war es eine sehr gelungene Weltmeisterschaft, auf der anderen Seite haben mich aber auch die Dopingereignisse sehr nachdenklich gemacht. Und wenn man dann von den Medien gefragt wird, ‚Wie viele Medailen machen wir denn?‘ und ‚Wie viele machen wir 2021?‘ ist es schon so, dass wir eine Schwarz-Weiß-Malerei haben. So ein vierter Platz zählt einfach gar nichts mehr. Das ist bedenklich, denke ich, man muss eine Wertediskussion anstoßen und da bitte ich letztlich auch die Medien mitzuziehen, dass es im Endeffekt nicht nur 1, 2, 3 gibt und den Rest, sondern irgendwas dazwischen. Die Welt ist bunt und nicht bloß schwarz und weiß.

…über Teamgeist und mögliche neue Wettkampfformen:Eine Mixed Staffel würde wunderbar ins WM-Programm passen, die würde uns auch ein bisschen in die Karten spielen. Wir haben zwei gute Mädels, zwei gute Jungs, das würde schon gut passen oder vielleicht auch mal mit den anderen Disziplinen zusammen: Also warum macht man nicht zum Beispiel aus Skisprung Herr, Skisprung Dame, Nordische Kombination Dame und Herr und dann Langlauf Dame und Herr. Das wäre mal was, um alles zusammen zu bringen. Das Schöne, wir sind hier in einem Hotel. Es gibt einen schönen Austausch, da sitzt man dann mit dem Bundestrainer Skisprung Werner Schuster zusammen, erfährt, was er gemacht hat und was ihn vorwärts gebracht hat. Man sitzt mit Herrmann Weinbuch von den Nordischen Kombinierern zusammen, man feiert zusammen und man erlebt es richtig gemeinsam, darum wäre das dann ein schönes Spiegelbild dessen, was wir auch im deutschen Team erlebt haben und sicher in anderen Mannschaften auch so ist und dass man das Thema dann gemeinsam in eine Wettkampfform bringt.

 

WM-Fazit von Andreas Schlütter, Sportlicher Leiter

Von meiner Seite kann ich von dieser WM ein sehr positives Fazit ziehen und kann sagen, dass das, was wir uns vorgenommen haben, auch komplett aufgegangen ist. Kompliment an meine komplette Trainerschaft unter der Führung auch von dem Peter, die auch die Athleten auf den Punkt fit gekriegt haben. Es war so, dass wir ja die Vorbereitung ein bisschen gestückelt hatten und die Athleten in der Summe jeder sein bestes Saisonergebnis abliefern konnte. Man hat auch gemerkt, dass das Team sehr eng zusammengerutscht ist. Es waren keine einfachen Wettkämpfe, einfach auch wegen der Bedingungen. Es war sehr warm und man musste sich auf viele neue Sachen auch einstellen. Das haben die Athleten gut gelöst, die komplette Crew drumherum hat sehr sehr gut gearbeitet und deswegen gehe ich natürlich mit einem sehr sehr positiven Feedback hier aus dieser WM nach Hause. Wichtig sind für mich vor allem ein paar Schlüsselszenen für Oberstdorf. Wenn man gesehen hat, allein die Infrastruktur, die man hier vorgefunden hat, es ist einfach wichtig draus zu lernen, die guten Dinge mitzunehmen für Oberstdorf, Dinge, die wir auch kritisiert haben, besser zu machen. Und ansonsten war es eine sehr schöne Weltmeisterschaft, eine sehr gute Stimmung, auch das Publikum, sowohl die Österreicher als auch die vielen Norweger haben dazu beigetragen, dass es ein Highlight war und es gab eine sehr gute Stimmung bis zum 50km Lauf. Unsere Leistungen haben dazu gepasst, also alles gut.

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