Norwegen läuft beim Skarverennet - xc-ski.de Langlauf

Norwegen läuft beim Skarverennet

Skarverennet 2007 © Marco Felgenhauer

Gerade hat sich der Zug von Geilo nach Oslo in Bewegung gesetzt. Es war gar nicht so einfach, das ganze Gepäck der vielen Tourenskiläufer zu verstauen, die sich auf den Rückweg nach Norwegens Hauptstadt machen.

Viele von ihnen würde man auf der Straße nicht als Langläufer identifizieren, aber alle haben sie nun wieder einmal 38 oder mehr Kilometer in den Beinen. Der Skarverennet in der Nähe von Geilo ist eine der wenigen, wenn nicht sogar die einzige Veranstaltung, auf die eine Bezeichnung wie Volkslauf tatsächlich zutrifft. Mehr als 10000 Norweger begeben sich jedes Jahr auf den beschwerlichen und 38 Kilometer langen Weg von der kleinen Siedlung Finse zum Ziel in Ustaoset. Das eigentlich Besondere an diesem Saisonfinale ist allerdings, dass sie alle ohne Zeitnahme laufen und trotz einer Startnummer auf dem Rucksack ganz ohne Hektik „skiwandern“.

Natürlich gibt es auch die andere Seite des Skarverennet. An der Spitze der circa 1500 Starter, deren Zeit mittels Transponder gemessen wird, läuft jedes Jahr die Creme de la Creme des norwegischen nordischen Skisports. Genau dieser Gegensatz hat auch meinen Bruder und mich nach unserem Abenteuer auf Island 2006 nun hier nach Norwegen geführt. Trotz Flug von München nach Oslo und einer guten Zugverbindung weiter nach Geilo dauerte die Anreise von Haustür zu Haustür dann doch 12 Stunden und so war es durchaus von Vorteil, dass wir uns bereits am Mittwoch vor dem Rennen auf den Weg gemacht hatten. Unser Hotel schien bei unserer Ankunft fast zu groß für diese Gegend, doch der erste Eindruck sollte uns täuschen. Bereits am ersten Abend trafen wir uns mit Ashild Lunashaug, einer sehr gut deutsch sprechenden Lehrerin, die auch schon Organisationschefin des Skarverennet war. Im Gespräch stellte sich dann heraus, dass sie am Skigymnasium in Geilo als Lehrerin arbeitet und bereits Ole Einar Bjoerndalen und Liv Grete Skjelbreid Poiree unterrichtete.

Für den nächsten Morgen hatte sie uns eine Tour mit Lynn Steen organisiert, die für „Destination Geilo“, die lokale Vermarktungsagentur arbeitet. Lynn zeigte uns dann das Skigebiet rund um den 2500 Einwohner-Ort und beantwortete auch unsere Fragen, die vor allem das Langlaufen hier in der Gegend betrafen. So wissen wir nun, dass in und um Geilo 220 Kilometer an Loipen gespurt werden und die Saison von Anfang November bis Mitte/Ende April geht. Auch ein erster Loipentest oben auf der Hochebene stand für mich auf dem Programm. Diese Hochebene macht einen Großteil der Skarverennet-Strecke aus. Das kleine Problem dabei ist: Man muss erstmal hinaufkommen. Bei Sturm und Schneefall, der an diesem Donnerstag herrschte, war dies nur unter erschwerten Bedingungen möglich. Im Schneckentempo schob ich mich vom Ziel in Ustaoset aus hinauf. Von einer gewalzten Loipe war aufgrund der Schneeverwehungen schon lange nichts mehr zu sehen und die einzige Orientierung waren lange Äste und Stangen, die als Markierungspfosten alle zehn Meter den richtigen Weg wiesen. Schließlich habe ich es doch geschafft und ab da ging es mit Rückenwind Richtung Skigebiet von Geilo. Dort angekommen stürzte ich mich dann eine menschenleere Abfahrt hinunter und machte mich auf den Rückweg zum Hotel.

Am Abend besuchten wir noch die Geilohallen, die Turnhallen des Skigymnasiums, wo zum einen die Startnummern ausgegeben wurden, aber auch ein riesiger Sportartikelverkauf stattfand. Ein Sportgeschäft könnte nie diese Auswahl bieten, wie sie hier zu sehen war. Dementsprechend groß war auch der Andrang. Bei insgesamt 12000 Teilnehmern ist das auch nicht weiter verwunderlich und die einzelnen Händler beziehungsweise Hersteller machten bestimmt das Geschäft der Saison. Erfolgreiche Familienväter schleppten schließlich teils mehrere Paar Ski in Richtung Kasse und die Jüngsten kamen mit glitzernden Augen aus diesem „Lagerverkauf“.

Auch der Freitag brachte keine Wetterbesserung. Zwar hatte sich das Wetter am Donnerstag fast im Zehn-Minuten-Takt geändert, auf der Hochebene stürmte es aber durchgehend. Nichtsdestotrotz ließen wir uns mit einem Skidoo hinaufbringen, um die letzten Kilometer inklusive Abfahrt zum Ziel zu laufen. Nach sechs Kilometern baten wir den Skidoofahrer anzuhalten und uns abzusetzen. Viel Mut machte er uns mit seiner Bemerkung nicht gerade, dass das Rennen bei derartigen Bedingungen am nächsten Tag sicher nicht gestartet werde. Mit Rückenwind und auf halbwegs sichtbaren Loipen waren wir dann auch schnell zurück im Ziel. Für den Abend stellte uns der Pressesprecher des Skarverennet zwei Aktivitäten zur Auswahl. In einem weiteren Hotel Geilos finde eine „Fragestunde“ für Nachwuchssportler aus der Region statt. Beantwortet würden die Fragen von den norwegischen Stars der Szene wie Ole Einar Bjoerndalen und Marit Bjoergen. In einem dritten Hotel gäbe es einen Empfang für Journalisten und Sponsoren. Wir haben uns natürlich für Ole Einar entschieden. Von den Fragen und Antworten haben wir zwar nichts verstanden, sie schienen aber sehr witzig gewesen zu sein. Hinterher ergab sich die einmalige Gelegenheit zu einem ungestörten, aber leider nur kurzen Interview mit Ole Einar Bjoerndalen und Langlauf-Altmeister Odd Bjoern Hjelmeset (siehe Interviews). Beim Abendessen konnte man schließlich erkennen, dass unser Hotel für den Skarverennet auch doppelt so groß hätte ausfallen können. Der Speisesaal war brechend voll.

Skarverennet 2007

Dann war es endlich soweit. Der Tag des Rennens, Samstag, war da. Ein Blick aus dem Fenster zeigte: Strahlend blauer Himmel und kein Wind oben auf den Gipfeln der umliegenden Berge. Mein Bruder war bereits mit dem ersten Zug um 7:40 Uhr von Geilo zum Startort Finse aufgebrochen. Ich selbst folgte um 9:53 Uhr mit einem Großteil der „Zeitläufer“. Und wie es der Zufall so will, nimmt gerade neben mir Age Skinstad, der nordische Sportchef der Norweger Platz. Für ihn sei dies neben der Clubmeisterschaft das einzige Rennen, an dem er jedes Jahr teilnehme. Als ich mich zu Erkennen gebe, ergibt sich noch ein interessantes Gespräch, bei dem nicht nur ich als Journalist neue Informationen zu sammeln scheine. Am Startort herrscht bereits Hochbetrieb. Die Läufer ohne Zeitnahme gehen bereits seit zwei Stunden ohne Stress und in kleinen Gruppen oder sogar einzeln auf die Strecke. Ich wärme mich kurz auf, verstaue meine Wärmekleidung im vorgeschriebenen Rucksack und reihe mich hinter der Startlinie ein. Mein Bruder hatte mich zuvor bereits vor dem ersten Anstieg nach dem Start gewarnt. Was ich aber dann nach dem Startschuss erlebe, ist die Hölle. Ein langsamer Start war noch nie mein Ding und so versuche ich möglichst im vorderen Drittel zu laufen. Das gelingt mir genau 500 Meter lang. Dann baut sich eine riesige Wand vor mir auf und nach wenigen Metern im Anstieg bleibt mir nichts anderes übrig, als den Klassik-Skate anzuwenden. Ihr kennt diese Technik, die man in Läuferkreisen auch „Trainer-Technik“ nennt? Jedenfalls werden es noch lange zwei Kilometer ehe ich es über die Kuppe schaffe. Das Rennen habe ich da schon irgendwie abgehakt und ab diesem Zeitpunkt beginnt das Erlebnis Volkslauf. Im weiteren Verlauf wechselen sich steile Anstiege mit steilen Abfahrten ab, aber bestens präparierte Loipen machen es trotzdem zu einem Vergnügen, hier zu laufen. Das Wetter bleibt einfach traumhaft. Es ist fast vollständig windstill. Mit der Zeit komme ich dann etwas besser ins Rennen und vor allem auf den Flachstücken und Abfahrten kann ich den einen oder anderen Platz gutmachen. An den Anstiegen habe ich aber weiterhin zu kämpfen. Oben auf dem höchsten Punkt haben Familien ihr Lager aufgeschlagen und beobachten das Rennen während sie Mittagspause machten. Um jede Verpflegungsstation bilden sich große Trauben von Läufern, dennoch war es kein Problem auf einer extra Spur für „Zeitläufer“, diese zu passieren. Ganz ohne diesen 100-prozentigen, direkten Kampf um jede Platzierung schaffe ich es dann doch meinen Rhythmus zu finden und nähere mich der letzten Abfahrt zum Ziel.

Skarverennet 2007

Kurz nachdem ich die Ziellinie überquerte, wurden bereits die Sieger des Rennens geehrt. Ole Einar Bjoerndalen hatte es wieder einmal geschafft und bei den Damen gewann der Nachwuchsstar der Norweger, Therese Johaug. Ich genehmigte mir noch eine kurze Stärkung im Pressezelt, ehe ich zum Bahnhof wanderte und dort auf den Zug zurück nach Geilo wartete. In unserem Hotel war dann erstmal ein Besuch der Sauna fällig und nach dem reichlichen Buffet am Abend waren die Anstrengungen des Tages schon fast vergessen.

Jetzt sind es noch circa zwei Stunden bis Oslo, in denen wir die frisch verschneite Landschaft Norwegens genießen dürfen. Am Abend hat uns Deutschland dann wieder. Zusammenfassend lässt sich zu dieser Abenteuer-Tour 2007 sagen: Wer gerne mal ohne Zeitdruck laufen will und schon immer mal Norwegens Loipen kennenlernen wollte, der ist beim Skarverennet genau richtig. Wer allerdings eine schnelle Zeit über die 38 Kilometer setzen will, der sollte im Training schon mal einen Alpinhang in entgegengesetzter Richtung bewältigen. Irgendwann werde ich das sicher noch mal tun und zurückkehren.

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