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Interview mit Thomas Freimuth zum Vasalauf

A|N xc-ski.de Team Athletenportraits: Thomas Freimuth © xc-ski.de / Marco Felgenhauer

Thomas Freimuth ist Deutschlands schnellster Vasaläufer und hat bei dem Traditionsrennen in Schweden bereits einmal die Top-20 geknackt. Im Interview mit xc-ski.de erklärt er, was die Faszination des Vasalaufs ausmacht und wie er sich darauf vorbereitet.

Thomas, 90 Kilometer in 3:45 Stunden ist bislang die schnellste Zeit eines Deutschen beim Vasalauf.  2017 stehst du wieder am Start, zum wie vielten Mal?

Das ist dann mein achter Start gesamt und in Folge.

Was ist dieses Mal drin?

Mein Ziel ist es die Top Ten zu knacken! Ich denke das ist sehr ambitioniert, aber machbar.

Wie bereitest du dich darauf vor? Wie sieht dein konkreter Trainingsplan aus?

Ha! Der wird natürlich nicht verraten! Klar ist durch mein Ziel unter die ersten Zehn beim größten und längsten Skimarathon der Welt  zu kommen schon einiges vorbestimmt. Auf der 90 Kilometer langen Strecke von Sälen nach Mora erwarten dich trotz der 1.000 Höhenmeter einige und vor allem sehr lange Doppelstockpassagen. Das heißt, das Gelände ist eher flach und man bewegt sich in der schnellsten „Gangart“ der Klassischen Technik vorwärts, dem Doppelstockschub. Dieser erfordert Kraft, eine gute Körperstabilisation und wenn es schnell wird auch eine unglaubliche Bewegungsschnelligkeit. Diese Fähigkeiten versuche ich über die Sommermonate gezielt durch Krafttraining, Schubtraining auf Rollski in allen möglichen Geländevarianten und natürlich sehr viel Ausdauertraining auszubilden. Denn man darf nicht vergessen, im Normalfall sind wir mindestens vier Stunden unterwegs.

Wie viele Kilometer legst du im Jahr auf Skiern zurück und wie viel dazu auf Skirollern?

Von Mai bis einschließlich November läuft die Vorbereitungsphase. Hier lege ich im Schnitt 5.500 Kilometer zu Fuß und auf Skiroller zurück. Über den Winter kommen dann in etwa 3.500 Kilometer auf Ski dazu.

Wie wichtig ist der Kopf/mentales Training, wie wichtig die Ernährung?

Beides ist sehr wichtig. Aus meiner Sicht ist es aber noch entscheidender, sich beides nicht zu sehr zu Herzen zu nehmen. Die richtige Einstellung und Motivation sind natürlich unabdingbar um Spitzenleistung zu bringen, genauso muss der Körper mit allen nötigen Nährstoffen versorgt sein. Allerdings macht dich nur die Lockerheit schnell, sobald du verkrampfst, bist du machtlos!

Kannst du die Atmosphäre, die den Vasalauf auszeichnet, mit allen fünf Sinnen beschreiben?

Ich denke wenn du beim Vasaloppet mit 16.000 anderen Skilangläufern am Start stehst, ist das Gefühl als ob man in die Schlacht ziehen würde. Du weißt nicht genau, kommt die Gänsehaut die über deinen Rücken läuft, von der Anspannung oder der Kälte die dich umgibt. Du hörst die Hubschrauber über dir kreisen, sie werden gleich für die ersten Livebilder sorgen. Trotz der Aufregung versinkst du in einem Tunnel, konzentrierst dich auf deinen Start, bloß keinen Stockbruch riskieren. Während des Rennens schmeckt man zu Beginn die süßen Leckerbissen, in Form von Energy Gels, spätestens nach drei Stunden wünscht du dir ein „Energy Gel Verbot“ herbei. Es wird zu süß, der Magen spielt kaum noch mit, doch du brauchst Energie um durchzuhalten. Im dicht gedrängten Feld suchst du dir stets die passende Lücke, versuchst schon im Augenwinkel den Weg erspähter Läufer einzuschätzen, um Zusammenstöße zu vermeiden. Du erlebst Zuschauertrauben die frenetisch Beifall klatschen, wirst unbewusst Zeuge von dem Rennen, das sich die Serviceleute am Rand der Strecke liefern, um die beste Trinkserviceposition als Erster zu erreichen. Natürlich ist der Geruch von riesigen Menschenmengen meist unangenehm, allerdings verfliegt der sehr schnell im Wind des Vasaloppets.

Wie läuft der Renntag ab beziehungsweise die Tage drumherum?

Vor dem großen Tag, dem ersten Sonntag im März, wird viel Material getestet, an unterschiedlichsten Stellen der Rennstrecke. Hier versucht man nach dem Ausschlussprinzip den passenden Schliff, das richtige Wachs, einfach den schnellsten Ski für den Renntag zu finden. Zudem wird viel gegessen und man versucht, etwas zur Ruhe zu kommen. Das Training will abgestimmt sein, um genau die richtige Spannung aufzubauen, ein Drahtseilakt aus zuviel oder zu wenig Belastung.

Sprichst du schon ein paar Brocken Schwedisch?

Das Problem ist, die Schweden oder zumindest sehr viele von ihnen sprechen gut Deutsch oder Englisch. Von daher bin ich der Sprache nicht wirklich näher gekommen, obwohl sie nicht zu schwer zu erlernen sein soll, heißt es. 🙂

Was begeistert dich grade am Langlaufen so sehr? Warum nicht der Ironman? Warum nicht Klettern wie die Huberbuam?

Seit meinem 7. Geburtstag lebe ich das Leben eines Skilangläufers. In diesem lernte ich viele Leute und Länder kennen, bis nach Australien verschlug es mich! Tausende Trainingskilometer, hunderte Wettkämpfe und unzählige Male den inneren Schweinehund besiegt, ich liebe diesen Sport! Ich denke die aufgeführten Beispiele stehen alle für Bewegungsmenschen, wir lieben die Bewegung in der freien Natur und könnten ohne sie schwer leben. In welche Sportart es einen dann letztendlich verschlägt, hängt doch sehr am Einfluss der Eltern und der Region in der man aufwächst. Der Bayerischen Wald ist der Traum für jeden Skilangläufer und mein Vater ein großer Fan dieser Sportart.  

Und warum ausgerechnet diese langen Strecken?

Das ergab sich über die Jahre. Ich merkte immer deutlicher, dass mir die Marathonrennen sehr liegen. Bei mir gibt es einen Punkt wenn der überschritten ist, kann man mich nur sehr schwer abschütteln. Ich mag es eine hohe Geschwindigkeit möglichst lang zu laufen.

Was war deine erste Langstrecke? Wie ist dein langläuferischer Werdegang?

Meine erste längere Strecke war die Deutsche Meisterschaft über 30 Kilometer in der Jugend und da hatte ich viel Spaß und wurde mit der Vizemeisterschaft belohnt. Der Werdegang fand seine Anfänge im Schülertraining meines damaligen Vereines im Bayerischen Wald. Im Alter von 15 Jahren wechselte ich auf das Sportgymnasium nach Berchtesgaden, qualifizierte mich für die Nationalmannschaft, die Juniorenweltmeisterschaft und später auch für den ein oder anderen Weltcup. Während dem Grundwehrdienst der Bundeswehr hatte ich eine Sportstelle inne und viel Zeit zu trainieren. Im Anschluss versuchte ich den Sprung in den Weltcup zu schaffen bevor ich mich 2004 zum Studium der Sportwissenschaften an der TU München entschloss. Für mich ein guter Schritt, raus aus der Tretmühle der ewigen Qualifikationsrennen, rein in die Freiheit der Studenten. Zeitgleich startete ich bei meinen ersten Skimarathonrennen und konnte mir nach und nach als Einzelkämpfer Erfolge erarbeiten. Heute bin ich kaum noch alleine unterwegs, wir haben mit dem xc-ski.de A|N Skimarathon Team eine Anlaufstelle für Jedermann geschaffen, der sich für Skilanglauf interessiert, und sind gespannt wohin die Reise geht.

Du hast auch schon das Arctic Circle Race in Grönland gewonnen. Das bisherige Highlight deiner Sportlerkarriere?

Neben dem Titel als Europameister im Skimarathon und einigen sehr guten Platzierungen im FIS Marathon Cup, sicherlich! Es war nicht nur ein großer Erfolg, sondern auch das größte Abenteuer, das ich auf Ski erleben durfte. Mit einem survival Rucksack auf dem Rücken durch das Gebirge Grönlands, bei minus 30°C in einem Zeltlager schlafen, die Hundeschlitten die einen verfolgen und die leckeren Fischspezialitäten werde ich nie vergessen!

Du bist Sportwissenschaftler: Was unterscheidet den Körper eines Langstreckensportlers von dem eines Sprinters, eines Abfahrtsspezialisten und eines Funsportlers? Und ist das genetisch veranlagt oder trainierbar?

Natürlich muss der Mensch zu einem gewissen Anteil mit seiner Veranlagung leben. Das Talent, ob du einmal in der Weltspitze laden kannst, ist theoretisch vorbestimmt. Doch vor allem beim Ausdauersport kann man durch Fleiß, Willen, den Verzicht auf viele Annehmlichkeiten und Leidensfähigkeit einiges erreichen. Erfahrungsgemäß unterscheiden sich diese aufgeführten Sportler schon sehr in ihrer Mentalität. Die einen sind eher introvertiert, wollen in Ruhe gelassen werden, lieben und leben ihren Sport, die anderen sind extrovertiert, suchen die Gefahr, wollen ins Rampenlicht und baden in der Aufmerksamkeit. Natürlich habe ich in diesem Fall eine gewisse „Brille“ auf und bin vielleicht nicht wirklich objektiv.

Wie fit muss man sein, wenn man den Vasalauf das erste Mal angehen möchte?

Um den Vasaloppet zu schaffen, muss man nicht außergewöhnlich fit sein. Man sollte natürlich schon etwas Kondition und einen langen Atem mitbringen, aber dadurch, dass der Skilanglauf eine sehr schonende Sportart ist, kann beinahe jedermann mit etwas Willen und Skitraining diese Strecke schaffen. Falls da Interesse besteht, gebe ich gerne persönlich Tipps, was es für den Einzelnen zu beachten gilt. Allgemein betrachtet sind Geduld, Gesundheit und Motivation die Grundvoraussetzungen. Die Schwierigkeit für uns liegt hauptsächlich an der Geschwindigkeit mit der die 90 Kilometer von Sälen nach Mora gelaufen werden.

Hast du Tipps für die Vorbereitung für Hobbyläufer?

Hier mal etwas Werbung für einen individuellen Trainingsplan, am Besten natürlich vom AusdauerNetzwerk! Natürlich kann die Vorbereitung ganz unterschiedlich aussehen. Zu Beginn sollte ich mir ein Ziel stecken, nebensächlich ob das heißt, „ich will meinen ersten Skimarathon meistern“ oder „ich nehme mir vor das Podium in meiner Altersklasse zu knacken“! Aus diesem gesteckten Ziel lässt sich die Intensität, der Aufwand für die Vorbereitung, wie oft, wie lange, wie intensiv muss ich trainieren und welche Inhalte sollte mein Training aufweisen, ableiten. Natürlich kann man sagen, „versuche 3-4 mal pro Woche zu trainieren“ und du schaffst einen Marathon. Ein Trainingsplan auf sportwissenschaftlicher Grundlage ist aber eine wichtige Hilfe, um die eigene Zeit effektiv einzusetzen und die eigenen Ziele gesund zu erreichen. Viele Skilangläufer laufen viel zu viel, viel zu weit und oft gegen die Signale ihres Körpers. Wer zum Beispiel Regeneration, Stabilisationstraining und alternative Sportarten außer Acht lässt, riskiert gesundheitliche Schäden. Training heißt Adaption, Anpassung, ich passe meinen Körper, meinen Geist Belastungen an die zu einem späteren Zeitpunkt im Wettkampf auf mich warten. Diese psychologischen, physiologischen Reize durch Training richtig zu dosieren, zum richtigen Zeitpunkt zu setzten um am Tag X die Leistung zu erbringen die ich mir erwarte, erträume, ist die Aufgabe des individuellen Trainingsplans. Nehmen wir an, Ziel ist es am Skadi Loppet in Bodenmais teilzunehmen und diesen im eigenen Renntempo zu durchlaufen oder sogar einige Konkurrenten hinter sich zu lassen.  Im ersten Schritt teile ich mir meine Vorbereitung, drei bis vier Monate wären empfehlenswert, in Abschnitte, Perioden ein. Der Skilanglauf hat viele Facetten und Bereiche die trainiert werden sollten. Demnach teile ich jeder meiner festgelegten Zeitabschnitte ein gewisses „Trainingsthema“, einen Schwerpunkt zu. So widmet man sich im ersten Abschnitt der allgemeinen Grundlagenausdauer. Hier wird bei niedriger Trainingsintensität hoher Umfang mit vielen verschiedenen Trainingsmitteln absolviert. Im darauf folgenden Teilabschnitt rücken Formen des Kraftausdauer Trainings in den Vordergrund und die Intensität wird erhöht. Hat man sich eine gute Ausdauer und Kraft Basis erarbeitet, feilt man daran die antrainierten „PS“ in Technik und Geschwindigkeit umzusetzen. Vor dem eigentlichen Hauptereignis empfiehlt es sich einen kleineren „Probewettkampf“ zu absolvieren um wie die Athleten sagen „Rennluft zu schnuppern“. Dies ist sehr hilfreich um sich auf das kommende Highlight einstellen zu können. Wer sich für ein detailliertes Trainingsprogramm interessiert oder das mal ausprobieren möchte, ist auf www.ausdauernetzwerk.de herzlich willkommen!

Lebst du von deinem Sport? Was machst du beruflich?

Zu meinem Sport, von dem man leider nicht leben kann, bin ich selbstständiger Betreiber einer Trainingsplattform für Ausdauersportler. Zusammen mit meinem Partner Mathias Flunger haben wir das AusdauerNetzwerk ins Leben gerufen. Unser Ziel ist es Einsteigern wie ambitionierten Sportlern die Freude am Sport zu vermitteln, sie ein Stück gesünder und schneller zu machen. Wir versuchen zum Beispiel Skilangläufer ganz gezielt auf das größte Deutsche Skimarathon Rennen, den König Ludwig Lauf vorzubereiten. Individuelle Trainingspläne, Personal Training und Trainings Camps bzw. Sportreisen beschreiben unser Angebot. 

Wie bringst du Beruf und Sport unter einen Hut? Hast du Familie?

Ja seit ein paar Monaten sind wir inklusive Hund zu Viert! Es ist einfach so, dass die Zeit knapper wird. Dafür steigt die Spannung. Sich nur auf ein Feld zu konzentrieren, birgt die Gefahr bei nicht Erreichung des Ziels in ein tiefes, schwarzes Loch zu fallen. Bei einem Zusammenspiel aus Familie, Sport und Beruf finde ich persönlich eine Abwechslung, die mir einen Ausgleich verschafft. Natürlich wird die Familie und der Beruf Schritt für Schritt einen größeren Umfang in meinem Leben einnehmen, doch im Moment genieße ich diese Zeit der Abwechslung sehr.

Wovon träumst du sportlich gesehen noch, was möchtest du erreichen?

Wie gesagt die Top Ten beim Vasaloppet werde ich ganz offensiv angehen! Lassen wir uns überraschen…

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