Abnormale Blutwerte: Umfangreiches Doping im Skilanglauf?

Massenstart © Modica/NordicFocus

Am Sonntagmorgen veröffentlichte die ARD-Dopingredaktion unter Leitung von Hajo Seppelt einen Bericht, wonach abnormale Blutwerte in einer Datenbank darauf hinwiesen, dass ein Drittel aller Medaillen im Skilanglauf bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften zwischen 2001 und 2017 von gedopten Sportlern errungen worden sein könnten.

Whistleblower übergibt Datenbank

Grundlage für den bislang größten Dopingverdacht in der Geschichte des Skilanglaufs ist eine Datenbank an Blutwerten, die ein Informant (Whistleblower) der ARD-Dopingredaktion zugeschickt hat. Zusammen mit weiteren Journalistenkollegen aus dem In- und Ausland hat Hajo Seppelt die Daten auf Echtheit überprüft und ist anhand von Expertenmeinungen zu dem Schluss gekommen, dass von 2001 bis 2017 313 Medaillen bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen von Sportlern errungen wurden, „deren Bluttestergebnisse von mindestens einem Experten als ‚wahrscheinlich gedopt‘ oder ‚verdächtig‘ eingestuft wurden“. Darunter befänden sich Athleten aus Russland, Norwegen, Schweden, Österreich und Deutschland. Die Sunday Times, deren Mitarbeiter ebenfalls Teil des Recherche-Teams waren, veröffentlichte eine Tabelle, laut der 34 Prozent der russischen Athleten, aber auch 28 Prozent der österreichischen, 22 Prozent der deutschen und 16 Prozent der Schweizer Skilangläufer in der Datenbank zwischen 2001 und 2010 abnormale Blutwerte aufwiesen. Manche Werte seien so hoch gewesen, dass nur eine eins zu 10.000 oder sogar eins zu einer Million Chance bestand, dass diese Werte natürlichen Ursprungs seien. 50 Skilangläufer mit mindestens einem auffälligen Wert aus der Vergangenheit stehen laut ARD-Dopingredaktion auf der Qualifikationsliste für die Olympischen Spiele in Pyeongchang. 

Angerer fordert Fakten

Gegenüber Sport1 fordert Tobias Angerer, der selbst zwischen 2002 und 2011 insgesamt elf Medaillen bei Großereignissen gewinnen konnte: „Es wird immer nur von einem Verdacht gesprochen. Für mich wäre es wichtig auch einmal namentlich zu benennen, wer gedopt haben soll. Wo sind die Namen? Die würde ich gerne einmal sehen.“ Generell ist Angerer über die Vorgehensweise bei derartigen Skandalen verärgert: „Die Art und Weise wie hier kommuniziert wird, ohne Fakten auf den Tisch zu legen, hilft letztendlich keinem weiter.“ Darüber hinaus bekräftigt er seine eigene Meinung zum Thema Doping: „Ich persönlich weiß, dass ich meinen Sport immer sauber ausgeführt habe. Ich war immer froh, wenn wir kontrolliert wurden, denn dann kannst du als Sportler zeigen, dass du sauber bist. Ich bin der größte Gegner jeden Betrugs.“ Und auch seine Teamkollegen nimmt er in Schutz: „Wir haben alle unsere Erfolge sauber erreicht, das ist für mich das Wichtigste. Wir haben unseren Sport mit Leidenschaft und Herzblut gemacht.“ Unterstützung erhielt Angerer bereits vor den Olympischen Spielen 2006 von Bengt Saltin, der damals für die FIS auf Dopingjagd ging. In einem Interview mit der FAZ, in dem es damals schon um erhöhte Blutwerte ging, bekräftigte der Schwede, angesprochen auf die Werte von Axel Teichmann und Angerer: „Sie haben absolut normale Werte.“

Asthmamittel wirken leistungssteigernd

Zwar kein Teil der Rechercheergebnisse des ARD-Teams aber dennoch aktuelle Erkenntnisse im Dopingkampf wurden vergangene Woche in Dänemark und Schweden publiziert. Professorin Vibeke Backer hatte am Rigshospitalet in Kopenhagen eine Studie durchgeführt, mit der überprüft werden sollte, ob Asthmamedikamente leistungssteigernd im Sport eingesetzt werden können. Bislang ging man davon aus, dass man mit den im Einsatz befindlichen Mitteln lediglich die Nachteile einer Asthmaerkrankung beheben, aber keine Leistungsvorteile erzielen kann. Die Studie belegt nun, dass die Einnahme dieser Mittel in hohen Dosen tatsächlich zur Leistungssteigerung führt. „Wir haben kürzlich gezeigt, dass die Muskelkraft durch die Einnahme des Asthmamedikaments Terbutalin verbessert wird. Spielt es eine Rolle, wenn sie zum Beispiel Profi-Radsportler sind und sich auf eine harte Bergstrecke begeben? Ja, das tut es. Ihre Erholung wird effizienter sein“, erklärt Vibeke Backer. Die jüngste Studie dänischer Forscher umfasste hohe Dosen von Salbutamol, und das Ergebnis waren Verbesserungen in einem so genannten Wingate-Test, der die anaerobe Kapazität misst. Mit anderen Worten, es scheint, dass Kraft und Explosivität durch Beta2-Agonisten wie Salbutamol, Formaterol und Salmeterol verbessert werden – nicht die Sauerstoffaufnahme. Backer weiter: „Wir haben gesehen, dass Asthmatiker, die eine Kombination dieser Medikamente eingenommen haben, eine bessere Leistung als die Placebogruppe erreicht haben. Interessanterweise stellte sich heraus, dass auch diejenigen, die kein Asthma hatten, aber die Medikamente bekamen, besser abschneiden konnten. Der positive Effekt ist also unabhängig davon, ob sie die Krankheit haben oder nicht.“ Zum Fall von Martin Johnsrud Sundby äußerte sich Backer sehr deutlich: „Sundby wusste, was los war. Alles war bekannt und es war der Teamarzt, der die Medizin verschrieb. Die Ethik der Ärzte, die Elite-Athleten behandeln, ist leider nicht immer die beste.“

Quellen: sportschau.de, sport1.de, idrottsforskning.se, faz.net, idrottsforskning.se